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Gesundheitspolitik
Digitale Hilfe für die AMTS
Barmer will Modellprojekte in die Routineversorgung bringen
Der am vergangenen Mittwoch vorgestellte Barmer-Arzneimittelreport mit dem Untertitel „Arzneimitteltherapie 2025. Sicher. Digital.“ macht deutlich, wie komplex Arzneimitteltherapien mittlerweile sind. Erstmals wurden Arzneimittelverordnungen über eine ganze Dekade analysiert – und zwar die von Versicherten ab 40 Jahren. Das bringt interessante Durchschnittswerte zutage: So hat ein solcher Versicherter innerhalb von zehn Jahren 21 Ärzte aufgesucht und 37 Diagnosen bekommen. Er hat im Schnitt 76 Rezepte erhalten, die bei sechs Apotheken eingelöst wurden. Dabei wurden 20 verschiedene Wirkstoffe und 113 Arzneimittelpackungen verordnet. Mit zunehmendem Alter steigt auch die Zahl der durchschnittlich verordneten Wirkstoffe – bei den Ab-80-Jährigen sind es bereits 27.
Die drei Projekte der Barmer
Vor diesem Hintergrund hält Barmer-Chef Christoph Straub eine digitale Unterstützung in der Arzneimitteltherapie für unabdingbar. Sonst sei es Ärzten und Apothekern kaum möglich, den Überblick zu behalten und Risiken einzuschätzen. Straub ist überzeugt, dass digitale Hilfe die Behandlung effizienter und sicherer macht – und zwar mit einem Konzept, das auf drei von der Barmer initiierten Innovationsfonds-Projekten basiert: AdAM, TOP und eRIKA.
Bei AdAM („Anwendung für ein digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management“) geht es um das Medikationsmanagement von Patienten mit Polypharmazie. In dem Projekt mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, das von Juli 2017 bis Juni 2021 lief, haben rund 940 Hausärzte mehr als 11.000 Patienten betreut – Apotheken waren nicht eingebunden. Mit Einverständnis der Patienten wurden hier Hausarztpraxen digital mit vollständigen Informationen zur Vorgeschichte versorgt, die aus Routinedaten der Krankenkasse stammen. So wurden die Ärzte vollständig über Vorerkrankungen und Arzneimittel informiert. Zusätzlich gab es Hinweise auf vermeidbare Risiken der Therapie – etwa Wechselwirkungen. Die unabhängige Evaluation des Projektes habe gezeigt, dass AdAM das Risiko zu versterben signifikant gesenkt habe, erklärte Straub. Bei flächendeckender Anwendung durch die niedergelassenen Ärzte könne AdAM jährlich 65.000 bis 70.000 Todesfälle bundesweit vermeiden.
TOP und eRIKA: Apotheker an Bord
Mit TOP wurde dann der AdAM-Ansatz auf die stationäre und die sektorenübergreifende Arzneimitteltherapie übertragen. Denn gerade bei Notfallpatienten im Krankenhaus fehlen häufig behandlungsrelevante Informationen. Und diese liefert auch TOP aus Abrechnungsdaten der Krankenkasse. Dies erspare dem Krankenhaus den zeitaufwendigen – im Durchschnitt 22 Minuten pro Patient erfordernden – Prozess des Recherchierens, erläuterte Professor Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken und Autor des Barmer-Arzneimittelreports. Bei TOP setzt man auch auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Krankenhausapothekern und den behandelnden Ärzten. Sie bekommen ebenfalls die von der Barmer gespeicherten Abrechnungsdaten zur Verfügung gestellt.
Mit dem Anfang Oktober gestarteten Projekt eRIKA ergänzt die Barmer nun die beiden Projekte AdAM und TOP. Ziel ist, mithilfe des E-Rezepts die Arzneimitteltherapiesicherheit kontinuierlich zu gewährleisten. Das E-Rezept und die bei der Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke entstehenden Daten werden dafür für eine zentrale elektronische Dokumentation der Arzneimitteltherapie genutzt. „Jeder Patient, dem ein Arzneimittel verordnet wird, hat immer einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan, und das ohne Zusatzaufwand für Ärzte, Apotheker oder Patienten“, so Grandt. Eine manuelle Dokumentation der Medikation ist laut Report auch gar nicht zu schaffen – und darüber hinaus fehleranfällig. Nach einer Hochrechnung würde es 3,7 Millionen ärztliche Arbeitsstunden pro Jahr erfordern, um für alle GKV-Versicherten die verordneten Arzneimittel in einer elektronischen Patientenakte zu erfassen.
Gesamtüberblick möglich
Ausdrücklich setzt die Barmer jetzt also auf die bei AdAM noch vermisste Zusammenarbeit mit Apothekern. Grandt betonte in diesem Zusammenhang, dass eine effektive pharmazeutische Beratung nur dann möglich sei, wenn der Apotheker die Gesamtmedikation kenne. Bedenke man, dass gerade auch Patienten mit komplexer Medikation ihre Arzneien in mehreren Apotheken erhielten, sei das nicht so einfach. Mit eRIKA werde der Apotheke jedoch tatsächlich ein Gesamtüberblick ermöglicht. „Damit schaffen wir die Voraussetzung, dass der Apotheker seine pharmazeutische Expertise sinnstiftend anwenden kann“, so Grandt.
Straub erhofft sich nun, dass alle drei Projekte in die Regelversorgung gelangen. Aus seiner Sicht ist dies auch zeitnah möglich – wenn zuvor noch einige Voraussetzungen geschaffen werden. |
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