Gesundheitspolitik

Kammer Nordrhein klagt gegen Lieferplattform Kurando

Kammer vermisst Beratungsmöglichkeit der Partnerapotheke und beanstandet Wechselwirkungscheck sowie Provisionsmodell

jb/ks | Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hat sich den Arzneimittel-Schnelllieferdienst Kurando vorgeknöpft. Vor dem Landgericht Berlin klagt sie gegen das Start-up. Die Kammer wirft ihm gleich mehrere wettbewerbswidrige Verstöße gegen apothekenrechtliche Normen vor. U. a. beanstandet sie das provisionsbasierte Preismodell.

Die AKNR ist wohl bundesweit am engagiertesten, wenn es darum geht, der Aushöhlung und kreativen Auslegung apothekenrecht­licher Vorgaben einen Riegel vorzuschieben. Das zeigen schon die vielen Verfahren gegen DocMorris in den vergangenen Jahren. Im vergangenen März hatte AKNR-Justiziarin Bettina Mecking beim ApothekenRechtTag erklärt, dass die Kammer ein wettbewerbsrechtliches Musterverfahren gegen Marktplatzplattformen an­strebe. Diese Ankündigung hat sie nun wahr gemacht. Wie die AZ auf Nachfrage erfuhr, richtet sich die wettbewerbsrechtliche Klage gegen Kurando. Ihr vorausgegangen war eine erfolglose Abmahnung. Die AKNR beanstandet dabei im Wesentlichen drei Punkte und fordert deren Unterlassung.

Knappes Lieferzeitfenster lässt keine Zeit für Beratung

Zum einen soll Kurando künftig unterlassen, eine Plattform zu betreiben, auf der Arzneimittellieferungen innerhalb von 30 Minuten angeboten werden, ohne dabei zu gewährleisten, dass die Partnerapotheken die ihnen obliegende aktive Beratungspflicht einhalten. Ein Testkauf, bei dem Ibuprofen und ASS zugleich bestellt wurden, hatte nämlich gezeigt, dass keine Beratung stattfindet.

In der Klageschrift führt Rechtsanwalt Morton Douglas, der die Kammer in dem Verfahren vertritt, aus, dass das gesamte Konzept des Unternehmens darauf ausgerichtet ist, Arzneimittel so schnell wie möglich zu liefern. Dabei werde billigend in Kauf genommen, dass die Beratungspflicht der Apotheke nicht ein­gehalten werden kann. So kann zwar laut Vertrag – in dem es abgesehen von einem pauschalen Hinweis auf die Einhaltung der Vorgaben des Apothekengesetzes sowie der Apothekenbetriebs­ordnung keinerlei Hinweise zur Beratung gibt – die Belieferung verweigert werden, etwa wenn die Arzneimittel nicht vorrätig sind. Jedoch fehlten jegliche Möglichkeiten der Apotheke, aus pharmazeutischen Bedenken die Arzneimittellieferung zu verweigern. Damit werde letztlich gegen Sorgfaltspflichten verstoßen und damit ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch begründet.

Risikocheck: eine pharmazeutische Leistung

Außerdem stört sich die Kammer daran, dass Kurando auf der Plattform einen Risikocheck anbietet, bei dem Verbraucher die Wechselwirkung verschiedener apothekenpflichtiger Arzneimittel prüfen können. Auch wenn dieser aktuell gar nicht funktioniere (ein entsprechender Hinweis erschien bei der Eingabe zweier Präparate), sei das Angebot eines solchen Risiko­checks durch Kurando unzulässig, so der Vorwurf. Denn bei der Beratung hinsichtlich der Wechselwirkung von Arzneimitteln gemäß § 1a Abs. 3 Nr. 4 Apothekenbetriebsordnung handele es sich um eine pharmazeutische Tätigkeit – und die dürfe eben nur von pharmazeutischem Personal ausgeführt werden.

Provision von 18 Prozent auf den Verkaufspreis

Der dritte beanstandete Punkt ist, dass die Apotheken für die Vermittlung von Aufträgen über apothekenpflichtige Arzneimittel eine Provision in Höhe von 18 Prozent des tatsächlichen Verkaufspreises zu bezahlen haben. Hier sieht Douglas einen wettbewerbswidrigen Verstoß gegen § 8 Satz 2 Apothekengesetz. Die Norm verbietet u. a. „Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist“.

Gehe man davon aus, dass die Marge der Apotheke bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln je nach der Preisbildung zwischen 30 und 40 Prozent liege, führe eine Berechnung von 18 Prozent auf den Bruttoverkaufspreis dazu, dass in der Regel über 50 Prozent des Ertrages an Kurando zu zahlen seien. Da ein Aufkommen von 200 Bestellungen am Tag angestrebt werde, was bei einer durchschnittlichen Apotheke wohl dazu führe, dass 50 Prozent der Bestellungen über die Plattform vermittelt würden, handele es sich um einen erheblichen Beitrag zum Umsatz der Apotheke. Der Gesetzgeber wolle mit der Norm aber die Unabhängigkeit der Apotheke gewährleisten – daher seien Vertragsabreden wie die hier vorliegende unzulässig.

Sollte Kurando sein Geschäft weiter wie bisher betreiben, beantragt die Kammer die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro – oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monate.

Nun muss sich zeigen, wie das Landgericht Berlin das Geschäftsmodell wertet. |

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