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Viele Vorteile und etwas Nachbesserungsbedarf
Apotheker Ralf König hat gemeinsam mit einem Arzt das E-Rezept getestet – ein Erfahrungsbericht
Königs Partner auf ärztlicher Seite ist der Hausarzt Dr. Nicolas Kahl aus Nürnberg Fischbach. Eine Anmeldung zur Testphase bei der Gematik sei übrigens nicht nötig, um jetzt schon E-Rezepte zu beliefern, betont König. Praxen und Apotheken könnten dies ohnehin nicht selbst tun – das sei Sache der Softwareanbieter.
Erst mal schauen, ob es funktioniert
Zuerst entschieden sich Kahl und König dafür, E-Rezepte für Patienten auszustellen, die von der Apotheke per Botendienst beliefert werden. Dann weiteten sie die E-Rezept-Erprobung zum Beispiel auf ihre Angehörigen aus. „Wir wollten erst mal schauen, ob es wirklich funktioniert“, erklärt König. Daher probierten sie gleich am ersten Tag alle möglichen Varianten der Übertragung von der Praxis in die Offizin aus – vom Ausdruck über den TI-Fachdienst Kommunikation im Medizinwesen (KIM) bis hin zur Gematik-App.
Besonders überzeugt ist König von der Anwendung seines Softwareherstellers Pharmatechnik. „Wenn der Kunde den Token abfotografiert, ist er direkt mit seiner Kundendatei bei mir im System verbunden“, erklärt er. „So kann er über mein System sein E-Rezept auf dem Smartphone auslesen und sieht nicht nur den Token, sondern kann erkennen, welche Medikamente er genau verordnet bekommen hat. Er sieht sogar, welches Präparat ich gemäß Rabattvertrag abgeben muss und ob ich es vorrätig habe. Das kommt sehr gut an bei den Kunden.“
Gematik-App läuft „überraschend schnell“
Doch auch die Gematik-App werde von den Versicherten gut angenommen. „Wir sind alle überrascht, wie schnell sie läuft“, erzählt König. „TI gleich langsam“ – diese Befürchtung einiger Kolleginnen und Kollegen bestätige sich im Praxistest definitiv nicht. Über die App gelange das E-Rezept in Sekundenschnelle aus dem Praxisverwaltungssystem des Arztes ins Smartphone des Versicherten und von hier aus in das Warenwirtschaftssystem der Apotheke. „Es landet genau dort, wo auch die Bestellungen ankommen, die mich über kommerzielle Portale erreichen.“ Doppelklick, bearbeiten, fertig.
Das Auslesen des ausgedruckten Tokens bringe ebenfalls einen wesentlichen Vorteil im Vergleich zum Scan eines rosa Rezepts: „Ich muss nicht mehr abgleichen, ob der Scanner das Rezept richtig ausgelesen hat“, sagt König. „Es ist sofort und sicher der richtige Datensatz im System.“ Zudem entfalle die zeitraubende Nachkontrolle der Rezepte, denn formal falsch ausgestellte elektronische Verordnungen seien nicht möglich. „Das ist wirklich eine spürbare Entlastung für die Mitarbeiter.“ Nur Änderungen am Rezept, zum Beispiel beim Aufbringen von Sonder-PZN, muss am Abend ein Approbierter mit seinem Heilberufsausweis freigeben. Für das Beliefern eines E-Rezepts ohne Änderung reicht die automatische Signatur per Institutionskarte (SMC-B).
Und noch etwas spricht für den Ausdruck: „Er ist wichtig für diejenigen Kunden, die sich mit der Digitalisierung schwertun. Sie bekommen weiterhin beim Arzt ihren Zettel in die Hand, das müssen und sollten wir ihnen nicht wegnehmen.“ Für diese Gruppe könnte nach Königs Einschätzung auch der Abruf über die elektronische Gesundheitskarte eine Alternative sein. „Ich hoffe, dass diese Möglichkeit bald geschaffen wird.“
Gematik muss bei Statusanzeige in der App nachbessern
Ist das E-Rezept beliefert, wird es per Klick abgeschlossen und landet in derselben virtuellen Rezeptbox wie die gescannten Verordnungen. „Bei uns ist das System so eingestellt, dass es am Tag nach der Belieferung jeweils um 14 Uhr die Datensätze hochlädt und wir bekommen eine Quittung dafür“, erklärt König. „Das funktioniert ganz automatisch, man muss überhaupt nichts dafür tun.“ An dieser Stelle ergibt sich allerdings Nachbesserungsbedarf bei der Gematik-App: Denn bis die Apotheke den Dispensierdatensatz hochgeladen hat, wird dem Kunden das Rezept in der App noch als offen angezeigt, kann aber nicht noch einmal beliefert werden. Erst nach dem Upload ist der korrekte Status sichtbar. „Aber das wird die Gematik sicher sehr schnell beheben“, ist König zuversichtlich.
Auch der Hausarzt ist vom E-Rezept überzeugt
Und was bedeutet die Umstellung auf das E-Rezept für die Arztpraxis? Jedenfalls nicht die befürchtete Blockade, betont König. Zwar musste der Softwareanbieter medatixx zum Beispiel bei den Druckereinstellungen ein wenig nachjustieren und auch beim Patientengespräch sollte der Arzt sich darauf einstellen, dass der Signaturvorgang für das E-Rezept zehn bis zwölf Sekunden dauert. Ein Vorteil wiederum sei, dass er Leerlaufzeiten im Behandlungsablauf für das Abzeichnen von vorbereiteten Verordnungen nutzen könne, etwa während der Patient den Oberkörper frei macht. Diese würden nach der Kontrolle mittels der Komfortsignatur auf einen Rutsch signiert. Für Hausarzt Kahl sei das Konzept so überzeugend, dass er mittlerweile so viele E-Rezepte wie möglich ausstelle, sagt König.
Möglichst viele Arzt- und Apothekensoftware-Paare testen
Doch wie auch in der Apotheke stehe und falle der Nutzen, den die elektronischen Verordnungen mit sich bringen können, mit der Qualität der Umsetzung im jeweiligen Softwaresystem. Und nicht nur das: Um wirklich einen reibungslosen Ablauf von der Ausstellung bis hin zur Abrechnung zu gewährleisten, ist es aus Königs Sicht unausweichlich, dass so viele Arzt- und Apothekensoftware-Paare wie möglich im Zusammenspiel erprobt werden. Die Zielmarke von 30.000 abgerechneten E-Rezepten allein sei noch kein Garant dafür, dass letztlich die flächendeckende Versorgung reibungslos gelingt – denn jede mögliche Kombination von Apotheken- und Arztsoftware bringe ihre eigenen kleinen Stolpersteine mit sich. Diese gelte es vor dem großen Rollout zu identifizieren und an den entsprechenden Stellen nachzubessern.
Die kleinen Tücken im Alltag …
Mit medatixx und Pharmatechnik laufe die Zusammenarbeit beim E-Rezept sehr gut, berichtet König. Natürlich habe es anfangs kleinere Probleme gegeben. „Wir haben zum Beispiel beim Eingang eines E-Rezepts über die Gematik-App zunächst nicht gesehen, wenn der Kunde den Botendienst ausgewählt hat.“ Diesbezüglich habe Pharmatechnik aber umgehend reagiert und binnen weniger Tage nachgebessert. Kahl wiederum habe in den zur Signatur vorbereiteten Rezepten die Packungsgrößen nicht sehen können. Doch auch dieser Fehler sei rasch behoben worden.
… und die größeren Baustellen
In der Testphase fallen König zufolge aber auch grundsätzliche Schwierigkeiten auf. Nach seinem Kenntnisstand haben zum Beispiel viele Apotheken Probleme mit Freitext-Verordnungen, wie sie etwa bei Rezepturen vorkommen können. „Es ist gut, dass so etwas jetzt auffällt, bevor das E-Rezept in die Fläche geht“, meint der Apotheker.
Ein Knackpunkt könnte demnach auch werden, dass in der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband die Angabe der Chargenbezeichnung des abgegebenen Arzneimittels gefordert wird. Diese werde zwar im Normalfall über das Securpharm-System automatisch eingespeist. Technisch sei es aber durchaus möglich, ein E-Rezept in die Abrechnung zu geben, bei dem diese Angabe fehlt, denn in der Gematik-Spezifikation ist sie optional. „An dieser Stelle wird tatsächlich ein neuer Retax-Grund geschaffen“, moniert König. Insbesondere Zytostatika-herstellenden und verblisternden Apotheken könnte das noch auf die Füße fallen.
Darüber hinaus bemängelt der Apotheker, dass das Bundesministerium für Gesundheit das Potenzial des Kommunikationsdienstes KIM für die Apotheken offenbar nicht erkannt habe. Im Gegensatz zu den Ärzten gebe es für die Apotheken keine Förderung – daher hätten es die Apothekensoftwareanbieter bisher auch nicht umgesetzt. Wenn nun ein Arzt ein Rezept direkt an eine Apotheke schicke, was etwa bei der Heimversorgung eine Rolle spielt, könne die Apotheke dieses nicht einfach in die Warenwirtschaft übernehmen. Es sei nötig, zuerst den Token aus der KIM-E-Mail entweder vom Bildschirm abzuscannen oder auszudrucken. „Wenn ich mir überlege, wie viele Rezepte aktuell zwischen Praxen und Apotheken hin- und hergefaxt werden, lässt man da eine große Chance aus“, sagt König. Dennoch: Selbst wenn man das Abscannen vom Bildschirm mit einrechnet, sei die Zeitersparnis im Vergleich zur Belieferung eines Muster-16-Rezepts noch deutlich spürbar.
E-Rezept für Lauterbach „zweitrangig“
Skeptisch sieht König die jüngsten Äußerungen des Bundesgesundheitsministers. Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich im Videointerview mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung deutlich gemacht, dass die Einführung des E-Rezepts für ihn eher zweitrangig ist. Zunächst wolle er Anwendungen in die Fläche bringen, die einen spürbaren Nutzen für Patienten und Ärzte brächten, etwa die elektronische Patientenakte (ePA). „Hier verkennt der Minister, dass wir mit dem E-Rezept erstmals die Möglichkeit bekommen, direkt auf die Dispensierdatensätze zugreifen zu können, die in der ePA hinterlegt werden sollen.“ Wie wertvoll eine strukturierte und vollständige Übersicht über die Medikation eines Patienten ist, erschließt sich wohl jedem Apotheker von selbst. |
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