Management

Zurück im Job

Wie die Teilhabe am Arbeitsleben nach längerer Arbeitsunfähigkeit sichergestellt wird

Betriebliches Eingliederungsmanagement, stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell – zur Inte­gration von Mitarbeitern nach längerer Arbeitsunfähigkeit stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Wann ist was vorgesehen? Welche Chancen sind damit verbunden? Was gilt es zu beachten? Von Inken Rutz

Die Mitarbeiter sind eine der wichtigsten Ressourcen einer Apotheke. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel ist es wichtig, wertvolle Arbeitskraft an den Betrieb zu binden. Jedoch können länger andauernde oder wiederholte Erkrankungen ebenso wie Unfallfolgen das Arbeitsverhältnis belasten. Der Apothekenleiter muss auf die Arbeitsleistung einer wichtigen Fachkraft verzichten und dem länger erkrankten Mitarbeiter stellt sich eine wichtige Zukunftsfrage: Wie kann ich weiterhin am Arbeitsleben teilhaben?

Eine beachtliche Anzahl von Arbeitnehmern scheidet jedes Jahr aus gesundheitlichen Gründen aus dem Arbeitsleben aus. Die dadurch verlorene Arbeitskraft belastet Betriebe – so auch Apotheken. Es stehen jedoch verschiedene Möglichkeiten zur Rehabilitation länger arbeitsunfähiger Mitarbeiter zur Verfügung. Diese Konzepte können insgesamt das Betriebsklima stärken, da sie teilweise nicht nur als Mittel zur Rehabilitation anzusehen sind, sondern gleichzeitig auch Präventionsmaßnahmen zur Gesunderhaltung der Belegschaft darstellen.

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Aus dem Rennen geworfen Ein Unfall oder eine schwere Krankheit bremst Menschen in ihren Lebenszielen aus. Gut, wenn dann jemand da ist, der einem wieder aufhilft. Zur Rückkehr in die Arbeitswelt gibt es verschiedene Hilfen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) stellt einen Teilbereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) dar. Laut § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX muss ein BEM angeboten werden, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Jeder Betrieb – unabhängig von seiner Größe – ist in diesem Fall dazu verpflichtet, seinen Beschäftigten ein BEM anzubieten.

BEM – Schritt für Schritt

1. Feststellung, dass Anspruch auf BEM vorliegt (Sechs-Wochen-Regel): Das heißt, der Arbeitnehmer ist sechs Wochen am Stück oder über ein Jahr verteilt arbeitsunfähig.

2. Schriftliche Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber mit Erklärung der Ziele, Hinweis auf Freiwilligkeit und Vertraulichkeit verbunden mit der Einladung zu einem Erstgespräch. Annahme oder Ablehnung schriftlich dokumentieren.

3. Erstgespräch: Festlegung der Beteiligten des BEM wie Arbeitgeber oder optional, soweit vorhanden, auch ­Betriebs- oder Personalrat, Schwerbehindertenvertreter, Betriebsarzt. Die Teilnahme anderer Beteiligter neben dem Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer auch abgelehnt werden. Das Erstgespräch dient der Feststellung, ob ein BEM durchgeführt werden soll.

4. Besprechung der individuell notwendigen Maßnahmen des BEM. Sind die erforderlichen Maßnahmen nicht umsetzbar, kann das BEM auch an dieser Stelle scheitern.

5. Festlegung von Maßnahmen. Können auch vom ­Arbeitnehmer abgelehnt werden. BEM beendet.

6. Durchführung der Maßnahmen mit fortlaufender Erfolgskontrolle und eventuellen Anpassungen bis zum Abschluss des BEM.

Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit und Produktivität von vorübergehend oder dauerhaft gesundheitlich eingeschränkten Beschäftigten zu erhalten beziehungsweise wiederzuerlangen. Berücksichtigt werden müssen die individuell unterschiedlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Betroffenen ebenso wie die jeweiligen Anforderungen an ihren Arbeitsplätzen. Auf die Apotheken bezogen ist ­beispielsweise zu unterscheiden zwischen überwiegend stehenden Tätigkeiten oder auch im Sitzen auszuführenden Aufgaben. Dazu kommen die besonderen Anforderungen im Bereich der Rezeptur.

Anspruchsberechtigte unterscheiden sich grundsätzlich in drei Gruppen:

1. Nach längerer Krankheit besteht ein Wiedereingliederungsbedarf. Die vollständige Arbeitskraft kann jedoch wiedererlangt werden.

2. Personen, die nach Krankheit oder Unfall zusätzliche Hilfsmittel oder Unterstützungen am Arbeitsplatz benötigen. Die Betreffenden sind aber ansonsten voll leistungsfähig.

3. Bedingt durch Krankheit oder Unfall kann die bisherige Tätigkeit nicht mehr im gewohnten Umfang ausgeübt werden.

Der Arbeitgeber muss, der Beschäftigte kann

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, im Falle der unter § 167 Abs. 2 SGB IX genannten Voraussetzungen seinen Beschäftigten ein BEM anzubieten. Dies kann bereits während der Krankschreibung mit dem Ziel der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit erfolgen oder im Falle häufiger Kurz­erkrankungen mit dem Ziel einer Vermeidung weiterer Fehlzeiten.

Der Anspruch auf ein BEM besteht unabhängig von der Art der Beschäftigung. Er gilt also auch für Teilzeit- oder Aushilfskräfte oder befristete Arbeitsverhältnisse. Die Betriebsgröße spielt ebenfalls keine Rolle. Außerdem ist ein BEM nicht abhängig von der Art der ­Erkrankung. Der Betroffene ist nicht verpflichtet, die Diagnose mitzuteilen, jedoch kann das im Hinblick auf angemessene Maßnahmen hilfreich sein.

Der erste Schritt sollte vom Arbeitgeber erfolgen, der den betroffenen Mitarbeiter schriftlich zu einem BEM-Verfahren und einem ersten Gespräch einlädt. Die Teilnahme ist vonseiten des Arbeitnehmers freiwillig. Der Arbeitgeber wiederum muss in seinem Anschreiben auf diese Freiwilligkeit hinweisen. Eine Zustimmung – wie auch eine Ablehnung – sollte schriftlich dokumentiert werden. Neben dem Hinweis auf die Freiwilligkeit sollten auch die Ziele des BEM angegeben und Vertraulichkeit im Umgang mit den persönlichen Daten des ­Betroffenen zugesichert werden. Diese Daten dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung an Dritte weitergegeben werden. Zudem gehören BEM-Daten in keinem Fall zu den Personalakten. Sie müssen separat verwaltet werden.

Ein BEM kann scheitern. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass der Beschäftigte die Maßnahmen abbricht. Das sollte jedoch nur bei zwingenden Gründen und in enger Abstimmung aller Beteiligten geschehen.

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Hilfsmittel können bei manchen Arbeiten helfen, z. B. ergonomische Steh-Sitz-Arbeitstische, die man nach Bedarf verstellen kann.

Hilfsmittel auch zur ­Prävention einsetzen

Je nach Arbeitsplatz und je nach Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich, beispielsweise zur Reduktion von Lärm, Stress oder bestimmten ­körperlichen Belastungen. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Veränderungen der Arbeitsbedingungen wie Anpassungen von Arbeitsplatz oder Arbeitszeit oder aber Veränderungen der Arbeitsinhalte und Qualifizierungsmaßnahmen.

Zahlreiche Hilfsmittel und technische Arbeitshilfen stehen zur Verfügung, um einen Arbeitsplatz umzurüsten. Beispiele sind Stehhilfen bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, verstärkte Lautsprecher für Telefone und ergonomische Steh-Sitz-Arbeitstische. Solche Anpassungen können teilweise auch zur Prävention von gesundheitlichen Beeinträchtigungen des gesamten Teams eingesetzt werden. Sehr hilfreich kann auch eine Anpassung der Arbeitszeit sein. Es bieten sich hierbei ­flexible Arbeitszeitmodelle oder ein Wechsel von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung an.

Ablehnung des BEM – und seine Folgen

Wichtig bleibt während des gesamten BEM-Prozesses, dass alle Phasen aufseiten des Beschäftigten auf Freiwilligkeit beruhen. Das heißt, ein Arbeitnehmer kann zu jedem Zeitpunkt ein BEM ablehnen beziehungsweise beenden. ­Eine Ablehnung hat keine automatischen arbeitsrechtlichen Folgen. Auch eventuell noch zustehendes Kranken- oder Übergangsgeld wird nicht gekürzt. Jedoch muss bedacht werden, dass weiterhin bestehende gesundheitliche Probleme und eine damit in Zusammenhang stehende Arbeitsun­fähigkeit zur Kündigung führen können. Im Falle einer solchen Kündigung können sich die Betroffenen dann nicht auf ein fehlendes BEM berufen.

Ein BEM, das von beiden Seiten ernsthaft durchgeführt wird, kann wiederum häufig vor einer solchen Kündigung schützen. Es besteht immerhin die Möglichkeit, Lösungen zu finden und die Arbeitskraft für den Betrieb zu erhalten. Jedoch kann sich auch zeigen, dass in dem jeweiligen Betrieb aufgrund der Erkrankung keine Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung bestehen. Dann schützt auch ein BEM nicht vor Kündigung. Das BEM muss auch in diesem Fall nicht sinnlos sein, kann doch das Ergebnis den Rehabilitationsträgern wichtige Hinweise im Hinblick auf eventuelle Umschulungen geben.

Arbeitgeber wiederum müssen bei einem nicht durchgeführten BEM nachweisen, dass sie alles unternommen haben, um ihren Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen, beziehungsweise dass ein BEM nicht erfolgreich hätte durchgeführt werden können. Die Beweispflicht liegt auf Arbeitgeberseite – und gilt für alle Arbeitsverhältnisse, für die das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Gültigkeit hat. Zu beachten ist § 1 Abs. 2 KSchG (Sonderfall der personenbedingten Kündigung). Das bedeutet, Krankheit ist kein Kündigungsgrund, aber auch kein Kündigungshindernis – oder anders gesagt, gekündigt wird letztlich wegen der betrieblichen Auswirkungen der Krankheit.

Wiedereingliederung nach Hamburger Modell

Eine stufenweise Wiedereingliederung – auch Hamburger Modell genannt – ist eine der Maßnahmen, auf die sich die beteiligten Parteien im Rahmen eines BEM einigen können. Es gibt jedoch ­Unterschiede. So ist festzuhalten, dass jeder Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, dem über längere Zeit erkrankten Arbeitnehmer ein BEM anzubieten. Die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung nach Hamburger Modell hingegen kann abgelehnt werden. Der Arbeitgeber sollte dies jedoch nach Möglichkeit unterstützen. Ablehnen kann er die Maßnahme, wenn er sich beispielsweise nicht in der Lage sieht, sie durchzuführen, da der Arbeitsplatz ungeeignet oder die Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit nicht wahrscheinlich erscheint. Eine Teilzeitbeschäftigung gegen seinen Willen ist nicht möglich. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass der Arbeitgeber im Falle schwerbehinderter Beschäftigter und gleichgestellter Personen zur Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung verpflichtet ist, wenn diese von ärzt­licher Seite angezeigt und von dem Betroffenen erwünscht ist.

Das Hamburger Modell richtet sich nur an gesetzlich Krankenversicherte und im Gegensatz zum BEM nicht auch an Privatversicherte. Eine stufenweise Wiedereingliederung ist zustimmungspflichtig vonseiten der Krankenkasse. Das stellt normalerweise ­jedoch kein Hindernis dar. Der eingeschränkt arbeits­fähige Beschäftigte ist weiterhin krankgeschrieben und erhält ­somit während der Maßnahme Krankengeld von der Krankenkasse oder Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger. Der Arbeitgeber muss also kein Arbeitsentgelt entrichten.

Unter ärztlicher Aufsicht erfolgt dann eine individuell angepasste stufenweise Eingliederung in den Arbeitsalltag. Voraussetzung ist allerdings, dass der behandelnde Arzt von einer günstigen Prognose ausgeht und der Betroffene bereits ausreichend belastbar ist. Der Arzt erstellt dann einen individuellen Stufenplan. Ein solcher Plan kann beispielsweise Angaben zur täg­lichen Arbeitszeit enthalten, die dann stufenweise angepasst beziehungsweise erhöht werden kann. Außerdem können Anweisungen über erlaubte und nicht erlaubte Tätigkeiten enthalten sein. In jedem Fall sollten Einschätzungen über die voraussichtliche Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme erfolgen; diese kann zwischen wenigen Wochen bis hin zu mehreren Monaten liegen. Ein regelmäßiges Feedback ist erforderlich und kann auch dazu führen, dass der Stufenplan modifiziert werden und im ungünstigsten Fall die Maßnahme sogar abgebrochen werden muss.

Die Rückkehr in den Arbeitsalltag nach Hamburger Modell ist jedoch in jedem Fall eine interessante Möglichkeit für beide Parteien. Dieses wichtige Element eines BEM sollte deshalb wohlwollend in Erwägung gezogen werden. Auch gesundheitlich beeinträchtigte Fachkräfte können hoffentlich auf diese Weise den Apotheken erhalten bleiben. |

Inken Rutz, Apothekerin und freie Journalistin

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