Gesundheitspolitik

Historische Bedeutung

Bei Dienstleistungen dürfen Apotheken erstmals selbsttätig eine GKV-Leistung auslösen

eda | Seit Kurzem steht fest: Apotheker dürfen pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und durchführen, nachdem sie einen entsprechenden Bedarf bei den Patienten erkannt haben. Das ist ein Meilenstein im deutschen Gesundheitswesen, galt doch bislang, dass fast ausschließlich die Ärzte Leistungen zulasten der Krankenkassen auslösen.

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening brachte bei der Kammerversammlung in Nordrhein am vergangenen Mittwoch die Freude und Erleichterung über das positive Votum der Schiedsstelle zu den Dienstleistungen immer wieder zum Ausdruck. Jahrzehntelang hatte man die Dienstleistungen vorbereitet und bereits in regionalen Projekten testweise umgesetzt. Dass Medikations­analysen und Patientenbetreuung Mehrwerte und Lebensqualität schaffen, davon war man im Berufsstand seit Langem überzeugt.

Diese „apothekerliche Wirklichkeit“ galt es in den vergangenen Monaten in eine „politische Wirksamkeit“ umzuwandeln. Mit Erfolg: Overwiening sieht für die Apotheker nun eine wichtige Tür einen Spalt breit offen stehen. Als einen „Quantensprung“ bezeich­nete die ABDA-Präsidentin wiederholt den Umstand, dass die Apotheken selbsttätig den Bedarf bei den Patienten erkennen und die Dienstleistung umgehend auslösen dürfen. Dass viele Apotheken über akute Personalprobleme verfügen, dass für manche Dienstleistungen spezielle Qualifikationen vorhanden sein müssen und dass mitunter auch die Honorierung kritisiert wird, dafür zeigte Overwiening Verständnis. Von den Apotheken erwartet sie trotzdem, dass sie sich in diesem neuen Feld engagieren. Trotz aller Herausforderungen und Unwägbarkeiten habe die Kollegenschaft doch schon während der Corona-Pandemie bewiesen, welche Kreativität und welchen unternehmerischen Geist im heilberuflichen Sinne sie hervorbringen könne. Diese Einsatzfreude erwartet die ABDA-Präsidentin nun auch bei der Umsetzung der pharmazeutischen Dienstleistungen.

Kritische Nachfrage

Bei den Delegierten sorgte dies für Beifall, doch auch einer kritischen Nachfrage musste sich Gabriele Regina Overwiening aus dem Auditorium stellen. Unmittelbar vorausgegangen war ihr relativ kurzer Exkurs zur anstehenden ABDA-Strukturreform. Die Präsidentin sprach von einer neuen agilen, resilienten sowie schnellen Spitze der Standesvertretung. Man müsse die ABDA zukunftsfähig machen. Entscheidungen müssten heutzu­tage anders getroffen werden. Unerschrocken solle man seine Kräfte bündeln. Und schließlich: „Unterstützen Sie mich auf diesem Weg.“

Ein Delegierter wollte daraufhin wissen, wie diese Vision zur Bekanntmachung der pharmazeutischen Dienstleistungen passt. Bis zum Eingang des schriftlichen Schiedsspruches am vorvergangenen Freitag wurde das Thema in der Berufsöffentlichkeit seit Inkrafttreten des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes praktisch tot­geschwiegen. Über die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband drangen fast keine Informationen nach außen. In der Apothekerschaft wurde spekuliert, welche Dienstleistungen unter welchen Voraussetzungen zukünftig angeboten werden können. Würden alle Apotheken von ihnen profitieren oder nur spezialisierte „große“ Betriebe? Erst Ende vorvergangener Woche begann die ABDA über die eigenen Medien mit der Information der Kammern und Verbände. Direkt am darauffolgenden Dienstag fand eine mehrstündige Kickoff-Veranstaltung statt, bei der die ehrenamtlichen Vorstände sowie die hauptamtlichen Mitarbeiter der Mitgliedsorganisationen unterrichtet wurden. Zugleich bestand bereits seit vorvergangenem Freitag die Ansage, dass alle Apotheker bei Fragen ihre Kammern oder Verbände kontaktieren sollten.

Foto: AKNR/Fassbender

ABDA-Präsidentin Overwiening verteidigt „Totschweigen“ des Themas Dienstleistungen.

„Der GKV-Spitzenverband spielte auf Zeit“

„Ist das so in Ihrem Sinne gelaufen, Frau Präsidentin?“, wollte der Delegierte wissen. Overwiening versuchte zu erklären: Man hätte mit den Informationen zu keinem früheren Zeitpunkt nach draußen gehen können. Der GKV-Spitzenverband spielte während den Verhandlungen auf Zeit. Jegliche Diskussionen in den Kammern und Verbänden, von denen die Kassen erfahren, hätten das Verfahren torpedieren können. Dies hätte nicht zur Stärkung des Deutschen Apothekerverbands beigetragen. „Der Prozess lag nicht bei uns“, so Overwiening. Also musste man sich wenigstens darum mühen, die Deutungshoheit zu behalten. Unter anderen Voraussetzungen, so ließ die ABDA-Präsidentin schließlich durchblicken, hätte man womöglich anders entschieden. |

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