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Management
Junge Leute für Gesundheitsberufe begeistern
Wie die Apotheken vor Ort den Nachwuchs fördern können
Der Beruf Apotheker bzw. Pharmazeut ist seit 2016 als sogenannter Mangelberuf bei der Agentur für Arbeit gelistet (s. Engpassanalyse Bundesagentur für Arbeit) und auch PTAs werden deutschlandweit auf dem Arbeitsmarkt gesucht. Laut einer Mitte 2021 durchgeführten ABDA-Analyse könnten bereits im Jahr 2029 bis zu 10.000 Stellen für Apotheker in den Vor-Ort-Apotheken unbesetzt bleiben (www.abda.de/aktuelles-und-presse/pressemitteilungen).
Erschwerend ist, dass beim PTA-Nachwuchs teilweise immer noch Schulgeld bezahlt werden muss, während die Azubis in anderen Ausbildungsberufen eigenes Geld verdienen. Auch ist das Berufs-bild in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt, was sich dringend ändern sollte (s. Infobox). Grundsätzlich gilt, dass öffentliche Apotheken im ständigen Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern stehen. Hier gilt es, aktiv und gezielt qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und an den Betrieb zu binden. Dazu gehören auch steigende Gehälter für das Apothekenpersonal, die allerdings höhere Honorare für die Apothekeninhaber voraussetzen.
Infobox: Beispiele für Nachwuchsoffensiven
Die ABDA-Apothekenkampagne „#Einfach unverzichtbar“ macht bereits seit einigen Jahren mit Plakaten, YouTube-Videos und Flyern auf die wichtigsten Leistungen der Vor-Ort-Apotheken aufmerksam. Durch die Registrierung und Teilnahme möglichst vieler Apotheken in Deutschland wird gleichzeitig für die Apothekenberufe geworben (www.apothekenkampagne.de). Um den Nachwuchsmangel in Apotheken aktiv anzugehen, hat die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg im Jahr 2018 eine stufenweise angelegte Nachwuchsoffensive gestartet. Dabei wurden im Januar 2021 in einer Crossmedia-Kampagne in Kooperation mit dem Jugendradio bigFM und dem Karriereportal www.bigkarriere.de junge Menschen über die pharmazeutischen Berufe informiert. Ebenfalls wurde eine Berufsinformations-Homepage inklusive Videoclip entwickelt, um gezielt Infos an ausbildungsbereite Jugendliche zu kommunizieren (www.karriere-auf-rezept.de). Die öffentlichen Apotheken in Baden-Württemberg sind dazu aufgerufen, diese Nachwuchsoffensive mit Informationen vor Ort und vermehrten Ausbildungsangeboten zu unterstützen (www.lak-bw.de/presse-medien/kammermedien/nachwuchsoffensive-poster-flyer). Ein weiteres Nachwuchsprojekt hat der Landesapothekerverband (LAV) Niedersachsen e. V. im Jahr 2015 ins Leben gerufen: Bei der Initiative „Apotheker unterwegs in Schulen“ arbeitet der LAV mit engagierten Apotheken vor Ort zusammen, um in Schulen oder auf Berufsinformationsmessen auf die Apothekenberufe aufmerksam zu machen (www.lav-nds.de/veranstaltungen/apotheker-unterwegs-in-schulen). Dank einer Initiative aus Brandenburg gibt es für PTA-Schüler dort nun ein Stipendium im ersten Ausbildungsjahr und im zweiten einen bezahlten Arbeitseinsatz immer freitags in einer Wunschapotheke. Dieses innovative Projekt eines PTA-Schulleiters wurde kürzlich von der Firma 1A-Pharma mit dem 1A-Award gekürt (www.1a-award.de).
Apotheker – ein Traumberuf?
Wer heute Pharmazie studiert, hat wunderbare Perspektiven auf einen sicheren Job mit hohem Sozialprestige: ein Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung, auf längere Sicht eher wenig Konkurrenz durch fehlenden Nachwuchs und dazu noch eine baldige Rentenwelle. Ein verlässliches Einkommen zu haben, ist besonders in Krisenzeiten Gold wert – da haben andere Branchen größere Sorgen. Apotheker gehören zudem immer noch zu den Berufen, denen die Menschen großes Vertrauen schenken. Die Kehrseite der Medaille: Die meisten Apothekenmitarbeiter sind alles andere als Großverdiener – verglichen mit anderen Akademikern mit ähnlich aufwendigem Studium –, und der Sprung in die Selbstständigkeit mit einer eigener Apotheke ist längst kein Selbstläufer mehr.
Laut der ABDA gibt es deutschlandweit knapp 69.000 Apotheker und gut 16.000 junge Menschen studieren Pharmazie. Viele der Absolventen werden erfahrungsgemäß in den gut 18.000 öffentlichen Apotheken unterkommen. Darüber hinaus steigt der Anteil an Pharmazeuten in Krankenhausapotheken, in der Industrie, in der Forschung oder in der Verwaltung. In einer Pressemitteilung spricht die Standesvertretung von hervorragenden Berufsaussichten für Pharmaziestudenten – denn Arbeitslosigkeit gibt es in diesem Bereich so gut wie gar nicht. Die ABDA ist allerdings auch alarmiert und fordert dringend einen massiven Ausbau der Studienplatzkapazitäten und die Schaffung zusätzlicher Pharmazie-Standorte. Die Kammern und Verbände haben ihre Bemühungen rund um die Nachwuchsgewinnung bereits ausgebaut (s. Infobox), aber Nachwuchswerbung allein reicht nicht aus. Der Personalbedarf könnte sogar noch steigen, weil der erhöhte Informations- und Beratungsbedarf für die geplanten neuen Dienstleistungen in den Apotheken mehr Personal erfordert und in den Krankenhäusern neue Stellen für Stationsapotheker geschaffen werden. Ebenso sind passende Rahmenbedingungen für Apothekeninhaber wichtig, um junge Menschen zu ermuntern, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen – denn auch Nachfolger für eine Apothekenübernahme werden oftmals lange gesucht.
Ärzte und Apotheker werden immer älter
Der demografische Wandel schreitet in Deutschland stark voran. Gesundheitsberufe trifft es besonders hart, warnt die Hans-Böckler-Stiftung (www.boeckler.de/betriebe-müssen-sich-auf-ältere-einstellen). Es ist höchste Zeit, Lösungen zu finden. Wissenschaftler vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) berichten von Folgen für den Arbeitsmarkt: Im Jahr 2019 waren rund 11,4 Millionen Beschäftige 50 bis 67 Jahre alt, verglichen mit 8,7 Millionen im Jahr 2013. Das entspricht einem Anstieg um 31 Prozent. Besonders stark betrifft diese Entwicklung Berufe rund um Medizin und Gesundheit, betonen die Autoren. So sei die Zahl der Beschäftigten ab 50 Jahren in den medizinischen Gesundheitsberufen um überdurchschnittliche 38 Prozent gestiegen. Weitere Zahlen dazu liefert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Demnach hat sich das Durchschnittsalter bei Ärzten und Psychotherapeuten von 51,9 (im Jahr 2009) auf 54,3 Jahre (2019) erhöht. Als Durchschnittsalter für Approbierte in öffentlichen Apotheken nennt die ABDA 47,8 Jahre, bei den Apothekenleitern sind es 53,5 Jahre (2019). Nicht vergessen darf man, dass Apotheken vom Wissen und der Erfahrung älterer Angestellter durchaus profitieren. Gefragt sind aber vor allem langfristige Strategien, um Apothekenberufe für junge Menschen attraktiver zu machen.
Zukünftige Fachkräfte wollen begeistert werden
Jugendliche interessieren sich seltener für eine klassische Ausbildung. Deshalb ist es wichtig, aktiv und erfolgreich um die gefragten Fachkräfte von morgen zu werben. Ein erster Schritt ist, als Apotheke selbst auch Ausbildungsplätze für PKA-Azubis, PTA- oder Pharmaziepraktikanten anzubieten. Doch wie kann man die junge Generation auf die schönen und spannenden Seiten der Mitarbeit in einer Apotheke aufmerksam machen? Durch gut organisierte Schülerpraktika, die Vorstellung auf Jobmessen oder die Teilnahme möglichst vieler Apotheken an Nachwuchsoffensiven kann das Interesse für die Apothekenberufe aktiv geweckt werden. Auch sollte schon bei Stellenanzeigen darauf geachtet werden, dass die Zielgruppe sich direkt angesprochen fühlt. Um erfolgreich neues Personal zu gewinnen, ist eine möglichst perfekte Stellenausschreibung mit einer konkreten Aufgabenbeschreibung zielführend. Denn der erste Eindruck entscheidet darüber, ob die wesentlichen Informationen erfasst werden und ob Interesse geweckt wird. Auch die authentische und innovative Darstellung der Apotheke auf einer gut strukturierten Website und das besondere Engagement für aktuell wichtige Themen, wie z. B. Präventionsmaßnahmen, Klimaschutz oder soziales Engagement, können sich durchaus positiv auf die Mitarbeitersuche auswirken. Was immer einen Betrieb auszeichnet und von anderen unterscheidet – es sollte deutlich herausgestellt werden.
Weiterhin kann das Image als attraktiver Arbeitgeber durch das Angebot von echten Mehrwerten für die Angestellten gestärkt werden – und auch das bereits bestehende Team kann durch zusätzliche Mitarbeiter-Benefits, wie z. B. Fortbildungsangebote, eine betriebliche Altersvorsorge, ein Job-Ticket, ein Job-Fahrrad oder einen Zuschuss für die Kinderbetreuung motiviert und gezielt an einen Betrieb gebunden werden. Der Schlüssel zu mehr Mitarbeiterbindung ist Mitarbeiterzufriedenheit – sowohl hinsichtlich aktueller Aufgaben als auch mit Blick auf künftige Entwicklungsperspektiven.
Was macht die Arbeit in der Apotheke aus?
Menschen persönlich dabei zu helfen, gesund zu werden oder gesund zu bleiben, ist sicherlich ein großer Motivationsfaktor für die Berufswahl. Im Kundengespräch erfährt man häufig unmittelbar Dankbarkeit und Anerkennung für eine gute pharmazeutische Beratung. Ein großer Vorteil eines Arbeitsplatzes in der Apotheke sind weiterhin die mögliche Wohnortnähe sowie die Option zur Teilzeitarbeit – was besonders für Frauen bzw. Mütter attraktiv ist. Dabei sind die langen Öffnungszeiten und die Wochenend- bzw. Notdienstbereitschaft der Apotheken nicht unbedingt familien-freundlich, und eine Unterstützung bei der Kinderbetreuung gibt es selten. Um Apotheker und PTAs auch längerfristig für die öffentlichen Apotheken zu gewinnen, sind flexiblere Arbeitszeitmodelle und die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unabdingbar.
Wer die Zukunft seines Unternehmens sichern will, ist gut beraten, Verständnis zu zeigen und sich mit grundsätzlichen Fragen der Gewinnung von Mitarbeitern für morgen auseinanderzusetzen: Zu den Kriterien der jungen Absolventen zählen faire Gehälter, flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, identifikationsfördernde Tätigkeiten und ein wertschätzendes Arbeitsklima.
Literaturtipp
Constanze Schäfer
Ausbilden in der Apotheke
Rechtliche Vorgaben, praktische Tipps und Musterformulare
X, 86 S., 23 farb. Abb., 23 farb. Tab.,
21,0 × 29,7 cm
Kartoniert
Deutscher Apotheker Verlag, 2022
Fazit: Wir brauchen dringend attraktivere Arbeitsbedingungen und mehr Möglichkeiten, die geballte pharmazeutische Kompetenz in der Apotheke auch an den Kunden zu bringen! Denn je größer der Abstand zu anderen Tätigkeitsbereichen von Apothekern und PTAs wird, desto schwieriger wird es, gute Fachkräfte einzustellen und längerfristig zu binden. Apotheken sind in vielen Bereichen gefordert: Sie müssen sich bei potenziellen Mitarbeitern bewerben – nicht mehr umgekehrt. |
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