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Therapien im Gespräch
Analgetika unter Verdacht
Warum frau trotzdem nicht auf ein Schmerzmittel in der Schwangerschaft verzichten muss
Gaben 1985 noch lediglich 1,8% der Schwangeren an, ein verschreibungsfreies Schmerzmittel angewendet zu haben, so waren es 30 Jahre später bereits 70,6%. Welche Auswirkungen die Einnahme auf das Neugeborene hatte, hat die Arbeitsgruppe um Zafeiri et al. in einer retrospektiven Kohortenstudie mit mehr als 150.000 Schwangeren im Zeitraum zwischen 1985 und 2015 untersucht (DAZ 33, S. 22). Sie stellten fest, dass die Einnahme von Paracetamol, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure, Diclofenac oder Naproxen mit einem erhöhten Risiko für unter anderem Frühgeburten vor der 37. Schwangerschaftswoche (adjustierte Odds Ratio [aOR]: 1,5), Totgeburt (aOR: 1,33), Einweisung auf die Intensivstation für Neugeborene (aOR: 1,57), Neuralrohrdefekt (aOR: 1,64), ein erniedrigtes Geburtsgewicht < 2500 g (aOR: 1,28) und Makrosomie > 4000 g (aOR: 1,09) verbunden war. In seinem Kommentar zur Studie sieht Dr. Wolfgang Paulus, Leiter der Reprotox-Beratungsstelle für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit in Ulm, allerdings einen kausalen Zusammenhang als fraglich an. Vielmehr weist er auf den erhöhten Anteil an übergewichtigen Schwangeren hin, die in der Studie ein Analgetikum eingenommen hatten. Von diesen ist bekannt, dass sie ein höheres Risiko für Schwangerschaftskomplikationen (z. B. Präeklampsie mit Frühgeburt und geringem Geburtsgewicht) sowie kindliche Fehlbildungen besitzen. Natürlich muss die Einnahme eines Analgetikums in der Schwangerschaft immer unter sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Nichtsdestotrotz sollten Schwangere seiner Meinung nach nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Diese Ansicht vertritt er auch in seinem weiteren Kommentar zu einer Konsenserklärung eines Expertengremiums (DAZ 41, S. 34). Dieses hatte im Oktober öffentlich ein Umdenken bei der Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft gefordert und auf Studien verwiesen, die ein erhöhtes Risiko für reproduktive und urogenitale Probleme sowie neurologische Entwicklungsstörungen bei pränatal exponierten Kindern zeigen. Auch hier mahnt Paulus, Panikmache zu vermeiden, da die aktuelle Datenlage noch keine eindeutigen Aussagen zulässt. Die dort ermittelten statistischen Assoziationen könnten keinen kausalen Zusammenhang zwischen Paracetamol und Beeinträchtigungen der kindlichen Entwicklung beweisen. Vielmehr muss seiner Meinung nach das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit Paracetamol (so kurz und moderat dosiert wie möglich, z. B. nicht länger als zwei Wochen) in der Schwangerschaft sowohl bei Fachpersonal als auch bei Laien gestärkt werden. |
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