Arzneimittel und Therapie

Struktureller Rassismus als Störgröße

Erfolg der Raucherentwöhnung hängt von sozioökonomischen Faktoren ab

Zum 21. März, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, muss man feststellen: Auch die Wissenschaft, die sich um Objektivität bemüht, ist nicht unbedingt frei von strukturellem Rassismus. So werden wissenschaftliche Beobachtungen in einigen Fällen mit der Hautfarbe der Probanden in Verbindung gebracht. In Wirklichkeit aber könnten sich Störgrößen wie sozioökonomische Faktoren dahinter verbergen, die wiederum mit Rassismus assoziiert sind. Dieses Problem diskutieren die Autoren einer aktuellen Studie zur Raucherentwöhnung.
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Diverse Studien zeigten in der Vergangenheit, dass die durch Tabak verursachte Morbidität und Mortalität bei Afroamerikanern trotz niedrigerem Zigarettenkonsum höher sind als bei Hellhäutigen. Dies ist laut einer Analyse nicht auf biologische Faktoren wie einem möglichen unterschiedlichen Nikotinmetabolismus zurückzuführen. Die Ursache für die Unterschiede wurden jedoch kaum beleuchtet.

In einer sekundären Analyse der EAGLES-Studie sollten Faktoren ausfindig gemacht werden, die die Rauchab­stinenz für Afroamerikaner zu erschweren scheinen. Die doppelblinde, placebokontrollierte Studie wurde sowohl ambulant als auch an Zentren für klinische Studien und akademischen Zentren durchgeführt. Zwischen November 2011 und Januar 2015 wurden 1065 dunkelhäutige und 3044 hellhäutige Patienten mit und ohne psychiatrische Komorbiditäten für die Studienauswertung berücksichtigt. Alle Probanden waren starke Raucher, Dunkelhäutige rauchten im Schnitt 18,2, Hellhäutige 20,0 Zigaretten am Tag. Die Patienten wurden in einem 1 : 1 : 1 : 1-Verhältnis randomisiert und erhielten jeweils Vareniclin (zweimal täglich 1 mg), Bupropion (zweimal täglich 150 mg), Nikotinpflaster (21 mg pro Tag) als Positivkontrolle oder Placebo für zwölf Wochen. Die Nachbeobachtungszeit erstreckte sich bis zur 24. Woche. Als primärer Outcome wurde die biochemisch verifizierte kontinuierliche Zigarettenabstinenzrate von Woche 9 bis 24 betrachtet. Als zugrunde liegende Faktoren wurden demografische Merkmale (Geschlecht, Alter, Body-Mass-Index) untersucht, des Weiteren Rauchgewohnheiten, vorausgehende Behandlungen, psychosoziale Faktoren sowie besondere Umstände während des Studienverlaufs, z. B. Studienabbrüche oder Non-Adhärenz. Es zeigte sich, dass die kontinuierliche Zigarettenabstinenz­rate für dunkelhäutige Probanden insgesamt 4,9% (Odds Ratio  =  0,53, 95%-Konfidenzintervall: 0,41 bis 0,69, p < 0,001) niedriger war als für hellhäutige. Signifikante Unterschiede wurden in allen Medikationsgruppen gefunden. Während bei Hellhäutigen alle untersuchten Wirkstoffe dem Placebo überlegen waren, zeigte sich bei Dunkelhäutigen einzig Vareniclin dem Placebo überlegen.

Sozialstatus ist entscheidend

Dass die dunkelhäutigen Probanden auch auf Placebo weniger ansprachen, weist darauf hin, dass kein pharmakologischer Effekt vorliegt. Unter den dunkelhäutigen Probanden gab es weniger Studienabbrüche, die Compliance war in allen Behandlungsgruppen höher, Depressionen besserten sich während der Behandlungsdauer, und es traten weniger unerwünschte Nebenwirkungen auf. Dass trotz dieser positiven Ergebnisse der Therapieerfolg unter Dunkelhäutigen geringer war, verwunderte die Wissenschaftler. Die sekundäre Analyse bestätigte, dass die Raucherentwöhnung bei Dunkelhäutigen geringere Erfolgschancen hat. Die Autoren konnten aber nicht erklären, welche Ursachen dem zugrunde liegen. In der Fehlerbetrachtung vermuten sie, dass Faktoren relevant sind, die von der EAGLES-Studie nicht erfasst wurden – darunter sozioökonomische Faktoren, die mit Rassismus und Diskriminierung assoziiert sind. In einer weiteren Studie zur Raucherentwöhnung mit Vareniclin berücksichtigten Forscher Faktoren wie den Besitz eines Eigentumshauses, die Höhe des Einkommens sowie das Wohnviertel. Es zeigte sich, dass sozioökonomisch benachteiligten Erwachsenen die Raucherentwöhnung seltener gelang. Hinzu kommt, dass dunkelhäutige Raucher in den USA häufiger sozioökonomisch benachteiligt sind als hellhäutige Raucher. Die Autoren schließen daraus, dass sich Forscher und medizinisches Personal dessen bewusst sein sollten, dass die Hautfarbe stellvertretend für soziale Faktoren steht, die alle Lebensbereiche formen ‒ so auch die Wahrscheinlichkeit, ob es gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören. |

Literatur

Nollen NL et al. Assessment of Racial Differences in Pharmacotherapy Efficacy for Smoking Cessation. JAMA Netw. Open. 2021;4(1):1-15

Apothekerin Leonie Naßwetter

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