Foto: DAZ/Alex Schelbert

Deutscher Apothekertag 2021

Zwei Jahre wie nie zuvor

Bericht des Hauptgeschäftsführers

DÜSSELDORF (tmb) | Dr. Sebastian Schmitz blickte in seinem Bericht diesmal auf die vorigen zwei Jahre Arbeit der ABDA zurück. Insbesondere beschrieb er die Umsetzung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG), kritisierte die inkonsequente Haltung des Staates bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens und prognostizierte, dass die Erfahrungen aus der Pandemie noch lange vorteilhaft für die Apotheken wirken werden. In der anschließenden Aussprache gab DAV-Vize Dr. Hans-Peter Hubmann einen Hinweis, woran die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband über die pharmazeutischen Dienstleistungen gescheitert sind.

Der erste Gedanke in der Rede des Hauptgeschäftsführers galt der Tatsache, dass nun erstmals eine Frau an der Spitze der ABDA steht. Dabei bemühte Schmitz einen Vergleich mit der ersten Rede einer weiblichen Abgeordneten vor einem deutschen Parlament und ergänzte, dass dies heute nicht mehr als so außergewöhnlich empfunden werde. Doch gerade mit diesem Vergleich drängte sich - gewollt oder nicht - der Gedanke auf, dass dies für die ABDA doch bemerkenswert ist.

Umsetzung des VOASG

Den politischen Rückblick auf die vorangegangenen zwei Jahre begann Schmitz mit dem inzwischen in Kraft getretenen VOASG. „Noch ganz frisch“ seien die flankierenden Maßnahmen zur Absicherung der Gleichpreisigkeit. Im August seien neue Regelungen zu Vertragsstrafen und zur Einrichtung einer paritätisch besetzten Stelle zur Ahndung von Verstößen gegen die Preisbindung getroffen worden. Diese würden am 1. Oktober in Kraft treten. Zu den gescheiterten Verhandlungen über pharmazeutische Dienstleistungen äußerte Schmitz seinen Unmut darüber, dass die Krankenkassen auf ihre angespannte Finanzlage hingewiesen hätten. „Der Gesetzgeber hat die Krankenkassen nicht mit Ausgaben bedroht, sondern er gibt ihnen die Möglichkeit, die Versorgung ihrer Versicherten zu verbessern“, erklärte Schmitz und ergänzte: „Jede der Leistungen, die wir angeboten haben, hilft den betroffenen Versicherten.“ Außerdem verwies Schmitz darauf, dass das Honorar auf 150 Millionen Euro beschränkt sei und dies die Stabilität der GKV-Finanzen nicht beeinträchtige. Allerdings machte Schmitz weiterhin keine Andeutung, welche Leistungen die Apotheker angeboten und welche die Krankenkassen gefordert haben. Mit Blick auf weitere Dienstleistungen betonte Schmitz den niederschwelligen Zugang, die Nähe zum Patienten und die bestehenden Vertrauensbeziehungen als Alleinstellungsmerkmale der Apotheken. Dies habe die Politik nicht nur für Grippeimpfungen, sondern auch in der Pandemie erkannt und genutzt.

Nachwuchsgewinnung unverzichtbar

Als Problem für künftige Dienstleistungen sprach Schmitz den künftigen Personalbedarf an und untermauerte dies mit eindrucksvollen Daten. Von 2019 bis 2029 bestehe ein altersbedingter Ersatzbedarf und ein Bedarf an zusätzlichen Apothekern von bis zu 28.400 Vollzeitäquivalenten, aber in dieser Zeit seien nur 20.000 bis 23.000 neue Approbationen zu erwarten. Damit unterstrich Schmitz, wie wichtig Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung sind – und zielte auf den Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands, ein Konzept zur Nachwuchsgewinnung und -förderung zu entwickeln, der am nächsten Tag einstimmig von der Hauptversammlung angenommen wurde.

Digitalisierung zwischen Staat und freiem Markt

Hinsichtlich der Digitalisierung betonte Schmitz, wie konsequent das Bundesgesundheitsministerium die Kompetenzen an sich zieht. Da erstaune es umso mehr, „dass in einzelnen Bereichen ganz gegen diesen Trend auf den freien Markt gesetzt wird“. Der wichtige Transport des E-Rezepts erhalte die Fürsorge des Staates nur eingeschränkt. Nach derzeitigen Plänen solle sie nur bis zur App der Gematik reichen, erklärte Schmitz. Darum müsse der geordnete Einsatz des E-Rezepts anders gesichert werden, insbesondere durch das Makelverbot. Denn das Geld für die Arzneimittelversorgung dürfe nur „für die reine Versorgungsleistung“ und nicht als Maklerprovision für außenstehende Dritte genutzt werden. Diesen Argumenten sei der Gesetzgeber erfreulicherweise gefolgt. Als weitere Maßnahme müsse nun eine Infrastruktur geschaffen werden, die den leichten Zugang der Patienten zur Apotheke vor Ort auch mit dem E-Rezept aufrechterhält, folgerte Schmitz.

„Normale“ Arbeit und europäische Herausforderungen

In einem kurzen Überblick berichtete Schmitz über die „ganz normale“ Arbeit der ABDA. Er erwähnte die Flut von Gesetzen und Verordnungen, zu denen die ABDA Stellung genommen habe, die vielfältige externe und interne Kommunikation, die „unermüdliche Arbeit“ der Arzneimittelkommission mit 8707 Spontanmeldungen aus Apotheken im Jahr 2020, die Arbeit am Bundesmedikationsplan, die Auswertungen zum weiterhin laufenden Modellvorhaben ­ARMIN und die Diskussion zur Novellierung der Approbationsordnung. Zu Letzterer habe es in der vorherigen Woche eine „sehr konstruktive Sitzung“ gegeben. Zur Europapolitik betonte Schmitz, dass ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold in diesem Jahr zum Vizepräsidenten der europäischen Apothekerorganisation ZAEU gewählt worden sei. In diesem Themenfeld gehe es beispielsweise um das europäische Gesundheitsprogramm „EU4Health“ und Verordnungsvorhaben wie den „digital services act“, mit dem der Rahmen für digitale Handelsplattformen im Gesundheitsbereich gesetzt werden solle. Die ABDA setze sich dort insbesondere dafür ein, den Handlungsspielraum des nationalen Gesetzgebers möglichst weitgehend aufrechtzuerhalten beziehungsweise wiederherzustellen.

Rätsel um Strukturanalyse

Beim Blick auf das „Innenleben“ der ABDA berichtete Schmitz über die laufende Strukturanalyse zur ABDA. Die Komplexität der ABDA diene dem Ziel, gegenüber der Politik mit einer einzigen Stimme zu sprechen. Dafür sei ein strukturierter Meinungsbildungsprozess nötig, aber Schmitz räumte ein: „Je komplexer die Struktur, desto größer ist auch die Gefahr, dass Arbeitsprozesse an Effizienz verlieren.“ Darum habe die Mitgliederversammlung im Sommer 2020 eine Strukturanalyse auf den Weg gebracht, die von der Beratergruppe Verbandsmanagement in Köln durchgeführt werde. Aus der bisherigen Arbeit habe sich ein Befund zur Ist-Analyse ergeben. Die Berater würden nun ihre Empfehlungen ausarbeiten. Sobald diese vorlägen, würden sie intern zur Diskussion gestellt und auch die Mitgliedsorganisationen könnten sich an dieser Diskussion beteiligen. Kurz zuvor hatte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in ihrem Lagebericht bereits erklärt, die Analyse habe Befunde zutage gefördert, von denen einige schmerzhaft, andere erwartet und wieder andere überraschend seien. Doch weder Overwiening noch Schmitz äußerten sich dazu, welche Befunde dies sind. Die Spannung auf die Ergebnisse dürften sie mit ihren Äußerungen wohl erhöht haben.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Lehren aus der Pandemie

Doch Schmitz wechselte an dieser Stelle seiner Rede abrupt das Thema und ging auf die Pandemie ein. Mit Blick auf das Gesundheitssystem erinnerte er an die frühere Kritik an der atomistischen Struktur der Apotheken, die als „Hindernis für den Fortschritt verstanden und bekämpft“ worden sei. Doch nun habe gerade dieses kleinteilige Versorgungssystem in Kombination mit der fachlichen Kompetenz der Heilberufler seine Stärken bewiesen. Schmitz konstatierte, diese neue Wahrnehmung werde bestehen bleiben und bei künftigen politischen Debatten helfen. Ein weiterer Lern­effekt der Krise sei, dass fachliche Belange stärkeres Gehör fänden. In der Pandemie hätten die Apotheken ihr gutes Image und das Vertrauen in die Apotheken noch weiter ausgebaut. Bemerkenswert sei auch gewesen, aus welchen Lebensbereichen die Apotheken Ethanol für Desinfektionsmittel bezogen hätten: aus der Milchwirtschaft, von Brauereien und Brennereien, aus der Energiewirtschaft und aus Zuckerrübenfabriken. „Ein zentrales Beschaffungssystem hätte dabei vollständig versagt“, erklärte Schmitz und folgerte: „Die Pandemie hat die Wahrnehmung der öffentlichen Apotheke und ihrer Teams als ‚unverzichtbar‘ nochmals verstärkt.“ Als weitere Konsequenz aus der Pandemie äußerte Schmitz die Hoffnung, dass sich Parlament und Regierung künftig an ihre Reaktionsfähigkeit erinnern, wenn ein Problem erkannt wurde, die Lösung auf der Hand liegt und es keine widerstreitenden Interessen gibt. Außerdem sei aus der Pandemie zu lernen, dass die maximale Fokussierung auf bestimmte Aufgaben erfolgreich gewesen sei. Dies gelte auch für die Verbandsarbeit.

Aussprache: Erkenntnis zu Dienstleistungen

Die Eröffnung der Diskussion zum Geschäftsbericht ist einer der spannendsten Momente jedes Apothekertages, weil dies die einzige Gelegenheit für die Delegierten ist, praktisch jedes Thema zur Sprache zu bringen. Doch trotz des Rückblicks auf sogar zwei Jahre blieb eine Debatte an dieser Stelle aus. Stattdessen gab es eine Totenehrung, einen Ad-hoc-Antrag mit echtem Erkenntniswert und einen kritischen Gedanken zur Kommunikation. Die Hauptversammlung ­gedachte des verstorbenen ehemaligen BAK-Präsidenten Dr. Andreas Kiefer – und dies ist selbstverständlich kein ­Moment, der zu Debatten anregt.

Anschließend brachten die bayerischen Mitgliedsorganisationen einen Ad-hoc-Antrag zu den pharmazeutischen Dienstleistungen ein, der mit sehr großer Mehrheit angenommen wurde. In dem Antrag wird der GKV-Spitzenverband aufgefordert, „das Schiedsstellenverfahren jetzt zügig, konstruktiv und im Sinne der Versicherten zu begleiten“. Pharmazeutische Dienstleistungen zu „aktuellen Herausforderungen der Arzneimittelversorgung“ und zur Prävention sollten schnellstmöglich „erlebbar gemacht werden“. Dazu gab der Vorsitzende des Bayerischen Landesapothekerverbandes und stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Dr. Hans-Peter Hubmann, endlich einen deutlichen Hinweis, woran die Verhandlungen mit den Krankenkassen gescheitert sind. Der von der ABDA vorgeschlagene Katalog der Dienstleistungen sei nicht akzeptiert worden. Die ABDA habe „auf andere Dienstleistungen fokussiert“. Hubmann beschrieb den Katalog der ABDA als „ausgewogene Mischung“, aber auch er ließ offen, um welche Leistungen es ging. Doch immerhin wird damit deutlich: Das Problem liegt in der Auswahl der Dienstleistungen und nicht in irgendwelchen Begleitaspekten zur Organisation, Dokumentation, Honorierung oder Qualitätssicherung. – Danach folgte eine Anregung eines Delegierten zum „Wording“ der ABDA in der Pandemie: Wenn die ABDA deutlich auf die Leistungen der Apotheken in der Pandemie hingewiesen hätte, wäre damit jede Diskussion über den Maskenpreis im Keim erstickt worden. Damit war der Tagesordnungspunkt beendet, der üblicherweise der „Aussprache“ dient. |

 

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