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Aus den Ländern
Saar: Raus aus der Hilfsmittelversorgung?
Betriebswirtschaftlicher Blick zeigt: Auf längere Sicht nicht mehr machbar
In Zeiten der Pandemie übernehmen Apotheken viele zusätzliche Aufgaben, die deutlich über die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln hinausgehen. Auch wenn es sich dabei zumeist um zeitlich befristete Projekte handelt: Aus der Sicht von Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlands, wird sich diese Entwicklung verstetigen. Ob Grippeimpfung, pharmazeutische Dienstleistungen oder möglicherweise auch Corona-Auffrischimpfungen: Das Leistungsspektrum der stationären Apotheken wird sich verändern.
„Natürlich höre und verstehe ich meine Kolleginnen und Kollegen, die sagen: Wann sollen wir das noch alles leisten?“, betonte er bei der Online-Kammerversammlung am 9. Juni. „Meine Antwort lautet: Sie haben vollkommen recht.“ So wie die meisten Apotheken derzeit aufgestellt sind, sei das auf längere Sicht nicht machbar. „Wir werden uns zukünftig überlegen müssen, was wir leisten wollen und was vor allem auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn wir mit betriebswirtschaftlichem Blick auf unsere Apotheken schauen, werden wir schnell unsere Schwachpunkte ausmachen: Wir verzetteln uns bei Heil- und Hilfsmitteln, bei Medizinprodukten und dem immensen Dokumentationsaufwand, der daran gekoppelt ist.“
2 Prozent des Umsatzes, 25 Prozent des Aufwands
Nach Saars Schätzungen bringen Heil- und Hilfsmittel rund 2 Prozent des Apothekenumsatzes, verursachen aber etwa 25 Prozent des Aufwands. Das steht aus der Sicht des Präsidenten in keinem Verhältnis zueinander. „Wir müssen darüber nachdenken, ob man sich nicht radikal aus dieser Sparte verabschieden sollte.“ Ein Kontrahierungszwang bestehe nur bei Arzneimitteln – und die Versorgung der Menschen mit Medikamenten sei die originäre Aufgabe der Apotheken. „Im Ergebnis sollten wir uns auf das zurückziehen, was wir können: unser pharmazeutisches Kerngeschäft – und dieses ausbauen.“ Diesbezüglich böten sowohl die geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen als auch Impfungen ein breites Betätigungsfeld.
Das Märchen von der Entbürokratisierung
„Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Auch ich wollte mit meiner Apotheke immer ‚Vollsortimenter‘ sein, wozu auch Hilfsmittel gehören“, unterstrich Saar. „Aber immer neue bürokratische Hemmnisse, ich sage nur: Präqualifizierung, Medizinproduktebetreiberverordnung, gefühlt 100 zu beachtende Hilfsmittellieferverträge, führen dazu, dass insbesondere Hilfsmittel nicht mehr wirtschaftlich beliefert werden können.“ Seit Jahren hörten die Apothekerinnen und Apotheker von der Politik das Wort „Entbürokratisierung“. „Bei allem Respekt vor der Politik, aber daran glauben wir nicht mehr!“
Was die Impfungen in den Apotheken betrifft – eine der von Saar mehrfach angeführten Entwicklungsmöglichkeiten für Apotheken – , hat man im Saarland bereits erste Erfahrungen: In der vergangenen Grippesaison durften Apothekerinnen und Apotheker erstmals Menschen gegen Influenza impfen. Für ein entsprechendes Modellprojekt konnte der Saarländische Apothekerverband die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland als Partner gewinnen. Und das Projekt ist offenbar so erfolgreich, dass im kommenden Herbst eine zweite Kasse einsteigen wird. Mit der IKK Südwest konnte die Saarländische Apothekerschaft erstmals eine Krankenkasse von einem solchen Modellversuch überzeugen, die nicht zu den AOKen zählt. |
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