Gesundheitspolitik

Botendiensthonorar: Barmer spricht von „Zielverfehlung“

Krankenkasse zweifelt an Kontaktvermeidungsinstrument

gbg/eda | Seit Einführung der Botendienstpauschale im Mai 2020 liegt die Quote der Arzneimittel, die zulasten der Barmer über den Botendienst ausgeliefert wurden, recht konstant bei etwa 7 Prozent – deutlich weniger als vom Bundesgesundheitsministerium ursprünglich erwartet. In einem jetzt veröffentlichten Analysepapier deutet daher die Kasse: Als Kontaktvermeidungsinstrument hat das Botendiensthonorar sein Ziel verfehlt.

Während die Vergütung des Botendienstes ursprünglich in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung mit 5 Euro netto veranschlagt wurde, hat der Gesetzgeber sie Ende des Jahres 2020 mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz dauerhaft fest­geschrieben – allerdings nur in halber Höhe. Seither können Apotheken 2,50 Euro netto über eine Sonder-PZN geltend machen, wenn sie Versicherten ein oder mehrere Arzneimittel nach Hause bringen.

Die Krankenkasse Barmer hat sich angeschaut, wie sich die Botendienstquote in den ersten zwei Jahren nach Einführung dieser Vergütung entwickelt hat. Ursprünglich war der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass die Apotheken rund 20 Prozent der Arzneimittel an die Ver­sicherten liefern werden – diese Marke haben die Betriebe mit einer Botendienstquote von etwa 7 Prozent, die sich aus den Barmer-Zahlen ergibt, deutlich unterschritten. Seit der Absenkung des Botendiensthonorars fallen bei der Kasse der Auswertung zufolge monatlich Kosten in Höhe von etwa 1 Million Euro an, also rund 12 Millionen Euro im Jahr. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 gab die Barmer insgesamt knapp 36,8 Milliarden Euro aus – davon entfielen gut 1,43 Milliarden Euro allein auf die Verwaltung.

Dennoch arbeitet sich die Barmer an diesem vergleichsweise kleinen Posten ab, der sogar noch deutlich kleiner ausfällt als erwartet. Für die Analyse schauten sich die Autoren zum Beispiel an, wie häufig die Apotheken die entsprechende Sonder-PZN auf die Rezepte aufgetragen haben und welche Distanzen bis zum Wohnort der Versicherten sie überwinden mussten. Die monatliche Zahl der Botendienste, die Apotheken zulasten der Barmer abgerechnet haben, schwankt im Zeitraum Mai 2020 bis April 2022 zwischen 311.000 (niedrigster Wert im August 2020) und 403.000 (höchster Wert im März 2021). Dabei fallen starke regionale Unterschiede auf: „Bereits in den ersten Monaten nach der Einführung hatte das Saarland gefolgt von Rheinland-Pfalz die höchste Quote“, schreiben die Autoren der Analyse. Dort registrierte die Kasse einen Botendienstanteil in Höhe von 9,4 Prozent (Saarland) beziehungsweise 8,8 Prozent (Rheinland-Pfalz). Allerdings, betont die Barmer, lasse sich anhand der gebräuchlichen Gliederung nach Bundesländern keine Erkenntnis darüber gewinnen, welchen Einfluss die jeweilige Wohnsituation – städtisch oder ländlich – auf die Nutzung des Botendiensts hat. Der Anteil der mittels Botendienst ausgelieferten Arzneimittel steige dagegen erwartungsgemäß mit dem Lebensalter der Versicherten an, stellt die Barmer fest. „Allerdings wird der bundesweite Durchschnitt von 6,9 Prozent auch bei den hochbetagten Versicherten nur um zwei Prozentpunkte überschritten. Angesichts der vermutlich eingeschränkten Mobilität und des erhöhten Risikos einer Ansteckung dieses Personenkreises erscheint diese Quote als sehr gering.“ Die Schlussfolgerung der Kasse: „Offenbar ist die Nachfrage nach bzw. der Bedarf an Leistungen des Botendienstes durch Apotheken auch bei hochbetagten Personen nicht ausgeprägt.“

Botendienst als Ausnahme

Die Analyseergebnisse zeigten zudem, dass die Morbidität der Belieferten etwas höher ist als die durchschnittliche Morbidität der Arzneimittelpatientinnen und -patienten in der jeweiligen Altersgruppe. Die Lieferung von Arzneimitteln per Botendienst aus Apotheken bilde immer noch eine Ausnahme in der Versorgung, fassen die Autoren zusammen – und das in jeder Altersgruppe der Versicherten. „So lässt sich die Frage stellen, ob der bei der Einführung dieser Leistung im Mittelpunkt stehende Schutz besonders vul­nerabler Patientengruppen vor vermeidbaren Kontakten erreicht wurde.“ Patientinnen und Patienten ab einem Alter von 80 Jahren werden demnach lediglich zu 9 Prozent über den Botendienst versorgt. Dabei blenden die Autoren aus, dass im Änderungsantrag, mit dem Union und SPD seinerzeit das Botendiensthonorar in das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz einschleusten, die damaligen Regierungspartner ihr Ansinnen definierten: Um den Patientinnen und Patienten diese wichtige und schnelle Versorgungsmöglichkeit zu erhalten und dort, wo noch nicht gegeben, zur Ver­fügung zu stellen, benötige der Botendienst eine wirtschaftliche Basis, die gleichzeitig dazu bei­trage, die Präsenzapotheken in der Fläche zu erhalten, heißt es. Dort seien sie besonders wichtig, weil häufig auch Ärzte fehlten und die Apotheken in Gesundheitsfragen oft sehr wichtige Ansprechpartner für die Menschen seien. |

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