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Deutscher Apothekertag 2021
Unverzichtbar und gut sichtbar!
Der Deutsche Apothekertag 2021 in Zeiten von Corona
Der 56. Deutsche Apothekertag hätte eigentlich in München und am 7. Oktober 2020 stattfinden sollen. Doch Corona-bedingt wurde die Zusammenkunft des „Apotheker-Parlaments“ im vergangenen Jahr bekanntlich ersatzlos gestrichen. Somit konnte der ehemalige ABDA-Präsident Friedemann Schmidt seine Amtszeit nicht auf großer Bühne abschließen. „Keine Verabschiedung vom DAT, kein Resümee, keine Abschlussbilanz vor der Hauptversammlung, keine große Bühne nach 16 Jahren in den wichtigsten Spitzenpositionen unserer Standesvertretung, unserer ABDA. Stattdessen haben Sie noch einmal zehn Monate lang (…) mit uns gemeinsam die Corona-Pandemie bewältigt“, stellte Gabriele Regina Overwiening in ihrer diesjährigen Eröffnungsrede fest. Seit vergangenem Dezember ist sie ABDA-Präsidentin und somit Nachfolgerin Schmidts, der neben seinem standespolitischen Engagement auf Bundesebene auch Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer war und ist. Die Delegierten des DAT ehrten ihn am heutigen Mittwoch in Düsseldorf mit Standing Ovations. „Friedemann Schmidt war ein hervorragender ABDA-Präsident. Aber er war nicht perfekt, und ich?“ fragte Overwiening selbstreflektierend.
Das große Ganze im Visier
Der DAT 2021 fand in hybrider Form statt, doch der weitaus größte Teil der 324 Delegierten aus den Kammern und Verbänden war in die NRW-Landeshauptstadt gereist, um standespolitische Richtungsentscheidungen bei der Antragsberatung zu fällen. Nachdem es beim letzten Apothekertag 2019 noch zu turbulenten und ausschweifenden Diskussionen hinsichtlich der Formulierungen von Anträgen gekommen war, bat die ABDA-Präsidentin in diesem Jahr mit Nachdruck: „Verlieren wir uns nicht zu sehr, wie es uns Apothekerinnen und Apothekern ja gerne mal nachgesagt wird, im Klein-Klein einzelner Formulierungen (mit verschärfter Fokussierung auf Unwesentliches), sondern nehmen wir immer wieder das große Ganze ins Visier; selbst wenn oft genug der Teufel im Detail liegen mag.“
Mit dem „großen Ganzen im Visier“ beschritt Overwiening auch ihre fast anderthalbstündige Eröffnungsrede, in der sie einen großen Schwerpunkt auf die Pandemiebewältigung in den Apotheken setzte und zugleich auch ihren Blick in die politische sowie digitale Zukunft richtete. All ihre Ausführungen brachte sie immer wieder in Zusammenhang mit den standespolitischen Institutionen der Apothekerschaft. Zur Erinnerung: In der Amtszeit Friedemann Schmidts wurde eine Strukturanalyse beziehungsweise eine Organisationsuntersuchung der ABDA angestoßen, deren Ergebnisse allerdings noch nicht konkret öffentlich kommuniziert wurden. „Einige davon sind schmerzhaft, andere erwartet, wieder andere überraschend“, fasste sie zum Ende ihrer Rede zusammen.
Drei Kernpositionen
Einen Schwerpunkt ihrer Rede widmete Overwiening drei Kernpositionen, die von der ABDA im Hinblick auf die Bundestagswahl erarbeitet wurden.
- Die erste Kernposition lautet Forderung nach Stabilität, nach verlässlichen Rahmenbedingungen für die Apotheken.
- Die zweite Kernposition richtet sich gegen eine Trivialisierung der Arzneimittel. Die Apotheker wirkten dieser aus eigener Kraft entgegen. „Wir fordern aber auch vom Gesetzgeber, der Trivialisierung von Arzneimitteln vor allem durch Plattformökonomien, durch Preisdumping entschieden die Stirn zu bieten“, betonte Overwiening. Insbesondere dürfte nicht die Verschreibungspflicht umgangen werden, indem Arzneimittel bei legalen Versendern nach Ausfüllen eines Fragebogens wie Smarties bestellt werden könnten.
- Die dritte Kernposition fasste Overwiening folgendermaßen zusammen: „Wir stiften unverzichtbaren Nutzen für die Gesellschaft.“ Dies müsse bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden.
Eingang finden werden diese drei Kernpositionen in eine Neufassung des Perspektivpapiers 2030, die bis zum Jahresende stehen soll.
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„In der Pandemie gezeigt, was in uns steckt!“
Doch der Reihe nach: Die Corona-Pandemie sei für die Apothekerinnen und Apotheker eine Zeit gewesen, in der „geackert und geschuftet“ wurde. „Wir waren aber in dieser Zeit nicht nur unverzichtbar, sondern zugleich auch stets sehr gut sichtbar“, so Overwiening. Eine pandemiebedingte Herausforderung nach der anderen habe man in der Offizin weggearbeitet: Desinfektionsmittel, Maskenverteilung, Impfstofflogistik. Daneben thematisierte sie den Patientenansturm im Frühjahr 2020, die Lieferengpässe – auch aufgrund von Kontingentierungen – sowie die Aufklärung, Beratung und Beruhigung von Menschen mit Ängsten und Sorgen während der Krise. „Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, waren und sind es immer noch: die Corona-Jongleure.“ Jonglieren sei dabei das Synonym für eine höchst anspruchsvolle und anstrengende Tätigkeit. „Während anderswo noch diskutiert und lamentiert wurde, haben wir bereits umgesetzt und geliefert“, betonte Overwiening.
Dass die Apothekerinnen und Apotheker das Rückgrat des Gesundheitssystems sind, hätten Politik und Öffentlichkeit deutlich wahrgenommen, und genau dies hätte dem Berufsstand eine neue Form des Respekts eingetragen. Flexibel, agil und krisenfest – so nimmt die ABDA-Präsidentin das Apothekensystem wahr. „Warum sind wir das nicht immer oder zumindest öfter? Brauchte es diese Pandemie, um das an Qualitäten zutage zu fördern, was in uns steckt?“, stellte Overwiening zur Frage, um dann zu ergänzen: „Was an Potenzial auch in unserer ABDA steckt?“
Keine Führungsfigur mit Unfehlbarkeit
Das Potenzial der ABDA – die oberste Standespolitikerin der Apothekerschaft wies in ihren Ausführungen immer wieder auf diese Frage hin. In der Amtszeit ihres Vorgängers Schmidt wurde die ABDA vor allem im Zusammenhang mit dem EuGH-Urteil 2016 und den politischen Folgen heftig kritisiert und immer wieder infrage gestellt. „Auch ich erlebe als Präsidentin der ABDA diese große Gereiztheit“, erklärte sie. Häufige Forderungen an sie seien beispielsweise „Sie müssen jetzt endlich mal auf den Tisch hauen!“ oder „Da müssen jetzt mal Profis ran“. Overwiening stellte in dem Zusammenhang klar, dass es – zumindest im Diesseits – keine Führungsfigur mit Unfehlbarkeit und Allmächtigkeit gebe. Vielmehr lade sie alle ein, „unserer Standesvertretung unter meiner Führung zu vertrauen. Diese lasse Dinge weniger komplex werden und Handlungsräume schaffen.
Auf dem Weg, „die ABDA noch besser, noch stärker zu machen“, habe man die Befunde der Organisationsuntersuchung „intensiv, transparent und konstruktiv“ in allen Gremien diskutiert. Dabei habe es eine maximale Übereinstimmung bei der Bewertung gegeben. Einigkeit bei der Diagnose (die der Berufsöffentlichkeit immer noch vorenthalten wird!) sei die Grundvoraussetzung für den nächsten Schritt – und zwar der Therapie. Auch hier ließ die ABDA-Präsidentin keine konkreten Details raus. Nur so viel: Man brauche eine stärkere externe Kommunikation und eine stärkere politische Kommunikation. Dazu wird die ABDA-Stabstelle Kommunikation mit einem weiteren Mitarbeiter, einer weiteren Mitarbeiterin aufgestockt. „Das kann und darf aus meiner Sicht aber nur der Anfang sein“, kündigte sie zugleich an.
Problemlöser für Patienten und Transformator für Digitales
Während sich das gesamte Gesundheitssystem derzeit deutlich auf dem Weg in die digitale Zukunft befindet, konstatiert Overwiening die Situation bei den Apotheken folgendermaßen: „Als Politik und Gesellschaft händeringend nach einer Möglichkeit suchten, massenhaft und schnell digitale Impfzertifikate auszustellen, waren die Apothekerverbände zur Stelle und haben als erste und einzige binnen Tagen eine entsprechende Portallösung zur Verfügung gestellt.“ Das habe die Außenwahrnehmung in sehr kurzer Zeit sehr stark verändert. „In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit wurden wir vom Verhinderer zu dem, was wir auch seit vielen Jahren längst sind: ein für unsere Patientinnen und Patienten persönlicher Problemlöser, in diesem Fall ein Transformator für digitale Gesundheitsanwendungen in der Fläche.“
Genauso, wie man bei den Impfzertifikaten digitale Souveränität an den Tag gelegt hätte, will Overwiening auch, dass die Apothekerschaft bei den meisten anderen Themen souverän agiert. „Ich will, dass wir herausstellen, was wir als Vollversorger vor Ort können, und auf unsere eigene Leistungsfähigkeit vertrauen statt zu thematisieren, was andere, die aus einer Lagerhalle jenseits der Landesgrenze agieren, nicht können.“ Dieser Mehrwert müsse im Zentrum zukünftiger politischer Entscheidungen stehen. Dazu gehöre eine schlagkräftige, sichtbare und leidenschaftliche Öffentlichkeitsarbeit: „Weggucken und Verstecken sind nicht unser Weg!“
Geschlossen auftreten
Zum Schluss ihrer Rede resümierte die ABDA-Präsidentin: „Im Rückspiegel betrachtet (…) kann man die Pandemieerfahrung für uns als Apothekerschaft in einem gewissen Sinne als positive Zäsur sehen.“ Für die nahe Zukunft erwarte sie von der Kollegenschaft, dass man klare Haltungen und Grundsätze erarbeite, die dann in die gesellschaftliche und politische Debatte eingebracht werden – und zwar „aktiv und selbstbewusst“. In der Vergangenheit beim Thema „Pille danach“ habe der Berufsstand bewiesen, dass über Positionen leidenschaftlich gestritten und gerungen wurde, aber am Ende eine klare Haltung gestanden habe. Diese Situation entstehe aktuell beim Thema „Impfen in der Apotheke“: „Auch hier werbe ich für Geschlossenheit in der Haltung, selbst wenn nicht jede Apotheke das Impfen gegen Grippe und COVID-19 oder möglicherweise noch gegen andere Erreger vornehmen wird.“ Dass man bei diesem Thema in Opposition zur Ärzteschaft gerate, sei „ein ärztliches Politikum, das sich nicht mit den Erfahrungen aus anderen Ländern, in denen Apothekerinnen und Apotheker bereits impfen, rechtfertigen lässt“.
„Bewahren wir uns aus den letzten Wochen und Monaten den aufrechten Gang und das gewachsene Selbstbewusstsein als freie Heilberuflerinnen und Heilberufler“, schloss ABDA-Präsidentin Overwiening ihre Eröffnungsrede ab und fügte hinzu: „Richten wir all unsere Aufmerksamkeit auf ein geschlossenes heilberufliches Miteinander in einer entschlossenen, einer aktiven und agilen ABDA. Dann werden wir erfolgreich sein und unverzichtbar bleiben.“ |
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