Wirtschaft

Zwischen Sondereffekten und Sparplänen

Weshalb sich Existenzgründung für Apotheker auch im Jahr 2022 lohnt

DÜSSELDORF (eda) | Die Corona-Pandemie dauert noch an, und doch zeigt sie bereits nach zwei Jahren, welche Bedeutung die Apotheken hatten und haben. Desinfektionsmittelherstellung, Maskenverteilung, Testungen und die Impfstofflogistik trugen nicht nur zur Bewältigung der Pandemie bei, sie führten auch zu einem durchschnittlichen Umsatzplus und besseren Ertrag für die Betriebsstätten. Zugleich drohen nun erste Spargesetze, um die Belastungen für die GKV abzumildern. Diese treffen auch die Apotheken. Weshalb es in diesen turbulenten Zeiten trotzdem Sinn ergibt und sich lohnt, über die Eröffnung einer eigenen Apotheke nachzudenken, thematisierte der Existenz­gründertag vergangene Woche in Düsseldorf.

„Sie stehen heute im Mittelpunkt, und das mit Recht!“ Mit diesen Worten begann Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, seine Begrüßung der rund 70 Teilnehmer des diesjährigen Existenzgründertags in Düsseldorf. Neben Preis war auch Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, zum Auftakt der Veranstaltung anwesend. Außerdem be­kräftigten Vertreter der Steuer­beratungsgesellschaft Treuhand Hannover, der Deutschen Apotheker- und Ärztebank sowie des Apothekenrechenzentrums ARZ Haan, dass sich die Niederlassung für Apotheker nach wie vor lohne, denn wo man Risiken fürchtet, würden sich auch meist gute Chancen finden.

Foto: AVNR/Alois Müller

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, machte sich vor 30 Jahren selbstständig – und würde es auch heute wieder tun.

Aktuelle Herausforderungen und Chancen

Preis zeigte auf, dass nur wenige Bürger tatsächlich ihr „eigener Chef“ sein wollen. Einer Umfrage zufolge würden nur 3 Prozent dabei mit „Ja, ganz sicher“ antworten. Nachfolgend diskutierte der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein anhand von möglichen Fragen, wie der Weg in die eigene Selbstständigkeit aussehen könnte, ob man ein Unternehmertyp ist und wie man die eigene Niederlassung plant. Preis selbst eröffnete vor 30 Jahren seine Apotheke in Köln, seit wenigen Jahren führt er sie gemeinsam mit seinem Sohn und gestaltet so die allmähliche Übergabe an die jüngere Generation. Der Existenzgründertag, so Preis, biete für alle interessierten Kollegen eine wichtige Informationsquelle. Doch darüber hinaus solle die Veranstaltung vor allem das Forum bieten, mögliche Ansprechpartner kennenzulernen, die alle Existenzgründer weiter auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleiten können. Als Herausforderungen und Chancen zählte Preis das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) mit der Einführung der pharmazeu­tischen Dienstleistungen, die anhaltende Corona-Pandemie, das Impfen in den Apotheken, die Digitalisierung gerade im Hinblick auf das E-Rezept sowie die demografische Entwicklung auf.

Man erwarte eine Zunahme der Alten und Hochbetagten, der Polymedikation und der Pflege – allein diese Parameter würden die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken aufwerten, so Preis. Würde sich Thomas Preis heutzutage wieder selbstständig machen? Diese Frage beantwortete der Anfang 60-jährige Düsseldorfer, der seit mehr als 20 Jahren standespolitisch aktiv ist, mit einem klaren „Ja“. Freiheit, Unabhängigkeit, Vielfalt seien die Gründe dafür. Zur Kehrseite der Medaille ge­hörten wiederum Druck, Verantwortung und der Zeitaufwand.

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Von Syrien ins Oberbergische: Tawfik Hallak erhielt 2019 die deutsche Approbation und hat im März 2022 eine Apotheke in Gummersbach gekauft.

Approbation 2019, selbstständig seit 2022

Von seinem bemerkenswerten Lebensweg erzählte Apotheker Tawfik Hallak. Der 29-jährige gebürtige Syrer machte seinen Abschluss noch in seinem Heimatland, bevor er 2016 nach Deutschland kam. Für ihn war von Anfang an klar, dass er weiterhin in seinem Beruf tätig sein wollte – auch wenn es sprachliche und kulturelle Herausforderungen zu meistern gab. Er bereitete sich auf die An­erkennungsprüfungen vor und bekam 2019 die deutsche Approbation übergeben. Danach arbeitete er in den verschiedensten Städten und Apothekentypen. Sein Weg führte ihn nicht nur durch Nordrhein-Westfalen, sondern auch bis nach Hamburg und nach Berlin. Als Vertretungsapotheker sammelte er zuletzt Führungserfahrungen. Eine Apotheke im länd­lichen Raum sollte es sein, diesen Entschluss fasste Hallak in dieser Zeit. Neben der emotionalen Entscheidung musste er auch ein geeignetes Objekt finden. Zusammen mit Silke Wolff von der Steuer­beratungsgesellschaft Treuhand Hannover analysierte er mehrere Apotheken, die zum Kauf standen. Seine Wahl fiel schließlich auf die Brunnen-Apotheke im oberbergischen Gummmersbach, die er im März 2022 von seinem 80-jährigen Vorgänger übernommen hat. Die Herausforderungen hätten dadurch nicht geendet, sondern andere wären entstanden. Doch den Schritt in die Selbstständigkeit bereut er nicht. Im Gegenteil: Aktuell baut Tawfik Hallak sein Angebot honorierter pharmazeu­tischer Dienstleistungen auf.

Finanzielles Polster aufbauen

Existenzgründungen haben oftmals gemeinsam, dass die jeweiligen Apotheker über nur wenige oder gar keine signifikanten finanziellen Mittel verfügen. Diese seien auch nicht unbedingt notwendig, betonte Jörg Hübler von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Gerade für die Übernahme von Einzelapotheken beispielsweise in einer Größenordnung von einer halben Million Euro könnte die Tilgung durch Fremdmittel, also durch ein Dar­lehen der Bank, erfolgen. Sollten in den nächsten Jahren immer mehr Filialapothekenverbünde übergeben werden – im Durchschnitt wurden 2020 für 2,2 Apotheken rund 1,5 Millionen Euro gezahlt –, seien Mehrpersonen­gesellschaften in Form einer OHG eine Option. Vorteile bei der Finanzierung bietet auch die (maximale) Senkung der Steuerlast. So führen höher laufende Schuldzinsen zu höheren Betriebsausgaben.

Vorteile könnten auch aus Zins­differenzgeschäften gezogen werden. Wenn sich Apotheker in den nächsten Monaten noch für eine Selbstständigkeit entscheiden, könne man noch von niedrigeren Zinsen profitieren. Für Ende Juli hat die Europäische Zentralbank (EZB) bereits angekündigt, den Leitzins auf 0,25 Prozent anheben zu wollen.

Foto: AVNR/Alois Müller

Steuerberaterin Susanne Wiciok von der Treuhand Hannover hält es für wichtig, Steuerbelastungen zu verschieben und von den Zinsen zu profitieren.

Susanne Wiciok, Steuerberaterin der Treuhand Hannover, präsentierte ausführlich, wie sich finanzielle Vorteile durch die Festlegung des Apothekenwirtschaftsjahres ergeben können. Bei einer Betriebseröffnung am 1. Juli 2022 und einem Wirtschaftsjahr, das gleichzeitig mit dem Kalenderjahr endet, würde die Einkommensteuer-Nachzahlung für 2022 bereits im Zeitraum zwischen Herbst/Winter 2023 bis spätestens im Sommer 2024 geleistet werden müssen.

Definiert man das Wirtschaftsjahr dagegen tatsächlich als ein ganzes Jahr, also bis zum 30. Juni 2023, dann würden die Nachzahlungen erst im Zeitraum zwischen Herbst 2024 und spätestens im Frühjahr/Sommer 2025 fällig werden. Die Zeiträume ergeben sich aus der jeweiligen Abgabe der Steuererklärung, die mit Unterstützung eines Steuerberaters auch später erfolgen darf.

Durch das abweichende Wirtschaftsjahr, so Wiciok, können Existenzgründer die Steuerpause nutzen, um sich ein Liquiditätspolster aufzubauen. Die verscho­bene Steuerbelastung führe darüber hinaus zu einer Ersparnis in Höhe der Zinsen. |

Zum neunten Mal veranstalteten Apothekerverband und -kammer Nordrhein zusammen mit der Apotheker- und Ärztebank (Apobank), der Steuer­beratungsgesellschaft Treuhand Hannover und dem Rezeptabrechner ARZ Service GmbH dieses Jahr den Informationstag „Erfolgreich in die Selbstständigkeit starten“. Rund 70 Apothekerinnen und Apotheker informierten sich am 21. Juni in Düsseldorf da­rüber, was beim Schritt in die Selbstständigkeit zu beachten ist.

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