Arzneimittel und Therapie

Risperidon in neuem Gewand

Bioabbaubare Matrix ermöglicht frühzeitige Therapie

In der Behandlung der Schizophrenie haben sich langwirksame Depot-Antipsychotika als sinnvolle Therapieoption etabliert. Die Patienten müssen nicht mehr selbst auf die Einnahme achten und profitieren von wenig schwankenden Plasmaspiegeln. So können folgenschwere Rezidive vermieden werden. Eine neue Formulierung von Risperidon verspricht eine frühzeitige Therapie akuter Episoden.

Die Schizophrenie ist eine komplexe psychische Erkrankung, die sich bei Betroffenen auf vielfältige Weise manifestieren kann. Charakteristisch sind die sogenannten Positivsymptome, wie Halluzinationen, Wahnideen und Denkstörungen, und die Negativsymptome, welche durch einen verminderten Antrieb, soziale Isolierung und Affektverflachung gekennzeichnet sind. Für Schizophrenie-Patienten ist es mitunter sehr herausfordernd, sich an strikte Medikationspläne zu halten. Eine mangelnde Therapieadhärenz kann eine neue Episode auslösen oder aber auch Folge einer solchen sein. Um diese Problematik zu umgehen und eine gesicherte Therapie zu ermöglichen, wurden Depot-Antipsychotika entwickelt. Weiterhin bieten diese Präparate zusätzliche pharmakologische Vorteile: Der hepatische First-Pass-Effekt wird umgangen, die Plasmaspiegel schwanken weniger stark, und unerwünschte Wirkungen durch diese Fluktuationen können unterbunden werden. Eine durch den Patienten unter Umständen beabsichtigte Überdosierung wird vermieden. Von Nachteil ist aber, dass sich die Therapie wenig steuern lässt und Patienten sich oft stigmatisiert fühlen [1].

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Schizophrenie hat viele Gesichter: Sie kann sich beispielsweise als Halluzinationen und Wahnvorstellungen, aber auch in Affektverflachung und sozialer Isolierung bemerkbar machen.

Zwei Komponenten machen es möglich

Die Depotwirkung kann erzielt werden, indem die Wirkstoffe mit langkettigen Carbonsäuren verestert werden oder als Mikrosphärenpartikel injiziert werden (s. Tab.). Eine neuartige Formulierung des Neuroleptikums Risperidon wurde durch die Firma ROVI entwickelt. Die sogenannte In-situ-microimplants(ISM®)-Technologie ermöglicht eine anhaltende Freisetzung von Wirkstoffen und wird in zwei Spritzen zur Verfügung gestellt [2, 3]. Eine Spritze enthält den Wirkstoff Risperidon und ein Polymer (Polylactid-co-Glycolid, PLGA) und die andere das Dimethylsulfoxid-haltige Lösungsmittel. Vor der Injektion werden beide Komponenten vereinigt und die entstehende Suspension in das Gesäß (Glutealmuskel) oder in den Oberarm (Deltamuskel) injiziert. Die Suspension präzipitiert in situ zu einem festen bzw. halbfesten bioabbaubaren Implantat. Dieses wird langsam vom Körper abgebaut und setzt den Wirkstoff nach und nach frei.

Tab.: Übersicht über die in Deutschland verwendeten Depot-Antipsychotika entnommen aus der S3-Leitlinie Schizophrenie [1] im Vergleich mit der neuen Formulierung Risperidon ISM®
Wirkstoff (Präparatebeispiel)
Dosisintervall
Aripiprazol (Abilify-Maintena®)
vier Wochen
Fluphenazindecanoat (Fluphenazin-neuraxpharm® D)
ein bis vier Wochen
Flupentixoldecanoat (Fluanxol® Depot)
zwei bis drei Wochen
Haloperidoldecanoat (Haldol®-Janssen Decanoat Depot)
vier Wochen
Olanzapinpamoat (Zypadhera®)
zwei bis vier Wochen
Paliperidonpalmitat (Xeplion®)
vier Wochen
Risperidon ISM®
vier Wochen
Risperidon-Mikrosphären (Risperdal Consta®)
zwei Wochen
Zuclopenthixoldecanoat (Ciatyl-Z®Depot)
zwei bis vier Wochen

Wirksam gegen Positiv- und Negativsymptome

Die Wirksamkeit und Sicherheit dieser neuen Risperidon-Formulierung wurden in einer doppelblinden Phase-III-Studie dargelegt [3]. Im Rahmen der PRISMA-3-Studie erhielten insgesamt 438 Patienten (18 bis 64 Jahre) mit gesicherter Schizophrenie-Diagnose und einer akuten Exazerbation für zwölf Wochen randomisiert einmal monatlich entweder 75 mg oder 100 mg Risperidon ISM® bzw. Placebo. Der Krankheitsverlauf wurde während der Studie mithilfe des PANSS-Wertes (Positive and Negative Syndrome Scale, maximal 210 Punkte bei schwerer Psychose) verfolgt. Dieser Score quantifiziert die Positiv- und Negativsymptomatik sowie generelle psychopathologische Symptome anhand einer Befragung des Patienten. Risperidon ISM® verminderte den PANSS-Wert in beiden Dosierungen gleichermaßen. Placebobereinigt reduzierten sich die Scores bei der 75-mg- und 100-mg-Dosis um 13,0 bzw. 13,3 Punkte (p < 0,0001). Das Präparat verbesserte dabei alle Subindizes des PANSS sowohl für Positiv- als auch Negativsymptome sowie generelle psychopathologische Symptome signifikant. Insgesamt setzte die Wirkung des Medikaments zügig ein. Bereits nach acht Tagen unterschieden sich die PANSS-Werte der 100-mg-Gruppe signifikant von den Placebowerten (15 Tage für 75 mg Risperidon ISM®). Den Studienautoren zufolge könnte das Medikament daher frühzeitig bei hospitalisierten Patienten mit einer schizophrenen Episode angewendet werden, um schnell und effektiv mittelschwere bis schwere Symptome zu lindern. Momentan wird in einer langfristigen Studie untersucht, ob das Präparat auch als Erhaltungstherapie geeignet ist, um dauerhaft das Krankheitsgeschehen zu kontrollieren [4]. Bestehende klinische Erfahrungen mit dem Wirkstoff legen dies nahe [5]. Die Therapie erwies sich darüber hinaus als gut verträglich. Die meisten Nebenwirkungen waren geringfügig oder moderat. Am häufigsten beobachtet wurden erhöhte Prolaktinwerte, Kopfschmerzen und eine Gewichtszunahme. Reaktionen an der Injektionsstelle traten gelegentlich auf.

Kein Boostern notwendig

Im Vergleich mit anderen langwirksamen Neuroleptika bietet Risperidon ISM® den Vorteil, dass die Wirkung schnell eintritt und keine initiale orale Supplementierung oder Booster-Injektion erforderlich ist. Eine Therapie kann also schnell und unkompliziert eingeleitet werden. Das Applikationsintervall von vier Wochen befindet sich im Rahmen der derzeit zugelassenen Therapeutika und ist dabei vor allem den herkömmlichen Decanoat-Estern überlegen (s. Tab.). Noch gibt es keine direkten Vergleichsstudien mit anderen Depotpräparaten. Die Autoren zogen daher die Daten der klinischen Studien anderer Präparate zu Rate. Diese Angaben sind allerdings aufgrund des unterschiedlichen Designs der Untersuchungen mit Vorsicht zu betrachten. Risperidon ISM® reduzierte den PANSS-Wert beispielsweise in einem ähnlichen Maß wie eine monatliche Gabe von 400 mg Aripiprazol (PANSS placebobereinigt -15,5 Punkte) [6] und könnte einer Therapie mit monatlichen Äquivalenzdosen von 25 bis 150 mg Paliperidonpalmitat überlegen sein (PANSS placebobereinigt -5,1 bis -9,8 Punkte) [7]. Das Unternehmen ROVI hat bereits im Januar 2020 ein zentralisiertes Zulassungsverfahren der EMA begonnen und im November auch die nötigen Zulassungsunterlagen bei der FDA eingereicht [8]. |

Literatur

[1] S3-Leitlinie Schizophrenie. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. AWMF-Register Nr. 038-009, Stand: März 2019

[2] Website der Firma ROVI. www.rovi.es/en/ism, Abruf am 18. Januar 2021

[3] Correl CU et al. Efficacy and safety of once-monthly Risperidone ISM® in schizophrenic patients with an acute exacerbation. NPJ Schizophr 2020;6:37

[4] Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Risperidone ISM® in Patients With Acute Schizophrenia: Open Label Extension (PRISMA-3_OLE), https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03870880?term=PRISMA-3+OLE&draw=2&rank=1.,Abruf am 18.Januar 2021

[5] Subotnik KL et al. Long-Acting Injectable Risperidone for Relapse Prevention and Control of Breakthrough Symptoms After a Recent First Episode of Schizophrenia. A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry 2015;72:822-829

[6] Kane JM et al. Aripiprazole once-monthly in the acute treatment of schizophrenia: findings from a 12-week, randomized, double-blind, placebo-controlled study. J Clin Psychiatry 2014;75:1254-1260

[7] Pandina G et al. A randomized, placebo-controlled study to assess the efficacy and safety of 3 doses of paliperidone palmitate in adults with acutely exacerbated schizophrenia. J Clin Psychopharmacol 2010;30:235-244

[8] Risperidon ISM® bei Patienten mit Schizophrenie wirksam und sicher. Pressemitteilung der Firma ROVI vom 7. Januar 2021

Apotheker Dr. Tony Daubitz

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