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Management

Endlich rauchfrei – es lohnt sich

Wie die Apotheken zukünftige Nichtraucher unterstützen können

In Deutschland ist etwa jede fünfte Krebsneuerkrankung eine Folge des Rauchens. Wirksame Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums sind dringend notwendig. Apotheken spielen eine wichtige Rolle in der Gesundheitsförderung. Raucher aktiv auf Unterstützungsmöglichkeiten hinzuweisen und ihnen passende Produkte zu empfehlen, kann entscheidend zur erfolgreichen Tabakentwöhnung beitragen – denn mit professioneller Hilfe gelingt der Rauchstopp besser.

In Deutschland sterben jedes Jahr weit über 100.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums – das entspricht einem Todesfall alle vier Minuten (siehe auch Deutsches Krebsforschungszentrum, Tabakatlas Deutschland 2020). Zigarettenrauchen führt jährlich zu mehr Todesfällen als Aids, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Morde und Selbstmorde zusammen. In Deutschland ist die Zahl der Zigarettenraucher in den letzten Jahren zwar leicht rück­läufig, gleichzeitig steigt aber der Konsum von Tabak für Wasserpfeifen (Shishas) – besonders bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen – deutlich an. Das geht aus dem „Jahrbuch Sucht 2022“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hervor.

Das Rauchen von Tabakerzeugnissen gehört zu den größten vermeidbaren Gesundheitsrisiken. Es verursacht Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schädigt massiv Lunge und Atemwege. Die Lebenserwartung von Rauchern ist etwa acht Jahre geringer als die von Nichtrauchern. Das sollte jedem Raucher klar sein. Aufhören lohnt sich also zu jeder Zeit – je früher desto besser. Doch wie schafft man es, auf Zigaretten und Co. zu verzichten?

Raucher beim Rauchstopp unterstützen

Die Apotheke dient vielen Patienten als Anlaufstelle und Weg­begleiter beim Rauchstopp. Hier ist vor allem eine kompetente Beratung zu den verschiedenen Optionen zur Tabakentwöhnung gefragt. Mit dem Rauchen aufzuhören ist allerdings keine Kleinigkeit. Das Nikotin in herkömm­lichen Zigaretten, E-Zigaretten oder Tabakerhitzern schafft eine körperliche und psychische Abhängigkeit – deshalb ist der Ausstieg häufig schwer und gelingt nicht unbedingt beim ersten Versuch. Werden Raucher durch kostenfreie und evidenzbasierte Therapieangebote beim Rauchstopp unterstützt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Ausstieg deutlich (siehe auch AWMF S3-Leitlinie 2021 „Rauchen und Tabakabhängigkeit: Screening, Diagnostik und Behandlung“).

Es stehen verschiedene Programme mit nachgewiesener Wirksamkeit zur Verfügung, die aber bislang nur von wenigen Rauchern genutzt werden (siehe auch unten). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Zugang zu unterstützenden Maßnahmen zu wenig gefördert wird. Nicht einmal vier Prozent der Raucher bekommen laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum beim ärztlichen Kontakt Unterstützung beim Rauchstopp angeboten. Als niederschwellige und vertrauensvolle Ansprechpartner sollten daher Apothekerinnen und Apotheker ihre Patienten persönlich ansprechen und einen Rauchstopp anraten sowie unterstützende Maßnahmen empfehlen. Dies gilt insbesondere, wenn weitere gesundheitliche Risikofaktoren bekannt oder Interaktionen von Medikamenten zu befürchten sind und als zusätzliches Argument gegen das Rauchen ins Feld geführt werden können.

Darüber hinaus wäre es dringend notwendig, die leitliniengerechte Behandlung der Tabakabhängigkeit in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufzunehmen. Aktuell ist die Erstattungsfähigkeit von bestimmten Medikamenten zur Tabakentwöhnung bei stark abhängigen Rauchern im Gespräch. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät derzeit darüber, welche Arzneimittel zur Tabakentwöhnung unter welchen Voraussetzungen verordnet werden können. Insbesondere bei Rauchern mit einer hohen Nikotin­abhängigkeit sind Medikamente oder Nikotinersatzpräparate durchaus sinnvoll – die Kosten für eine solche Entwöhnung müssen die Betroffenen bislang allerdings selbst zahlen. Denn Arzneimittel, die der Tabakentwöhnung dienen, schließt der Gesetzgeber in §34 SGB V ausdrücklich von der Erstattung aus. Zukünftig sollen jedoch Versicherte mit „schweren tabakassoziierten Erkrankungen, deren Verlauf und Prognose durch das Rauchen negativ beeinflusst werden“, mit dem Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Tabakentwöhnungsmitteln bei gleichzeitiger Nutzung von qualifizierten Beratungsangeboten beim Rauchstopp unterstützt werden. Eine erfolg­reiche Tabakentwöhnung ist nicht nur für die Patienten selbst, sondern auch für die Krankenkassen und die gesamte Volkswirtschaft von großem Interesse – denn die Kosten für die Behandlung von Folgeerkrankungen von Rauchern sind immens.

Rauchstopp als echter Gewinn

  • bereits nach 2 – 12 Wochen ohne Tabakkonsum verbessern sich die Herz-Kreislauf- und Lungenfunktion und damit auch die körperliche Fitness
  • der eigene Körpergeruch sowie der Geruchs- und Geschmackssinn verbessern sich
  • auch Nichtraucher profitieren von einem Rauchstopp – denn Passivrauchen verursacht grundsätzlich dieselben Erkrankungen wie aktives Rauchen
  • längerfristig sinkt das Risiko für koronare Herzkrankheiten, Schlaganfall und verschiedene Krebserkrankungen
  • ein Rauchstopp lohnt sich zudem finanziell: Eine Schachtel am Tag wegzulassen bringt am Ende des Monats eine Ersparnis von etwa 190 Euro bzw. nach einem Jahr von rund 2300 Euro
  • Kosten für Umweltschäden, Gesundheit und Gesellschaft werden eingespart

Patienten gezielt ansprechen

Viel mehr Raucher könnten erfolgreich den Ausstieg schaffen, wenn ihnen der Zugang zu unterstützenden Maßnahmen für die Tabakentwöhnung erleichtert würde. Hierfür ist zunächst eine persönliche Ansprache wichtig, die entweder beim Arzt oder in der Apotheke stattfinden kann. Wann immer sich die Möglichkeit dazu in einem Beratungsgespräch ergibt – viele Patienten sind dankbar für unterstützende Tipps oder auch für Informationsmaterial zum Thema Tabakentwöhnung von Gesundheitsexperten. Für Kundenaktionen in Apotheken zum Thema Rauchstopp können diverse Plakate, Flyer und Broschüren kostenfrei bei der Deutschen Krebshilfe bestellt werden. Broschüren wie „Ja, ich werde rauchfrei“ und viele weitere Materialien gibt es ebenfalls kostenfrei bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Eine ganze Reihe weiterer Publikationen bietet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ). Dort finden sich nicht nur Flyer für jedermann, sondern auch Fachdokumente mit wissenschaftlichen Fakten und Argumenten für die öffentliche Diskussion zum Nichtraucherschutz. Einen ausführlichen und leicht verständlichen Überblick über das gesamte Thema bietet der „Tabakatlas Deutschland 2020“, der kostenfrei als Download beim DKFZ erhältlich ist.

Rauchstopp – wie funktioniert es wirklich?

Die meisten Raucher versuchen den Rauchstopp zunächst ohne Hilfe, dabei kann professionelle Unterstützung – beispielsweise durch eine qualifizierte Beratung in der Apotheke – den Erfolg deutlich erhöhen. Wirksame Entwöhnungskurse vor Ort sind unter „www.anbieter-raucherberatung.de“ zu finden. Auch gibt es das eintägige psychologische Nichtraucher-Seminar „Glücklicher Nichtraucher“, das bundesweit in verschiedenen Städten angeboten und von Krankenkassen bezuschusst wird. Darüber hinaus bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine Telefonberatung zur „Raucherentwöhnung“ an (www.bzga.de/service/infotelefone/rauchentwoehnung). Weiterhin gibt es bei der Bundesinitiative „Rauchfrei leben“ für Rauchstopp-Interessierte unter „www.nutzedeinechance.de“ verschiedene Angebote zum Aufhören sowie einen „finanziellen Ersparnisrechner“ als zusätzliche Motivationshilfe.

Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Rauchstopp ist zunächst der starke Wille, möglichst bald von der häufig langjährigen Sucht loszukommen. Ergänzend dazu kann eine Nikotinersatztherapie von Ärzten oder Apothekern empfohlen werden, um die Entzugserscheinungen zu lindern, die durch das plötzliche Absetzen des gewohnten Konsums von Tabak­erzeugnissen auftreten können. Dazu zählen Schlafstörungen, Unruhe, Reizbarkeit, Heißhunger oder Konzentrationsprobleme. Entsprechend der aktuellen AWMF S3-Leitlinie „Rauchen und Tabak­abhängigkeit“ können Nikotinpflaster, -kaugummis oder -sprays dabei helfen, wenn Raucher ihren Tabakkonsum reduzieren möchten. Die Dosis muss in Abhängigkeit des entsprechenden Bedarfs des Rauchers gewählt werden – also je nach Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten. Bei bis zu 15 Zigaretten pro Tag können Nikotin­kaugummis (mit 2 mg oder 4 mg Wirkstärke) sinnvoll sein. Der Nikotineffekt ist beim Kauen relativ schnell spürbar. Bei starken Rauchern hingegen ist eine Kombina­tion aus Pflastern mit oralen Darreichungsformen empfehlenswert.

Um die plötzliche Lust auf eine Zigarette zu überwinden, helfen vor allem Ablenkung mit anderen Tätigkeiten oder Ausweichen auf möglichst gesunde und griffbereite Alternativen (frisches Obst, Nüsse, Lutschpastillen oder Kaugummis). Auch sollte alles, was irgendwie ans Rauchen erinnert, entfernt und die gewohnten „Rauchpausen“ gezielt anders verplant werden, beispielsweise mit einem kurzen Spaziergang oder einem Kaffee mit Kollegen oder Freunden. Zudem kann das eingesparte Geld als weitere Motivationshilfe beispielsweise für einen Wochenendtrip oder eine Wunschanschaffung extra zur Seite gelegt werden.

E-Zigaretten – keine überzeugende Lösung

E-Zigaretten gibt es mit und ohne Nikotin. Diese sehr umstrittenen Konsumprodukte wandeln über einen Heizwedel Flüssigkeiten („Liquids“) in inhalierbaren Dampf um. Anhänger der „Tobacco Harm Reduction“-Strategie befürworten ihr Potenzial als Tabakentwöhnungsmittel. Im Empfehlungspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) heißt es allerdings, E-Zigaretten seien ungeeignet für einen erfolgreichen Rauchstopp. Lungenspezialisten sind sich einig, dass die entzündungsfördernden und toxischen Substanzen sowie die Aromen bei der Inhalation von E-Zigaretten einen fortlaufenden Schaden an den Bronchien und am Lungengewebe anrichten. Besonders anfällig seien dafür ausstiegswillige Raucher, die an Asthma oder der chronischen Lungen­erkrankung COPD leiden. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass E-Zigaretten krebsfördernd sind und eine schädigende Wirkung auf die Lunge und das Herz-Kreislauf-System haben. Problematisch ist zudem, dass etwa 60 bis 80 Prozent der Umsteiger von der normalen Tabak- auf die E-Zigarette nebenher weiterhin Tabakprodukte konsumieren, was ein zusätzliches Gesundheitsrisiko darstellt. Der Großteil der tabakkonsumierenden E-Zigaretten-Nutzer möchte den Tabak- und Nikotinkonsum beenden, schafft es aber nicht.

„Save (y)our future“

„Save (y)our future“ lautet das Motto des diesjährigen Weltnichtrauchertages am 31. Mai 2022. Dieser eindringliche Aufruf rückt dabei sowohl die individuelle als auch die kollektive Gesundheit in den Fokus: Denn Tabakprodukte stellen nicht nur für den Konsumenten ein hohes Gesundheits­risiko dar, sondern sie schädigen vom Anbau bis zur Zigaretten­kippe auch massiv die Umwelt und das Klima. Beides wirkt sich lokal und global ebenfalls negativ auf die Gesundheit von Menschen aus. Ein Grund mehr, mit dem Rauchen aufzuhören oder weiterhin rauchfrei zu leben. Zigarettenkippen sind Plastikmüll und gehören weltweit zu den häufigsten Müllobjekten – sie finden sich in Städten, aber auch in der freien Natur. Geschätzte 75 Prozent der gerauchten Zigaretten werden achtlos weggeworfen – mit immensen Folgen für die Umwelt.

Nur durch eine verbindliche, ressortübergreifende Tabakkontrollstrategie ist das von der EU-Kommission ausgegebene Ziel erreichbar, wonach bis 2040 weniger als fünf Prozent der Erwachsenen Tabak konsumieren sollen. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen gibt es bei Prävention und Kontrollpolitik noch viel zu tun. Die bisherigen Maßnahmen – wie beispielsweise eine Tabak­steuererhöhung oder Tabakwerbeverbote – hätten zwar zu einem Rückgang des Zigarettenrauchens geführt, der reiche aber längst nicht aus. Laut Informationen des Deutschen Krebsforschungszen­trums generieren die zahlreichen durch das Rauchen verursachten Krankheits- und Todesfälle dem Gesundheitswesen und der Volkswirtschaft jährlich etwa 97 Milliarden Euro Kosten, die es gilt, mit effektiven Präventions- oder Rauchstopp-Angeboten zu reduzieren. Auch Apotheker können dazu beitragen, auf die individuellen und gesamtgesellschaftlichen Gefahren des Rauchens hinzuweisen. |

Apothekerin Dr. Irina Treede, Heidelberg

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