Apothekertage

Deutscher Apothekertag

tmb | Der Deutsche Apothekertag 2021 fand als Hybridveranstaltung an zwei Tagen in Düsseldorf und an den Bildschirmen statt. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening präsentierte erstmals den Lagebericht und wegen der ABDA-Wahlen vom Herbst 2020 gab es auf dem Podium weitere neue Gesichter. Zur verkürzten Tagesordnung gehörten auch der Geschäftsbericht, die ausführliche Antragsdebatte an zwei Tagen und ein zweistündiger Besuch des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn wenige Tage vor der Bundestagswahl. Doch es gab keine weiteren Politikerbesuche, keine weiteren Grußworte und keine Expo­pharm als Parallelveranstaltung in den Messehallen. Nach der Kritik am Ausfall des Deutschen Apothekertages 2020 wurde damit die wesentliche Funktion des Apothekertages erfüllt. 260 Delegierte nahmen vor Ort teil, 64 online. Thematisch standen die Erfahrungen aus der Pandemie und die Digitalisierung im Vordergrund.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Lagebericht der ABDA. Zur Pandemie erklärte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, die Apotheker hätten „geackert und geschuftet“ und die vielen Herausforderungen weggearbeitet. Dies habe dem Berufsstand eine neue Form des Respekts eingebracht. Das Apothekensystem sei flexibel, agil und krisenfest. Zugleich konstatierte sie in der Gesellschaft eine allgemeine Gereiztheit, aber es gebe im Diesseits keine unfehlbare Führungsfigur. Um die ABDA noch besser und stärker zu machen, finde eine Strukturanalyse statt. Es bestehe Einigkeit in der Diagnose, die Over­wiening jedoch nicht darstellte. Sie betonte die digitalen Leistungen der Apotheken beim Ausstellen der Impfzertifikate. So souverän sollten die Apotheker auch sonst agieren, riet Overwiening. Außerdem mahnte sie einen geschlossenen und selbstbewussten Auftritt der Apotheker an. Anlässlich der Bundestagswahl forderte sie verlässliche Rahmenbedingungen und wandte sich gegen alle Maßnahmen, die Arzneimittel trivialisieren. Die Apotheker würden unverzichtbaren Nutzen für die Gesellschaft stiften. Dies müsse der Gesetzgeber beachten.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Geschäftsbericht der ABDA. ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz blickte auf zwei Berichtsjahre zurück. Er betonte den großen Nachwuchsmangel mit Blick auf die Zeit bis 2029 und berichtete über das vielfäl­tige staatliche Handeln bei der Digi­talisierung des Gesundheitswesens. Doch beim wichtigen Transport des E-Rezepts werde auf den Markt gesetzt und die staatliche Fürsorge sei eingeschränkt. Schmitz berichtete über die Arbeit der europäischen Apothekerorganisation, bei der es auch um die Digitalisierung gehe. Zur Pandemie betonte Schmitz, die Apotheker seien dabei unverzichtbar und „ein zentrales Beschaffungssystem hätte dabei vollständig versagt“. In der anschließenden Aussprache gab der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Dr. Hans-Peter Hubmann, einen ersten kleinen Einblick, woran die Verhandlungen zu den pharmazeutischen Dienstleistungen gescheitert seien. Die Krankenkassen hätten den vorgeschlagenen Leistungskatalog nicht akzeptiert.

Ministerbesuch. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kam trotz der schlechten Umfragewerte der Union für die Bundestagswahl nicht, um sich von den Apothekern zu verabschieden, sondern erklärte: „Wir haben viel miteinander angestoßen, meinetwegen können wir das auch weiter so hand­haben.“ (Anmerkung: Bei der Erstellung dieses Jahresrückblicks erscheint dies vorläufig unrealistisch.) Spahn betonte die erfolgreiche Arbeit der Apotheken in der Pandemie und bedankte sich für den Einsatz. Der Mehrumsatz sei angesichts der Leistungen „richtig und fair“. Außerdem verbuchte er das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) mit dem Boni-Verbot als Reaktion auf das EuGH-Urteil von 2016, pharmazeutische Dienstleistungen und Modellprojekte für Grippeimpfungen als Erfolg. Das Honorar für die Dienstleistungen sei bereitgestellt: „Die Kassen werden keinen Cent sparen können, egal ob sie sich da bockig anstellen oder nicht.“ Rückblickend meinte Spahn, auch wenn man nicht immer einer Meinung gewesen sei, habe man sich aufeinander verlassen können, wenn man sich auf einen Kompromiss geeinigt habe. Nach seiner Rede nahm sich Spahn Zeit für viele Fragen der Delegierten. Dabei gab es keine scharfen Kontroversen. Angesichts des unklaren Wahlausgangs ergab sich ein unverbindlicher Austausch, auch über mögliche künftige Honorierungsformen, beispielsweise ein Sockelhonorar für Apotheken in ländlichen Gebieten. Spahn teilte die Bedenken der Apotheker bezüglich der Umgehung der Verschreibungspflicht durch ausländische Telemedizinanbieter.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

ABDA-Spitze verabschiedet Minister - Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, Bundesminister Jens Spahn, Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands sowie Mathias Arnold, ABDA-Vizepräsident (v. l.)

 

Anträge. Die folgenden (hier stark verkürzt dargestellten) Anträge wurden von der Hauptversammlung angenommen:

  • Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen soll das Schiedsstellenverfahren zu den pharmazeutischen Dienstleistungen konstruktiv begleiten. Die Dienstleistungen sollen schnell für die Versicherten erlebbar werden.
  • Der Gesetzgeber soll verlässliche Rahmenbedingungen für die Vor-Ort-Apotheken gewährleisten. Die wirtschaftliche Situation soll stabilisiert werden. Der Trivialisierung von Arzneimitteln ist entgegenzuwirken. Einheitliche Preise für Rx-Arzneimittel sind unerlässlich. Die flächendeckende Versorgung muss zum Wohle der Patienten bei allen Regelungen bedacht werden.
  • Bei der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens soll die flächendeckende Versorgung durch inhabergeführte Apotheken gefestigt werden, indem der ordnungspolitische Rahmen gestärkt wird.
  • Die Verordnung und die Abgabe von Arzneimitteln müssen getrennt bleiben. Die diesbezüglichen Regeln zum E-Rezept, etwa in § 11 Apotheken­gesetz, sollen nachgeschärft werden.
  • Die rechtliche Stellung von Dritt­anbieter-Apps und Plattformen soll so nachgeschärft werden, dass Wettbewerbsvorteile für ausländische Versender zugunsten eines fairen Wettbewerbs ausgeglichen werden. Dies bezieht sich auf den frühen Zugriff auf E-Rezepte.
  • Die Nutzung von Verordnungsdaten aus E-Rezepten soll vor der Leistungserbringung unzulässig sein. Dies bezieht sich auf die Nutzung durch Drittanbieter vor der Leistungserbringung.
  • Die Nutzung ausgedruckter E-Rezept-Zugangscodes soll so geregelt werden, dass es weder zu Missbrauch noch zu Wettbewerbsnachteilen für Vor-Ort-Apotheken kommt.
  • Verordnung und Distribution von Arzneimitteln im digitalen Raum sollen so geregelt werden, dass Missbrauch, unnötiger Fehlgebrauch und Schäden für Patienten verhindert werden.
  • Apotheken sollen ordnungspolitisch und wirtschaftlich gestärkt werden. Handlungsspielräume für die Arzneimittelabgabe sollen entfristet werden. Desinfektionsmittel sollen dauerhaft in Apotheken hergestellt werden können. Bürokratische Erleichterungen bei der Hilfsmittelabgabe sollen bestehen bleiben. Vergütungszusagen sollen verlässlich sein und zwischen Leistungen und Sachkosten unterscheiden.
  • Krankenkassen sollen Angebote der Apothekerverbände für Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung annehmen. Die Modellvorhaben sollen zügig evaluiert und in Kooperation mit Ärzten in die Regelversorgung übernommen werden.
  • Der Gesetzgeber soll die Apotheken unter geeigneten Voraussetzungen in die Durchführung von Covid-19-Auffrischungsimpfungen einbinden.
  • Die Approbationsordnung für Apotheker soll in der nächsten Legis­laturperiode schnellstmöglich novelliert werden. Dabei soll die derzeitige Struktur erhalten bleiben. Weder die Betreuungsintensität noch die Zahl der Studierenden sollen reduziert werden.
  • Gemeinsame Lehrveranstaltungen für Medizin- und Pharmaziestudierende werden als essentieller Schritt für die heilberufliche Zusammen­arbeit befürwortet.
  • Die Zahl der Pharmaziestudien­plätze in Deutschland soll in den nächsten fünf Jahren um mindestens 30 Prozent steigen.
  • Die Ausbildung im praktischen Jahr soll in allen Einrichtungen möglich sein, in denen eine Betreuung durch einen praktisch tätigen Apotheker erfolgt.
  • Die Attraktivität des PTA-Berufs soll erhöht werden, beispielsweise durch Fortbildungs- und Weiterqualifizierungsmaßnahmen.
  • Die Digitalisierung soll als zentrales Zukunftsthema ausgebaut werden. Sie soll in der Programmatik und im Handeln der ABDA verankert werden.
  • Organisationen der Apothekerschaft sollen Versorgungsforschung mit anonymisierten oder sicher pseudonymisierten Daten betreiben dürfen.
  • Anwendungen der Telematikinfrastruktur sollen in Hinblick auf eine hohe Arzneimitteltherapiesicherheit optimal in den Arbeitsalltag integriert werden. Dazu müssen Prozesse und Zuständigkeiten vorab definiert, erprobt und bewertet werden.
  • Es soll ein apothekenübergreifendes pharmazeutisches Dossier für alle Bürger geschaffen werden.
  • Die Zukunft der Telepharmazie soll aktiv gestaltet und mit Dienstleistungen aufgeladen werden. Dies ist eine Absage an eine „Callcenter-Pharmazie“.
  • Die Verantwortlichkeiten in der heilberuflichen Zusammenarbeit sollen im Dialog mit den Ärzten definiert werden, insbesondere zur Telemedizin und -pharmazie.
  • Mit Blick auf den möglichen Defekt oder Verlust von Komponenten der Telematikinfrastruktur in den Apotheken sollen Backup-Lösungen geschaffen werden.
  • Apotheken sollen in die Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA) nach § 33a SGB V einbezogen werden.
  • DIGA sollen in die ABDA-Datenbank aufgenommen werden.
  • Die Honorierung der Apotheken soll den steigenden Kosten gerecht werden. Bürokratie, die durch Dritte ausgelöst wird, soll durch eine Dynamisierungskomponente berücksichtigt werden.
  • Mittel aus dem Dienstleistungsfonds sollen in den ersten beiden Jahren zu einem angemessenen Teil für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur verwendet werden können. Der Fonds soll Aufträge für die Dokumentations-, Abrechnungs- und Betriebsinfrastruktur vergeben können.
  • Die Honorierung für die Versorgung mit Grippeimpfstoffen soll an den tatsächlichen Aufwand und das wirtschaftliche Risiko angepasst werden.
  • Die Honorierung für die Versorgung mit Grippeimpfstoffen soll wegen steigender Impfstoffpreise angepasst werden. Dabei soll die Vielfalt der Hersteller beachtet werden.
  • Abgabe- oder Abrechnungsfehler, die zu keiner Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Versicherten geführt haben, sollen nur in der Höhe des nachzuweisenden Schadens der Krankenkasse retaxiert werden dürfen.
  • Der GKV-Spitzenverband soll mit allen Beteiligten einheitliche Prüfkriterien für die Korrektheit von E-Rezepten vereinbaren.
  • Die Rezeptabrechnung soll neu organisiert werden. Die Abrechnungs­wege sollen sicher sein. Leistungs­erbringer sollen vor Ausfällen geschützt werden. Apotheken sollen aus der Verrechnung der Herstellerrabatte herausgehalten werden.
  • Dienstleistern, die mit Krankenkassen in vertraglichen Beziehungen nach § 80 SGB X stehen, soll untersagt werden, E-Rezepte für Apotheken abzurechnen.
  • Bei Präqualifizierungen sollen Apotheken keine Voraussetzungen mehr belegen müssen, die sich ohnehin aus der Apothekenbetriebserlaubnis ergeben.
  • Die überbordenden bürokratischen Hürden für Apotheken sollen durch gesetzliche Maßnahmen minimiert werden.
  • Anstelle unsicherer gesetzlicher Einzelerlaubnisse soll den Apotheken ausdrücklich erlaubt werden, im Rahmen definierter Tätigkeiten bestimmte patientenbezogene Daten ohne Einwilligung des Patienten zu erheben, zu verarbeiten und zu speichern.
  • Innerhalb der ABDA soll ein abgestimmtes Konzept zur Nachwuchsgewinnung und -förderung ent­wickelt und umgesetzt werden.
  • Der Deutsche Apothekertag 2022 soll thematisch auf „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ aus­gerichtet werden.

Die folgenden Anträge wurden in Ausschüsse verwiesen:

  • Im Interesse der Patientensicherheit soll die Zulassungspflicht für Arzneimittel nicht unterlaufen werden. Die Verwendung arzneilich wirksamer Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln soll unterbunden werden.
  • Der Themenbereich „Auswirkungen des Klimawandels auf die Arzneimittelversorgung und Gesundheit“ soll in die Aus-, Fort- und Weiter­bildung übernommen werden.
  • Die psychosoziale Kompetenz der Apotheker soll gestärkt werden.
  • Apotheken oder apothekereigene Organisationen sollen strukturierte Daten zu pharmazeutischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der Vor-Ort-Apotheken sammeln und für die Versorgungsforschung verwerten dürfen.
  • Der Deutsche Apothekerverband soll mit der Zertifizierung telepharmazeutischer Angebote beliehen werden.
  • Die Errichtung eines Hilfswerkes der deutschen Apothekerschaft für Naturkatastrophen und andere Fälle höherer Gewalt soll geprüft werden.

Weitere Anträge wurden übergangen, zurückgezogen oder abgelehnt (AZ 39 und DAZ 39, S. 44). |

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