Arzneimittel und Therapie

Viel ASS hilft nicht viel

Studie untermauert Nutzen der geringen Dosierung bei kardiovaskulärer Sekundärprävention

Acetylsalicylsäure ist ein fester Bestandteil der kardiovaskulären Sekundärprävention. Die bislang nicht geklärte Frage, ob eine höhere Dosis auch mit einem besseren Schutz einhergeht oder nicht, scheint nun geklärt zu sein. Den Ergebnissen einer jüngst veröffentlichten Studie zufolge macht es offenbar keinen Unterschied, ob 81 mg oder 325 mg ASS eingenommen werden.

Acetylsalicylsäure (ASS) gehört seit Jahrzehnten zur Standardtherapie in der kardiovaskulären Sekundärprophylaxe. Über die Frage, welche Dosis am besten geeignet ist, herrscht Uneinigkeit, und auch in entsprechenden Leitlinien lassen sich divergierende Angaben finden. Dies nahm eine internationale Arbeitsgruppe zum Anlass, um eine entsprechende Studie zu konzipieren und durchzuführen. Die ADAPTABLE-Studie (= Aspirin Dosing: A Patient-Centric Trial Assessing Benefits and Long-term) ist eine randomisierte, Open-label-Studie, in der die Daten von über 15.000 Patienten aus 40 Zentren einflossen. Die Studie besitzt ein pragmatisches Design; so wurde etwa ein spezieller Algorithmus verwendet, um Patienten mit atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung mithilfe elektronischer Gesundheitsdaten zu identifizieren. Im Studienverlauf wurden die Probanden regelmäßig per E-Mail oder telefonisch kontaktiert. Die kardiovaskulär vorerkrankten Studienteilnehmer wurden im Verhältnis 1 : 1 auf die tägliche Einnahme von 81 mg oder 325 mg ASS randomisiert. Ein Wechsel von einer Studiengruppe in die andere war möglich. Nach einem medianen Follow-up von 26,2 Monaten wurde der primäre zusammengesetzte Studienendpunkt ermittelt. Dieser bestand aus Todesfällen sowie Hospitalisierungen aufgrund von Myokardinfarkten oder Schlagan­fällen. Als primärer Sicherheitsendpunkt galt eine Hospitalisierung aufgrund schwerer Blutungen.

Foto: lieblingsbuerger/AdobeStock

Auch im Verkehr hilft viel nicht immer viel.

Keine Unterschiede und hohe Cross-over-Rate

Der primäre Studienendpunkt trat bei 7,28% der 81-mg-Gruppe und bei 7,51% der 325-mg-Gruppe ein. Zwischen den beiden Gruppen gab es somit keinen Unterschied (Hazard Ratio [HR] = 1,02; 95%-Konfidenzintervall [KI] = 0,91 bis 1,14). Betrachtet man die Einzelkomponenten des zusammengesetzten Studienendpunkts, so ergeben sich folgende Werte: In der 81-mg-Gruppe verstarben 3,8% und in der 325-mg-Gruppe 4,43% der Studienteilnehmer. Die Rate nicht tödlicher Herzinfarkte lag in der 81-mg-Gruppe bei 2,99% versus 2,87% in der 325-mg-Gruppe, die Rate nicht tödlicher Schlaganfälle betrug in der 81-mg-Gruppe 1,23% und in der Vergleichsgruppe 1,27%. Auch im Hinblick auf unerwünschte Blutungen wurden keine auffallenden Unterschiede festgestellt. So betrug die Rate an schweren Blutungskomplikationen, die eine Klinikeinweisung erforderten, in der 81-mg-Dosisgruppe 0,63% versus 0,60% in der 325-mg-Dosisgruppe (HR = 1,18; 95%-KI: 0,79 bis 1,77).

In der 325-mg-Gruppe wechselten 41,6% der Studienteilnehmer zu der niederen Dosis, während nur 7,1% der Probanden aus der 81-mg-Gruppe zu einer höheren Dosis wechselten. Somit hatten auch wesentlich mehr Studienteilnehmer 81 mg ASS eingenommen, als ursprünglich geplant war. Was die Adhärenz anbelangt, so brachen mehr Patienten der 325-mg-Gruppe die Therapie ab als in der 81-mg-Gruppe (11,1% vs. 7,0%).

Konsequenzen für den Praxisalltag

Ist eine kardiovaskuläre Prävention mit ASS angezeigt, sollte mit der geringen Dosis begonnen werden, da es keine klare Evidenz dafür gibt, dass eine höhere Dosis besser wirkt. Darüber hinaus ist die Adhärenz unter 81 mg größer als unter 325 mg, so das Fazit der Studienautoren. |

Literatur

Jones WS et al. Comparative Effectiveness of Aspirin Dosing in Cardiovascular Disease. N Engl J Med. 2021 May 27;384(21):1981-1990. doi: 10.1056/NEJMoa2102137

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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