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Gesundheitspolitik
Medikationsanalyse wird pharmazeutische Dienstleistung
Versicherte sollen schnellstmöglich stimmige Medikationspläne erhalten
Das wurde am vergangenen Mittwoch bei einem Symposium der Bundesapothekerkammer zur Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen deutlich. Die Medikationsanalyse soll dafür sorgen, dass Patienten mit Polymedikation angesichts ihres hohen Risikos für unerwünschte Arzneimittelwirkungen rasch einen stimmigen Medikationsplan erhalten. Ob auch das Medikationsmanagement, das im Fokus des ARMIN-Projekts steht, im Dienstleistungspaket enthalten sein wird, ist nach dem Tenor des Symposiums hingegen mehr als fraglich.
Bei dem Symposium präsentierte Nina Griese-Mammen, Abteilungsleiterin Wissenschaftliche Evaluation im ABDA-Geschäftsbereich Arzneimittel, zunächst einen Überblick über die Ist-Situation. Ihren Ausführungen nach wenden aktuell etwa 7,6 Millionen Bundesbürger ab 65 Jahren täglich fünf oder mehr verordnete Arzneistoffe an – sie sind die Zielgruppe für das neue Angebot. Denn das Risiko für Wechselwirkungen steige naturgemäß mit der Zahl der anzuwendenden Medikamente, wobei der regelmäßige Gebrauch von fünf Wirkstoffen eine kritische Schwelle darstelle. Die Folgen können gravierend sein: Laut Griese-Mammen sind etwa 5 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf Arzneimittelinteraktionen und -nebenwirkungen zurückzuführen. Bei älteren Menschen seien es sogar 10 bis 30 Prozent, wobei zwei Drittel davon vermeidbar wären. Hier will man Abhilfe schaffen: Die Medikationsanalyse zielt darauf ab, Arzneimittelrisiken zu verringern, die Effektivität der medikamentösen Therapie zu erhöhen und somit die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) zu verbessern.
Vorgesehen ist zunächst eine sogenannte Brown-Bag-Analyse, bei der der Patient alle Medikamente, die er einnimmt, in einer Tüte mitbringt. Es folgt eine pharmazeutische AMTS-Prüfung sowie ein Abgleich mit dem Medikationsplan. Finden die Apotheker ein Problem, suchen sie nach Lösungen, gegebenenfalls auch in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt. Am Ende steht der Medikationsplan. Auf diesen haben Versicherte bereits seit 2016 Anspruch – bisher spielt dieses Instrument im Versorgungsalltag jedoch kaum eine Rolle. Wenn es ihn überhaupt gibt, fehlen häufig Arzneimittel oder es stehen welche darauf, die längst abgesetzt wurden. Hier wollen DAV und GKV also ansetzen und die Situation für die Patienten verbessern.
Höchste Zeit, meint der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer. Er sieht mit Blick auf die vorgelegten Zahlen „erhebliche Versäumnisse“ vonseiten der Ärzteschaft. Es müsse nun darum gehen, Stürze und Todesfälle zu verhindern, die auf Wechsel- und Nebenwirkungen von Arzneimitteln zurückzuführen sind. Dafür sei die Medikationsanalyse ein gutes Mittel. „Ich gehe davon aus, dass viele Menschen diese Leistung in Anspruch nehmen werden, wenn sie von dieser Möglichkeit wissen.“ Unterm Strich erwartet Bauer, dass sich sogar Geld sparen lasse, wenn tatsächlich Krankenhauseinweisungen verhindert werden könnten.
Patientenbeauftragter: Gut investiertes Geld
Dem stimmte auch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD), zu. „Ich gebe den Euro lieber für Beratung als für Behandlung aus“, sagte er. Sollten die Kassen den Start der pharmazeutischen Dienstleistungen weiter verschleppen, werde die Politik den Druck auf die Kostenträger erhöhen – auch wenn er das lieber vermeiden würde. „Wir haben diese Aufgabe bewusst an diejenigen übertragen, die sich damit auskennen“, sagte er. „Es wäre nicht gut, wenn wir das politisch entscheiden müssten.“ |
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