Pandemie Spezial

Omikron-Variante BA.2 auf dem Vormarsch

Welche Therapien sind noch wirksam?

Die meisten COVID-19-Infektionen werden derzeit durch verschiedene Omikron-Varianten des SARS-CoV-2-Virus hervorgerufen. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, nimmt der Subtyp BA.2 kontinuierlich zu. Da sich die Subtypen der Omikron-Variante unterscheiden, könnte sich dies auch auf die Effektivität eingesetzter Wirkstoffe, ­insbesondere auf die Wirksamkeit ­monoklonaler Antikörper und ­Virustatika, auswirken. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, untersuchte eine japanische ­Arbeitsgruppe.

Der Subtyp BA.2 unterscheidet sich vom SARS-CoV-2-Wildtyp in 16 Amino­säuren. In zwölf der 16 Aminosäuren gleichen sich BA.2 und die originale BA.1-Variante von Omikron. Bei den anderen vier Aminosäuren (S371F, T376A, D405N und R408S) gibt es Unterschiede. Da sich diese Änderungen an der Rezeptor-bindenden Spike-Domäne befinden, kann dies die Wirksamkeit monoklonaler Antikörper beeinflussen. Eine Arbeitsgruppe aus Tokio untersuchte diese Thematik. Im Laborversuch wurden sieben monoklonale Antikörper, drei Kombinationen von zwei monoklonalen Antikörpern und drei antiviral wirksame Mittel auf ihre Wirksamkeit gegen die Omikron-BA.2-Variante geprüft. Dazu wurde die Neutralisationsaktivität mithilfe des 50% Focus Reduction Neutralization Tests (FRNT50) bestimmt. Dabei wird mit dem FRNT50-Wert der Titer monoklonaler Antikörper ermittelt, der erforderlich ist, um eine 50%ige Reduktion an SARS-CoV-2 in Zellkulturen zu erreichen. Je höher der Titer, desto höher die erforderliche Antikörperkonzentration im Serum bzw. umso schwächer wirksam ist die untersuchte Substanz.

Bad news für monoklonale Antikörper

Die Fähigkeit zur Neutralisation der BA.2-Variante war bei den meisten der untersuchten Antikörper eingeschränkt bis gar nicht mehrvorhanden. Dies ist unter anderem dadurch erklärbar, dass die monoklonalen Antikörper speziell gegen den ursprünglichen Virusstamm (Wildtyp; Wuhan/Hu-1/2019) entwickelt wurden. Bereits kleinere Änderungen am Virus können die Effektivität beeinflussen. Eine höhere Wirksamkeit gegen die BA.2-Variante als gegen den ursprünglichen Virusstamm zeigte keiner der untersuchten monoklonalen Antikörper.

  • Eine gewisse Wirksamkeit zeigte Imdevimab (in Deutschland nur in der Kombination mit Casirivimab verfügbar in Ronapreve®). Dieser Antikörper, der keine Aktivität mehr gegen BA.1 und BA.1.1 aufwies, war gegen BA.2 wirksam. Seine neutralisierende Wirkung gegen BA.2 war um den Faktor 22,5 schwächer ausgeprägt als gegen den Wildtyp.
  • Sotrovimab (Xevudy®), das bereits gegen die Varianten BA.1 und BA1.1 schwächer wirksam war als gegen den Wildtyp, war gegen BA.2 noch weniger wirksam. Der FRNT50-Wert war um den Faktor 49,7 höher als bei dem Wildtyp, das heißt, seine neutralisierende Wirksamkeit gegen die Variante BA.2 war rund 50-fach schwächer als gegen den Wildtyp.
  • Etesevimab und Bamlanivimab, jeweils einzeln und in Kombination (bisher in Deutschland nicht zugelassen), verloren ihre Fähigkeit, BA.2 zu neutralisieren.
  • Untersucht wurden auch Kombinationen von monoklonalen Antikörpern, so auch Casirivimab und Imdevimab (Ronapreve®). Auch hier war die Wirksamkeit gegen BA.2 schwächer als gegen das ursprüngliche Virus und weitere Varianten (rund 63-fach schwächer als gegen den Wildtyp). Für die Kombination aus Tixagevimab und Cilgavimab (Evusheld®) wurde der Faktor 4,2 ermittelt. Damit war diese Kombination von den untersuchten Wirkstoffen am besten wirksam gegen die Virusvariante BA.2, allerdings weniger wirksam als gegen den Wildtyp.

Good news für Virustatika

Für die gegen SARS-CoV-2-Infektionen eingesetzten Virustatika wurden bessere Ergebnisse gezeigt. Die Wirksamkeit von Remdesivir (Veklury®), Molnupiravir (Lagevrio®) und Nirmatrelvir (in Deutschland nur in der Kombination mit Ritonavir verfügbar in Paxlovid®) gegen die BA.2-Variante war ähnlich – wenn auch nicht im gänzlich gleichen Umfang – wie die­jenige gegen den ursprünglichen ­Virusstamm und weitere Varianten. Die FRNT50-Werte betrugen für Remdesivir 2,7, für Molnupiravir 1,3 und für Nirmatrelvir 1,9. Allerdings müssen klinische Studien noch zeigen, ob diese Virustatika auch im klinischen Alltag gegen die BA.2-Variante wirksam sind.

Empfehlungen der S3-Leitlinie und des Robert Koch-Instituts

In der aktualisierten S3-Leitlinie „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ werden zur Behandlung ebenfalls monoklonale Antikörper und Virustatika empfohlen, ohne detailliert auf einzelne Virusvarianten einzugehen. Die Verfasser der Leitlinie betonen, dass ihre Angaben aufgrund der kontinuierlichen viralen Evolution und dem Auftreten neuer Mutationen stetigen Anpassungen unterworfen sind. Zirkulierende SARS-CoV-2-Varianten könnten Resistenzen gegenüber verfügbaren monoklonalen Antikörpern und weiteren Wirkstoffen aufweisen. Die Leitlinie verweist weiter auf die aktuellen Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI). Dort heißt es, dass bei der Wahl monoklonaler Antikörper die aktuelle epidemiologische Lage und die Wirksamkeit gegen die einzelnen Virusvarianten zu berücksichtigen seien. Bei Reinfektionen und Infektionen bei Geimpften sei eine Mutationsanalyse zu erwägen. Das Abwarten der Ergebnisse der Mutationsanalyse sollte aber die Therapieeinleitung nicht verzögern. Liegt noch kein Resultat vor, soll die Wahl der Kombinationstherapie anhand der aktuellen epidemiologischen Situation erfolgen. Wenn die Viruslast ein bis zwei Wochen nach der Antikörper­gabe nicht abfällt oder nach vorübergehendem Ansprechen deutlich ansteigt, wird dringend zu einer Sequenzierung geraten.

Tab.: Wirksamkeit monoklonaler Antikörper bei verschiedenen Varianten des SARS-CoV-2-Virus (nach [3, 4])
Antikörper
Virusvariante
Wildtyp
B.1.1.7Alpha
B.1.351Beta
P1 (B.1.1.28.1)Gamma
B.1.617.2Delta
B.1.1.529Omikron
Bamlanivimab*, **
+
+
Etesevimab*, **
+
+
+
Bamlanivimab /Etesebimab**
+
+
+
Casirivimab*
+
+
+
Imdevimab*
+
+
+
+
+
Casirivimab /Imdevimab(Regn-CoV2, Ronapreve®)
+
+
+
+
+
Regdanvimab**
(Regkirona®)
+
+
+
+
+
Sotrovimab
(Xevudy®)
+
+
+
+
+
+
Tixagevimab*(AZD8895)
+
+
+
+
+
±
Cilgavimab*(AZD1061)
+
+
+
+
+
±
Tixagevimab /Cilgavimab(Evusheld®)
+
+
+
+
+
±

* nur in Kombination Bamlanivimab / Etesevimab, Casirivimab / Imdevimab bzw. Tixagevimab / Cilgavimab

* derzeit in Deutschland nicht verfügbar

+ wirksam; – nicht wirksam; ± Datenlage widersprüchlich, Wirksamkeit wahrscheinlich reduziert

Kombination aus zwei monoklonalen Antikörpern

Des Weiteren rät das RKI, bei immunsupprimierten sowie nicht geimpften oder unvollständig geimpften immunkompetenten Patienten eine Kombinationstherapie bzw. Prophylaxe aus zwei monoklonalen Antikörpern einzusetzen, sofern diese gegen die aktuell vorherrschende Virusvariante als wirksam bewertet wird. Eine Monotherapie könne möglicherweise zur unvollständigen Viruselimination ­führen und daher die Entstehung von Escape-Mutationen fördern. Eine Ausnahme ist der monoklonale Antikörper Sotrovimab (Xevudy®), da dieser auch ohne Kombinationspartner bei bekannten Virusvarianten eine ausreichend erhaltene Wirkung aufweist. Die Fachgruppe COVRIIN für Intensivmedizin, Infektiologie und Notfallmedizin am RKI hat Angaben zur Wirksamkeit der neutralisierenden monoklonalen Antikörper zusammengestellt (siehe Tab.). |
 

Literatur

[1] Takashita E et al. Efficacy of Antiviral Agents against the SARS-CoV-2 Omicron Subvariant BA.2. N Engl J Med. 2022 9. doi: 10.1056/NEJMc2201933

[2] Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) (federführend, unter Beteiligung weiterer Fachgesellschaften), Aktualisierung Stand 28. Februar 2022

[3] Möglicher Einsatz der neutralisierenden monoklonalen Antikörper in Abhängigkeit von der diagnostizierten SARS-CoV-2-Virusvariante. Informationen der Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut, Stand 6. Januar 2022 , doi 10.25646/8226.5

[4] Welche monoklonalen Antikörper gegen SARS-CoV-2 stehen zur Verfügung? Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts, Stand 21. Februar 2022

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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