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DAZ aktuell
Cannabisblüten scheitern an Kennzeichnung
Hanseatisches Oberlandesgericht bemängelt Importware
Bei dem Rechtsstreit ging es um die Kennzeichnung eines Ausgangsstoffs, der an Apotheken geliefert wird – nicht um die von Apotheken an Patienten abgegebenen Cannabisblüten. Dabei prüfte das Gericht auch, ob die Blüten in der Herstellerverpackung ein Arzneimittel sind.
Keine Beanstandung in erster Instanz
Bereits in der ersten Instanz hatte ein Wettbewerbsverband argumentiert, die beanstandeten Cannabisblüten in Kunststoffdosen mit der Bezeichnung „Cannabis flos“ seien ein Arzneimittel und daher nach § 15 der Verordnung über die Anwendung der Guten Herstellungspraxis bei der Herstellung von Arzneimitteln und Wirkstoffen (AMWHV) zu kennzeichnen. Zudem erfülle die Packung nach Ansicht des Wettbewerbsverbandes nicht einmal die Kennzeichnungsanforderungen für Zwischenprodukte gemäß § 24 AMWHV. Das Landgericht Hamburg hatte die Blüten nicht als Arzneimittel, sondern als Grundstoff eines noch herzustellenden Arzneimittels eingestuft. Für einen solchen Grundstoff ist § 24 AMWHV anzuwenden, den die erste Instanz erfüllt sah.
Einstweilige Verfügung in zweiter Instanz
Doch das OLG als zweite Instanz entschied am 22. Dezember anders und verbot dem Händler im Wege einer einstweiligen Verfügung, Cannabisblüten in der betreffenden Aufmachung in Verkehr zu bringen (Hanseatisches OLG Aktenzeichen 3 W 38/20). Auch das OLG sah in den Blüten weder ein Funktions- noch ein Präsentationsarzneimittel, sondern einen Stoff im Sinne von § 3 Ziffer 2 Arzneimittelgesetz (AMG). Doch das OLG setzte sich detailliert mit der Kennzeichnung auseinander. Es bemängelte die Angaben in niederländischer Sprache nicht. Da die Lagerung bei Raumtemperatur keine besondere Bedingung sei, sei auch dazu keine nähere Angabe erforderlich. Doch fehle die nach § 24 Abs. 2 Ziffer 1 AMWHV nötige Angabe des Herstellers und seiner Adresse. Hersteller sei nicht das auf der Packung angegebene Gesundheitsministerium der Niederlande, sondern ein im GMP-Zertifikat benanntes Unternehmen. Dieses habe seinen Sitz nicht in Den Haag, sondern in Veendam. Außerdem würden Angaben zur Straße und zur Postleitzahl fehlen.
Ausgangsstoff ist kein Arzneimittel
Obwohl damit ein einzelner zentraler Aspekt der Kennzeichnung entscheidend war, befasste sich das Gericht ausführlich mit der Frage, ob die Blüten in der Aufmachung, die sich nicht an Patienten richtet, ein Arzneimittel darstellen. Ausgangspunkt war die umfangreiche Rechtsprechung zur Frage, bei welchem Herstellungsschritt ein Produkt zum Arzneimittel wird. Als begrenzendes Kriterium für die Arzneimitteleigenschaft sei gemäß dem Bundesverwaltungsgericht „darauf abzustellen, dass keine wesentlichen Bearbeitungsschritte bis zum abgabefertigen Endprodukt mehr erforderlich seien“ (Hanseatisches OLG mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, PharmR 2011, 168, Rn. 18, TCM-Granulate). Eine Bearbeitung oder Aufbereitung sei dann „wesentlich, wenn sie nach der Verkehrsanschauung den Herstellungsprozess präge oder für die Anwendungsfertigkeit des Erzeugnisses von besonderer Bedeutung sei“ (Hanseatisches OLG mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht, PharmR 2018, 98, Rn. 27, Import-Blutegel). Vor diesem Hintergrund sah das OLG bei den Cannabisblüten „noch wesentliche Herstellungsschritte bis zum abgabefähigen Endprodukt ausstehen“. Dabei verwies das Gericht auf die Herstellung gemäß Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), insbesondere auf die erforderliche Qualität nach § 6 ApBetrO, die nötige Identitätsprüfung gemäß dem Arzneibuch und die Verarbeitungsmöglichkeiten anhand von vier NRF-Rezepturformeln. Zur Vorbereitung der Rezepturen würden die Blüten gemahlen und anschließend gesiebt. Wenn der Arzt Einzeldosen verordne, seien diese abzuwiegen, zu portionieren und in geeignete Behältnisse abzufüllen. „Da (…) mit dem Mahlen, Sieben, Dosieren und Abpacken in der Apotheke noch wesentliche Bearbeitungsschritte zu erfolgen haben“, seien die Blüten „(noch) nicht als Arzneimittel, sondern als (Ausgangs-)Stoff nach § 3 Ziffer 2 AMG (…) anzusehen“, erklärte das OLG. Der antragstellende Wettbewerbsverband habe jedoch vorgetragen, dass die Blüten auch unzerkleinert verordnet werden könnten. Dazu habe die gegnerische Partei auf die Identitätsprüfung und das Abpacken hingewiesen. Nach Einschätzung des Gerichts habe der Antragsteller seinen Vortrag nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Das Gericht stellte daraufhin „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ fest, die Blüten seien kein Funktionsarzneimittel. Für die Einstufung als Präsentationsarzneimittel sei die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung maßgeblich. Doch ohne Angaben zur Herstellung, Verordnung und Anwendung sah das Gericht in den Blüten kein Präsentationsarzneimittel. Vielmehr handele es sich um einen Stoff, der nach § 24 AMWHV zu kennzeichnen sei.
Folgen der Bewertung?
Auch wenn es in dem Verfahren um die Verkehrsfähigkeit eines bestimmten Produktes ging, bleibt zu klären, ob sich daraus Hinweise für andere Fragen ergeben. Denn offenbar haben einzelne regional zuständige Behörden diese Blüten bisher als Fertigarzneimittel eingestuft. Außerdem wird immer wieder über die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Ausgangsstoffen gestritten. Daher hatte die Hauptversammlung des Deutschen Apothekertages 2018 den Gesetzgeber zu einer Klarstellung zum Begriff des „wesentlichen Herstellungsschrittes“ im AMG aufgefordert und zur Begründung erklärt, dass jede Verarbeitungstätigkeit in der Apotheke als „wesentlicher Herstellungsschritt“ anzusehen sei. Das hat das OLG hier offenbar entsprechend gesehen und das Mahlen, Sieben, Dosieren und Abpacken als wesentliche Bearbeitungsschritte anerkannt. Allerdings ging es hier nicht um das Rezeptur- und Defekturprivileg der Apotheken, auf das der Apothekertagsantrag gezielt hatte. |
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