Deutscher Apothekertag 2021

Anträge zur Sicherstellung der Versorgung

Ratlosigkeit beim E-Rezept-Token und Votum für COVID-19-Impfungen in Apotheken

DÜSSELDORF (tmb) | Die Apothekertagsanträge zur „Sicherstellung der Versorgung“ befassen sich insbesondere mit dem ordnungspolitischen Rahmen für die Apotheken, dem E-Rezept, der Verstetigung der pandemiebedingten Ausnahmen und dem Impfen. Interessante und teilweise kontroverse Diskussionen ergaben sich zum Umgang mit dem ausgedruckten Zugangscode für das E-Rezept und zu COVID-19-Impfungen in Apotheken. Die Delegierten stimmten mehrheitlich für solche Impfungen und wichen damit von der Position ab, die die ABDA noch wenige Stunden zuvor verbreitet hatte.

Mit dem ersten Antrag, eingebracht vom Geschäftsführenden ABDA-Vorstand, fordert die Hauptversammlung den Gesetzgeber auf, „sichere und verlässliche ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen für die inhabergeführten öffentlichen Apotheken in Deutschland zu gewährleisten“. Dabei werden zunächst das Fremd- und Mehrbesitzverbot und die Apothekenpflicht genannt. Zusätzlich nahm die Hauptversammlung die einheitlichen Abgabepreise für Rx-Arzneimittel explizit in den Text auf und verabschiedete den Antrag daraufhin einstimmig. Ebenfalls einstimmig votierten die Delegierten für einen ähnlichen Antrag der Landesapothekerkammer Hessen, der die dezentrale Struktur der Apotheken und ihre Bedeutung bei der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens noch stärker betont.

E-Rezept-Token: klare Forderungen

Zu den folgenden vier Anträgen der Apothekerkammer Nordrhein erklärte Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann, einige Nuancen zum E-Rezept seien noch nicht hinreichend geregelt, dies solle aber durch diese Anträge angestoßen werden. Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking ergänzte, es sei aus juristischer Sicht wichtig, den Begriff des Vorteils in der Regelung zum Makelverbot zu schärfen. Um diesen Begriff zu klären, habe die Apothekerkammer Nordrhein mehrere Plattformen wegen ihrer Angebote an Apotheken abgemahnt (siehe DAZ Nr. 38, S. 14). Problematisch sei auch, wenn Ärzte und Apotheken gemeinsam auf einer Plattform vertreten seien. Dann sei schwer zu erklären, weshalb Apotheken in der analogen Welt nicht in Arztpraxen werben dürfen, folgerte Mecking. Darum fordert der erste Antrag der Apothekerkammer Nordrhein, die Trennung von Arzneimittelverschreibung und -abgabe nachzuschärfen. Außerdem fordert der zweite Antrag, die rechtliche Stellung von Drittanbieter-Apps so nachzuschärfen, „dass die bestehenden Wettbewerbsvorteile für ausländische Versandapotheken zugunsten eines fairen Wettbewerbs ausgeglichen werden“. Gemäß der Antragsbegründung soll damit verhindert werden, dass Anbieter, die sowohl eine Plattform als auch eine (Versand-)Apotheke betreiben, durch einen Zugriff auf die E-Rezeptdaten vor der Rezeptbelieferung Vorteile gegenüber Wettbewerbern erhalten. Im dritten Antrag wird gefordert, dass Drittanbieter die Verordnungsdaten nicht vor der Leistungserbringung nutzen dürfen.

E-Rezept-Token: Unklarheit beim Ausdruck

Im vierten Antrag der Apothekerkammer Nordrhein wird gefordert, auch die Nutzung von Ausdrucken des E-Rezept-Tokens so zu regeln, „dass es weder zu Missbrauch noch zu Wettbewerbsnachteilen für die Vor-Ort-Apotheken kommt“. Allerdings zeigte die Diskussion dazu auch unter den Delegierten keine gemeinsame Idee, wie dies zu erreichen ist. Es erscheint unrealistisch, den Patienten das Fotografieren und Weiterleiten des Tokens zu verbieten. Doch für Hoffmann geht es darum, dass Dritte die Patienten nicht dazu auffordern. Dagegen wurde jedoch angeführt, zu strenge Regeln könnten auch die Arbeit der Vor-Ort-Apotheken einschränken, und alles sei zwar gut gemeint, aber nicht durchsetzbar. Dr. Peter Froese, Vor­sitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, argumentierte dagegen, der Zugangsweg über ein Foto des Tokens sei überflüssig und viel zu unsicher. Als einzige Alternative zum geregelten rein digitalen Weg sei die Vorlage eines Dokumentes mit dem ­Token angebracht. Wenn das Papier praktisch den Wert eines Dokumentes habe, müsse es auch so eingestuft werden. Offenbar wollte Froese darauf hinaus, den rechtlichen Charakter des Ausdrucks neu festzulegen. Doch dies wurde in der weiteren Diskussion nicht aufgenommen - vielleicht weil Froese online zugeschaltet und eine Rückfrage schwer möglich war. ABDA-Vize Mathias Arnold verwies hingegen auf das derzeitige Konzept, nach dem der Token nicht das Rezept ist, sondern nur ein Schlüssel. Allerdings konstatierte der Delegierte Dr. Walter Erich Leven: „Wer den Schlüssel hat, hat das Rezept.“ Also müsse der Schlüssel geregelt werden. Das Bewusstsein für dieses Problem bei der Politik müsse geschärft werden. Auch dieser Antrag wurde mit sehr großer Mehrheit angenommen, die drei vorherigen sogar einstimmig.

Rezeptpflicht durchsetzen

Einen weiteren ordnungspolitischen Aspekt spricht ein Antrag der Landesapothekerkammer Hessen an. Der Antrag fordert, „die automatisierte und verknüpfte Verordnung und Distribution von Arzneimitteln im digitalen Raum zu regeln“, um Missbrauch, Fehlgebrauch und Schaden für die Patienten zu verhindern. Der Delegierte Dr. Otto Quintus Russe berichtete, er habe nach dem Ankreuzen auf einem Fragebogen sogar ein Antibiotikum erwerben können. Solche Portale, die mit Versandapotheken in wiederum anderen Ländern kooperieren, seien ein krasses Beispiel für die Verknüpfung der Digitalisierung mit wirtschaftlichen Interessen.

Corona-Ausnahmen verstetigen

Außerdem wird in einem Leitantrag gefordert, aus der Pandemie Konsequenzen für die Regelversorgung abzuleiten. Demnach sollen inhabergeführte Apotheken und Krankenhausapotheken als tragende Säule des Systems gestärkt werden. Die Handlungsspielräume bei der Arzneimittelabgabe sollen dauerhaft erweitert werden, die Herstellung von Desinfektionsmitteln soll dauerhaft möglich sein, die bürokratischen Erleichterungen in der Hilfsmittelversorgung sollen beibehalten werden, und Vergütungszusagen für besondere Leistungen sollen verlässlich sein. Die ursprünglich im Antrag vorgesehene Forderung nach Mindestvorbereitungszeiten für neue Aufgaben wurde im Rahmen der Diskussion gestrichen, weil sich in der Krise gerade die schnelle Reaktion bewährt hat.

In einem weiteren Leitantrag werden die Krankenkassen aufgefordert, die Angebote von Apothekerverbänden für Modellversuche zur Grippeimpfung in Apotheken „umgehend anzunehmen“. Zur Zukunft der Grippeimpfungen folgten die Delegierten einem Änderungsantrag. Demnach sollen die Modellprojekte „zügig evaluiert“ und „in Kooperation mit den ärztlichen Kollegen in die Regelversorgung überführt werden“.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

In stillem Gedenken! Der DAT 2021 gedachte Dr. Andreas Kiefer, der bis zu seinem frühen Tod am 2. September 2020 als Präsident der Bundesapothekerkammer und der Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz mit Leidenschaft für die Belange der Apothekerschaft gekämpft hat.

Vielfältige Positionen zum Impfen in Apotheken

Für eine umfangreiche Diskussion sorgte der Antrag des Berliner Apothekervereins, dass in Apotheken „unter geeigneten Voraussetzungen“ COVID-19-Auffrischungsimpfungen durch Apothekerinnen und Apotheker vorgenommen werden sollen. Denn die Apotheken könnten ein niedrigschwelliges Angebot schaffen. Für Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbandes, ist dies jedoch ein „komplett falscher Weg“. Denn dabei bestehe großes Potenzial für Konflikte mit den Ärzten. Hier sollte erst abgewartet werden, was sich bei den Grippeimpfungen ergibt, mahnte Fink. Außerdem drohe „Arbeit ohne Ende“, die nicht hinreichend honoriert werde. Ronald Schreiber, Präsident der Landesapothekerkammer Thüringen, forderte, sich auf die zentralen Aufgaben der Apotheken in der Arzneimittelversorgung zu fokussieren, statt immer wieder neue Aufgaben anzunehmen. Außerdem sollten die nur 1300 Grippeimpfungen in Apotheken nicht „hochstilisiert“ werden, riet Schreiber. So etwas gehe nur gemeinsam mit den Ärzten, aber nicht gegen sie. Als zusätzliches Argument für die COVID-19-Impfung in Apotheken verwiesen andere Delegierte hingegen auf die Herausforderungen durch die Delta-Variante. Demgegenüber sei die Standespolitik nur „Klein-Klein“, und vor diesem Hintergrund habe sogar Weltärztepräsident Montgomery Impfungen durch Apotheker angeregt. Vom Bundesverband der Pharmaziestudierenden wurde angemerkt, der Widerstand der Ärzte werde sich langfristig erübrigen, weil die heutigen Medizinstudierenden eine andere Auffassung vertreten. Zur kurzfristigen Umsetzung erklärte Russe jedoch, die Frage könnte sich erübrigen, bevor die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden und das Apothekenpersonal geschult ist. Daher sollte eher generell über das Impfen unabhängig von COVID-19 diskutiert werden. ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold ergänzte, nach der Bundestagswahl sei ohne eine neue Regierung keine schnelle Regelung möglich. Bei der vielschichtigen Diskussion wurde deutlich, dass sich hier nicht nur Pro- und Contra-Positionen gegenüberstehen. Der Delegierte Tarek El-Kharbotly stellte die pragmatische Frage: „Wer soll es machen?“ Viele Apotheken hätten jetzt schon zu wenig Personal. Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Niedersachsen, Berend Groeneveld, prognostizierte, die Politik werde das Impfen in der Apotheke mittelfristig ohnehin vorschlagen. Einige Delegierte sahen sich in einer Zwickmühle und wollten den Antrag weder annehmen noch ablehnen. Daher wurde versucht, eine Abstimmung zu umgehen. Doch sowohl der Antrag auf Verweis in einen Ausschuss als auch der Antrag, den Antrag zur Impfung zu übergehen, wurden abgelehnt. Nach langer Diskussion wurde allerdings der Antrag auf Schluss der Debatte angenommen und dann über den Antrag abgestimmt. Der Antrag wurde mit 267 Ja-Stimmen bei 138 Gegenstimmen angenommen. Damit votierte die Hauptversammlung zumindest partiell gegen die vorherige Position der ABDA. Denn noch wenige Stunden zuvor in der Pressekonferenz zum Apothekertag hatte ABDA-Präsidentin ­Gabriele Regina Overwiening erklärt, dass die Apotheker solche Impfungen jetzt nicht fordern, weil sie keinen Streit wollen. Sie hatte allerdings auch gemutmaßt, wie es wohl gewesen wäre, wenn man die Apotheker früh zum Impfen aufgefordert hätte. Dann hatte sie aber ergänzt, so etwas sollte erst diskutiert werden, wenn die Krise überstanden sei. Am Tag nach der Entscheidung der Hauptversammlung wurde auch Bundesgesundheitsminister Spahn auf das Thema angesprochen. Er erklärte dazu, sein Gefühl ­sage ihm, es sei nicht die richtige Zeit, diesen Streit jetzt zu führen.

Notstand statt Sonderregeln

Der Antrag, die Arzneimittelhersteller zu verpflichten, bei allen Packungsgrößen flüssiger Zubereitungen zum Einnehmen die gleiche Dosiereinrichtung zu verwenden, wurde abgelehnt. In der Diskussion wurde argumentiert, dass die damit angesprochenen Probleme durch die Anwendung pharmazeutischer Bedenken bei der Rezeptbelieferung zu lösen seien. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Arzneimittellager weiter aufgebläht werden oder dass die Hersteller Zulassungen aufgeben.

Der Antrag, gesetzliche Sonderregeln für den Betrieb von Apotheken in Katastrophensituationen zu entwickeln, wurde von den Antragstellern zurückgezogen. Er hatte sich aus den jüngsten Fluterfahrungen ergeben. Dabei hätten Apotheken improvisieren und „im gesetzlichen Niemandsland“ arbeiten müssen. Christian Bauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands, entgegnete jedoch, in Notfällen seien bisher immer kreative Lösungen gefunden worden. Doch eine gesetzliche Regelung, die ausdrücklich für solche Fälle gelte, enge den Ermessensspielraum für Einzelfallentscheidungen ein. Dann könne gerade nicht mehr auf die Besonderheit der jeweiligen Situation reagiert werden. Auch ABDA-Justitiar Lutz Tisch empfahl, sich nicht durch eine solche Regel zu binden. Es gebe hier auch keinen rechtsfreien Raum, denn „Notstand geht immer“. In der Diskussion stellte sich heraus, dass der Antrag aus der besonderen Situation in Nordrhein-Westfalen entstanden war. Denn die dortigen Amtsapotheker sind in Notfällen stärker an die Vorschriften gebunden als die ehrenamtlichen Pharmazieräte. |

 

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