Interpharm online 2021

Schleimhaut auf Abwegen

Endometriose wird oft zu spät erkannt

cb | Obwohl die Endometriose eine weit verbreitete Erkrankung ist, wird ihr nach Ansicht von Prof. Dr. med. Sylvia Mechsner, Leiterin des Endometriosezentrums der Charité Universitätsmedizin Berlin, noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Auch bei den betroffenen Frauen ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig, wozu auch die Apotheke einen Beitrag leisten kann.

Die Endometriose ist sehr weit verbreitet – etwa 10 bis 15% der Frauen in der fertilen Lebensphase sind betroffen. Die chronische, nicht heilbare Erkrankung beginnt meistens bereits mit der Menarche und kann bis zur Menopause aktiv sein, manche Beschwerden dauern auch darüber hinaus noch an. Die Endometriose ist auch deshalb so schwer zu erkennen, weil die Symptome – zum Beispiel starke Unterbauchschmerzen vor der Regelblutung - für typische Menstruationsbeschwerden gehalten werden. Es gibt aber auch weitere Symptome, die hellhörig machen können. Dazu zählen Schmerzen beim Wasserlassen, beim Stuhlgang oder beim Geschlechtsverkehr, zyklische Schulterschmerzen, wenn das Zwerchfell betroffen ist, sowie bei Nabel-Endometriose Nabelschmerzen bis hin zu Nabelblutungen.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Sylvia Mechsner vom Endometriosezentrum der Charité wurde live aus dem DAZ-Hauptstadtbüro zugeschaltet und beantworte viele Fragen der Moderatorin Celine Müller (re.).

Was sind die Ursachen?

Definiert ist die Endometriose als eine Translokation von Endometrium-artigem Gewebe außerhalb der Gebär­mutterhöhle. Das Gewebe siedelt sich oberflächlich auf dem Bauchfell oder auch in der Gebärmuttermuskelwand an, dann spricht man von Adeno­myose. Die Ätiologie ist noch nicht vollständig geklärt. Eine retrograde Menstruation kann die Ursache sein, bei der Gebärmutterschleimhaut in die Eileiter wandert. Zur Adenomyose kommt es wahrscheinlich, wenn bei starker Peristaltik der Gebärmutter während der Periode am Übergang zwischen Endometrium und Myometrium Mikrotraumata entstehen und von dort aus Stammzellen in die Muskelwand der Gebärmutter wandern. Eine tief infiltrierende Erkrankung wie die Darm- oder Blasen-Endometriose kann bis zur Organzerstörung führen. Die Bauchfellherde verursachen eher eine ausgedehnte Entzündung und Schmerzen. Wenn eine Endometriose jahrelang nicht erkannt wird, kann sich durch die immer wiederkehrenden Schmerzen ein komplexes Schmerzsyndrom entwickeln.

Beim Frauenarzt häufig nicht erkannt

Frauen haben oft bis zu zehn Jahre lang Beschwerden, bevor eine Endometriose diagnostiziert wird. Bei gynäkologischen Routineuntersuchungen wird die Erkrankung häufig nicht erkannt, obwohl bereits ein ausführliches ärztliches Gespräch Hinweise liefern könnte. Einige Endometrioseherde lassen sich durch Tastuntersuchungen oder mittels Ultraschall finden, oberflächliche Bauchfellherde werden jedoch nur durch eine laparoskopische Bauchspiegelung erkannt. Obwohl Bauchfellherde bei der Endometriose häufig „harmlos“ aussehen, können sie hochaktiv sein und eine Reihe von Schmerz- und Entzündungsmediatoren sezernieren, die die typischen zyklischen Beschwerden verursachen. Neuere Forschungen aus Mechsners Arbeitsgruppe zeigen auch, dass aus sensiblen Nervenfasern im Bereich der Endometriose-Herde der Entzündungsmediator Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP) freigesetzt wird. Aktive Bauchfellherde werden an der Charité komplett operativ entfernt, wenn die Frauen trotz adäquater Hormontherapie weiterhin Beschwerden haben. Leider besteht auch nach erfolgreicher Operation ein hohes Rezidivrisiko.

Hormontherapie: Östrogene möglichst meiden

Zur Hormonbehandlung der Endo­metriose gibt es zahlreiche Optionen. Zweite Wahl sind für Mechsner orale Kontrazeptiva oder die Hormonspirale, da es darunter zur kumulativen Er­höhung der Östrogenkonzentration kommt, wodurch Endometrioseläsionen reaktiviert werden können. Das Gestagen Dienogest, das über die zentrale Downregulation wirkt, ist ein gut wirksames Mittel und auch direkt zur Endometriosebehandlung zugelassen (Visanne® und Generika). Es kann dauerhaft gegeben werden, eine histologische Sicherung der Endometriose ist für die Verschreibung nicht notwendig – was selbst einigen Gynäkologen nicht bekannt ist. Allerdings kann es unter Gestagenen allgemein zu unerwünschten Zwischenblutungen kommen. Weiterhin sind bei Endometriose Analoga vom Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH) wie Buserelin und Nafarelin zugelassen, in den USA auch der orale GnRH-Antagonist Elagolix. Weitere Substanzen befinden sich in der klinischen Entwicklung, darunter ein Dopamin-Agonist, der über die Angiogenese-Inhibition wirken soll.

Analgetika nach festem ­Schema anwenden

Als Analgetika können Ibuprofen, Naproxen oder Metamizol empfohlen werden, zur Krampflösung eignen sich ergänzend Buscopan® und Magnesium. Auch 10%-iges Cannabidiol-Öl kann eine wirksame Alternative sein. Bei neuropathischen Schmerzen ist auch Gabapentin eine Option. Dagegen sollten Opiate gemieden werden. Wenn diese Optionen nicht ausreichen, können die Frauen auch an ein Schmerzzentrum verwiesen werden. Ein chronisches Schmerzsyndrom kann jedoch vermieden werden, wenn sowohl die Hormonbehandlung als auch die Schmerztherapie vom Gynäkologen rechtzeitig begonnen und optimal gestaltet werden. Dazu gehört, dass Analgetika bei Schmerzen in einem festen Schema eingenommen werden. Die Frauen sollten nicht warten, bis die Schmerzspitze erreicht ist und „nichts mehr geht“, betonte Mechsner. Für sehr wichtig hält die Gynäkologin auch die psychologische Begleitung der Frauen inklusive dem Erlernen von Bewältigungsstrategien gegen Schmerzen, damit sich durch die Dauerbelastung mit den Endometriose-Symptomen keine Depression entwickelt. |

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