Kongresse

Pharmazeutische Spezialversorger bündeln Kräfte

BVVA-Jahrestagung und Mitgliederversammlung in Mainz

MAINZ (ks) | Der Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA) will künftig weitere Spezialversorger unter seinem Dach vereinen. Schon bald sollen unter bestimmten Voraussetzungen auch Fachverbände BVVA-Mitglied werden können – für eine entsprechende Satzungsänderung machte am 5. Oktober die Mitgliederversammlung den Weg frei.

Normalerweise findet die BVVA-Jahrestagung jedes Jahr im Mai statt – zwei Mal fiel sie nun schon der Corona-Pandemie zum Opfer. Doch vergangene Woche, am 5. und 6. Oktober, ­kamen rund 150 Mitglieder sowie sonstige an der Spezialversorgung interessierte Apothekerinnen und Apotheker sowie Gäste wieder leibhaftig in Mainz zusammen.

Rüddel: E-Rezept als Segen für die Versorgung in der Fläche

Zu Beginn der Veranstaltung gab Erwin Rüddel, Vorsitzender des Bundestagsgesundheitsausschusses der letzten Legislaturperiode, einen politischen Impuls. Aus Sicht des erneut in den Bundestag gewählten CDU-Politikers wird die Delegation von Aufgaben ein wichtiges Thema in den kommenden vier Jahren sein, das auch Apotheken betreffen wird. Als Stichwort nannte er etwa die Grippeimpfungen, die jetzt schon in Modellprojekten in Apotheken durchgeführt werden. Aber Rüddel sieht offenbar noch mehr Potenzial und ist überzeugt, dass eine Aufgabenteilung die Versorgung sogar verbessern könne – ebenso wie die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung. Auch das E-Rezept kann sich aus seiner Sicht als „Segen“ für die Flächenversorgung erweisen. So könne etwa ein Hausarzt auf dem Land, dessen medizinische Fachangestellte zur „Verah“ (Versorgungsassistent/in in der Hausarztpraxis) weitergebildet sind und Hausbesuche machen, auf telemedizinischem Wege E-Rezepte für diese Patienten ausstellen. Diese könnten dann wiederum Apotheken via Botendienst beliefern. Weitere große Baustellen der neuen Legislaturperiode sind aus Rüddels Sicht eine Krankenhausreform, Fragen der Finanzierung des Gesundheitssystems und die weitere Überwindung der Sektorengrenzen. Was die derzeitige Regierungsbildung im Bund angeht, so betonte Rüddel: Jedenfalls mit „Jamaika“ sei die Einführung einer Bürgerversicherung nicht zu befürchten.

Foto: BVVA

Dr. Klaus Peterseim

Sodann gab der BVVA-Vorsitzende Dr. Klaus Peterseim einen Überblick über die politischen Aktivitäten der vergangenen zweieinhalb Jahre und die Schwerpunkte der Verbandsarbeit. Immer wieder mischte sich der BVVA bei Gesetzesvorhaben ein – und sorgte auch für Änderungen. Ein Dauerthema des Verbands ist, sich für Rechts­sicherheit bei sektorenübergreifenden Kooperationen einzusetzen. Bislang sieht das Apothekengesetz Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot von Absprachen und Verträgen (§ 11 ApoG) in der Klinik- und Heimversorgung vor. Doch auch in der ambulanten Pflege, der Palliativ- und Substitutionsversorgung wünscht sich der BVVA eine klare Regelung für die erlaubte Zusammenarbeit. Bei zahlreichen Gesetzesvorhaben brachte er dazu konkrete Vorschläge ein. Bislang blieben diese unerhört – doch aufgeben will der Verband nicht. Mit Blick auf das E-Rezept wurden die Verbote in § 11 ApoG sogar noch verschärft – das ist auch aus BVVA-Sicht richtig. Allerdings ergeben sich beim E-Rezept die gleichen Fragestellungen. Wie geht man damit um, wenn der reguläre Weg des E-Rezepts vom Arzt über den Patienten in die Apotheke nicht möglich ist? Auch in den besonderen Versorgungsformen müsse sichergestellt sein, dass die Rezepte schnell in die Apotheke kommen – ABDA und Gematik, so Peterseim, seien für diese Problematik nicht sensibilisiert gewesen. Beim digitalen Medikationsplan forderte Peterseim, dass die spezialversorgende Apotheke grundsätzlich, solange der Patient dies nicht ausdrücklich ausschließt, Zugriff darauf erhält, weil sonst keine Aktualisierung und kein Medikationsmanagement im Sinne der Versicherten möglich sei. Wie schon 2019 bekräftigte der Vorsitzende, dass die Digitalisierung und ihre Folgen eines der wichtigsten Themen bleibe. Wichtig sei, dass die Apotheken hier selbst aktiv werden und beispielsweise die Telepharmazie nicht in Hände anderer falle.

Vorstand bestätigt

Die Mitgliederversammlung bestätigte zudem den amtierenden Vorstand indem sie ihn einstimmig wiederwählte. An der Spitze bleibt Dr. Klaus Peterseim (Dom-Apotheke in Essen). Ihm zur Seite stehen als stellvertretende Vorsitzende weiterhin Karl-Heinrich Reimert (Marien-Apotheke in Göttingen) und Achim Gondermann (Neue Amtsapotheke in Bad Camberg). Michael Marxen (Kronen-Apotheke in Wesseling) wurde als Schatzmeister, Christian Suter (Falken-Apotheke in Gründau) als Schriftführer wiedergewählt.

Drei Verbände unter einem Dach

Ein weiterer wichtiger Punkt der Jahrestagung und Mitgliederversammlung betraf die geplante Erweiterung des BVVA. Vor über 30 Jahren war der Verband als Interessenvertretung für die klinikversorgenden Apotheken angetreten; im Laufe der Zeit kamen zunächst die heimversorgenden Apotheken hinzu. Seit 2018 gehören zum BVVA auch Apotheken, die sich um Palliativ- und Substitutionspatienten kümmern – stets regional und in enger Abstimmung mit den Ärzten und Ärztinnen sowie weiteren an der Versorgung Beteiligten. Nun sollen also auch in der Hämophilie und Cannabis-Versorgung engagierte Apotheken ihren Platz im BVVA finden, ebenso jene, die sich besonders intensiv um die Versorgung HIV- und Hepatitis-Infizierter kümmern. Bereits seit November 2020 führte der BVVA Gespräche mit Vertretern des Verbands der Hämophilie-Apotheken (VHA), des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) und der Deutschen Arbeitsgemeinschaft der HIV- und Hepatitiskompetenten Apotheken (DAHKA) mit dem Ziel, einen BVVA-Dachverband zu gründen, in dem die besonderen Versorgungsbereiche der öffentlichen Apotheken und damit auch ihre Kräfte gebündelt werden können.

Claudia Neuhaus (Witzleben-Apotheke Berlin), Magdalene Linz (Leibniz-Apotheke Hannover), Christiane Neubaur und Erik Tenberken (Birken-Apotheke Köln) stellten die drei Verbände, in denen sie teilweise überschneidend aktiv sind vor und erläuterten ihre Beweggründe, sich dem BVVA anzuschließen. Dahinter steht vor allem die Feststellung, dass sich ABDA, Deutscher Apothekerverband und Bundesapothekerkammer nicht um die Interessen der Spezialversorger kümmern. Die frühere niedersächsische Kammerpräsidentin und BAK-Präsidentin Linz, die in ihrer Apotheke schwerpunktmäßig HIV-Patienten betreut, brachte es auf den Punkt: So sehr sie sich auch bemüht habe, dass die ABDA die Spezialisierung von Apotheken akzeptiere – das Credo der Bundesvereinigung bleibe, dass jede Apotheke alles könne. Dabei, so Magdalene Linz, wüssten alle, die in der Spezialversorgung tätig sind, dass dies nicht so sei.

Damit die gewünschte neue Zusammenarbeit auf vereinsrechtlich sicheren Beinen steht, muss nun noch die BVVA-Satzung geändert werden. Den kleineren Verbänden soll die Möglichkeit gegeben werden als korporative Mitglieder (Fachverbände) unter das Dach des BVVA zu kommen – bislang sind die speziellen Versorgungsbereiche allein in Form von Fachgruppen vertreten. Wichtig ist dem BVVA dabei vor allem eines: Auch weiterhin können nur Inhaber selbstständig geführter mittelständischer Apotheken Mitglied werden. „Gesundheitseinrichtungen im Eigentum von Privat Equity-Firmen haben in unserem BVVA keinen Zutritt“, betonte Peterseim. Die entsprechende Satzungsänderung brachte die Mitgliederversammlung nun auf den Weg. Die geplanten Änderungen sind noch vom Gericht zu prüfen. Abschließend ist die Liste der vom BVVA vertretenen Spezialversorger übrigens nach wie vor nicht. „Es werden immer neue Aufgabenstellungen auf uns zukommen, wir wollen allen diesen Apotheken ein Dach und ein Forum geben“, erklärte Peterseim.

E-Rezept: Der 1. Januar steht

Die Jahrestagung umfasste überdies drei Satelliten-Symposien, bei denen spezielle Themen der Klinik-, Heim- und Palliativversorgung beleuchtet wurden. Zum Abschluss hielt überdies Florian Giermann, Key Account Manager der Noventi Healthcare GmbH, einen Vortrag zum Thema E-Rezept. ­Anders als die meisten Teilnehmer zeigte er sich sehr zuversichtlich, dass das E-Rezept zum Start des neuen Jahres in die Apotheken kommen wird. Zwar werde zum 1. Januar kein Schalter umgelegt und es gebe plötzlich nur noch E-Rezepte. Aber das eine oder andere – in Form eines ausgedruckten Data-Matrix-Codes – erwarte er durchaus gleich zu Jahresbeginn. Die Gematik-App, über die letztlich der durchgehend digitale Übertragungsweg laufen soll, hat aber aus Giermanns Sicht noch einige Hürden zu nehmen, vor allem weil die NFC-fähigen Krankenversicherungskarten noch fehlen. Was die Spezialversorger betrifft äußerte sich der Noventi-Manager jedenfalls im Hinblick auf die Heimversorgung zuversichtlich – auch hier werde es digitale Lösungen für die Übertragung der Rezepte geben. Mehr Sorge bereitet ihm dagegen, wie es bei Rezepturarzneimitteln laufen soll, die auch ab 1. Januar 2021 von der E-Rezeptpflicht erfasst sind. Nicht zuletzt nutzte der BVVA seine Jahrestagung für eine herzliche Verabschiedung von Dr. ­Rötger von Dellingshausen, der Anfang 2020 nach zehn Jahren als Geschäftsführer des BVVA und des ­Bundesverbands Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) das Ruder an Rechtsanwältin Christiane Müller übergeben hat. |

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