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Höherer Mindestlohn betrifft mehr Branchen als vermutet

Neue Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung

Von zwölf Euro pro Stunde als Mindestlohn würden Millionen Menschen bundesweit profitieren – teilweise auch Apothekenangestellte.

SPD und Grüne wollen den gesetz­lichen Mindestlohn auf zwölf Euro ­steigern; die Linke bringt sogar 13 Euro ins Gespräch. Wer das Thema als reinen Nebenaspekt betrachtet, täuscht sich gewaltig. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass etwa zehn Millionen Menschen pro Stunde weniger als zwölf Euro erhalten. Sie alle würden von einer Anhebung profitieren.

Foto: PhotoSG/AdobeStock

Breite Wirkung auf diverse Branchen

Um Details herauszufinden, haben Forschende am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung 196.713 Datensätze von Beschäftigten ausgewertet, die seit Anfang 2019 an einer Online-Erhebung teilgenommen hatten. Zwar sei die Studie nicht repräsentativ, wie das WSI schreibt. Dennoch erlaube sie aufgrund hoher Fallzahlen detaillierte Einblicke in die Zusammenhänge zwischen sozio-demografischen Variablen und der Entgelthöhe.

Die Ergebnisse überraschen: Nicht nur in bekannten Branchen wie dem Friseurhandwerk, der Gebäudereinigung, der Gastronomie oder dem Einzelhandel werden häufig Stunden­löhne unter zwölf Euro gezahlt. Die Analyse nennt auch Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte, Rechtsanwaltsfachangestellte, Zahntechniker oder Augenoptiker, aber auch Kfz-Mechatroniker.

Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Und im Osten Deutschlands werden öfter niedrigere Löhne bezahlt als im Westen. Nimmt man Baden-Württemberg als Flächenland mit dem „kleinsten Niedriglohnsektor“ als Referenz, so ist für Sachsen, Thüringen sowie Schlusslicht Sachsen-Anhalt das Risiko für Löhne unter zwölf Euro um mehr als das Fünffache erhöht.

Weitere Risikofaktoren sind Tätigkeiten in Teilzeit, befristete Arbeitsverträge, kleine Betriebe und eine fehlende Tarifbindung.

Ein Blick auf öffentliche Apotheken

„Sollten Mindestlöhne tatsächlich vom Gesetzgeber auf zwölf Euro angehoben werden, hat das auch Folgen für öffentliche Apotheken“, sagt Tanja Kratt, Vorstand und Leiterin der Tarifkommission bei ADEXA. Zwar liege das Einstiegsgehalt von Approbierten deutlich (20,71 Euro pro Stunde) und von PTA knapp (12,42 Euro pro Stunde) über dem diskutierten Wert. „Bei PKA-Berufsanfängerinnen sind es derzeit jedoch nur 10,80 Euro pro Stunde.“

In Zeiten eines immer stärker werdenden Fachkräftemangels – die ABDA warnte erst kürzlich vor 10.000 fehlenden Approbierten bis 2029 – besteht deshalb dringender Handlungsbedarf.

Die ADEXA-Tarifkommission hat bereits entsprechende Forderungen an die Arbeitgebervertretungen gestellt. |

Quelle

Lübker M. Wer profitiert von 12 Euro Mindestlohn? Einblicke aus der WSI‑Lohnspiegel-Datenbank, WSI Policy Brief Nr. 59, September 2021, www.boeckler.de/fpdf/HBS-008111/p_wsi_pb_59_2021.pdf

Krebs T, Drechsel-Grau M. Mindestlohn von 12 Euro: Auswirkungen auf Beschäftigung, Wachstum und öffentliche Finanzen. Study Nr. 73, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, September 2021, www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008099

Michael van den Heuvel

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