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Apotheke und Markt
Das Mikrobiom im Fokus
Probiotika bei Infektionen, Intoleranzen und mehr
Bei jeder zweiten mit SARS-CoV-2 infizierten Person finden sich die Viren unter anderem auch im Stuhl. Das hängt damit zusammen, dass der virale ACE-Rezeptor im Darm hoch exprimiert wird. Der Kontakt mit den SARS-CoV-2-Viren schädigt die Schleimhautbarriere und verändert das Mikrobiom. Dass dieses über Wochen hinweg geschädigt bleibt, berichtete Prof. Dr. Andre Franke aus Kiel. Infektionsbedingt nehmen die Kommensalen Bacteroidetes und Faecalibacterium ab, während sich opportunistische Clostridien vermehrten. Neben einer intakten Darmbarriere kommt es auch auf die Darmbakterien an, die für die Homöostase im Immunsystem sorgen. So war die Symptomatik bei COVID-19 weniger ausgeprägt, wenn innerhalb der ersten Woche ein Probiotikum mit Lactobacillus rhamnosus (z. B. in Omni-Biotic Pro-Vi 5) gegeben wurde.
Bis zu 90 Prozent aller Immunzellen befinden sich im Gastrointestinaltrakt, sodass die Darmgesundheit für das Immunsystem essenziell ist, sagte auch Dr. Heinz-Jürgen Träger, Arzt für Naturheilverfahren aus Bad Mergentheim. Bei der Virenabwehr setzen die Darmbakterien verschiedene Mechanismen ein: L. rhamnosus und L. reuteri blockieren den viralen ACE-Rezeptor, L. rhamnosus bildet antiviral wirksame Bakteriozine und Bifidobakterium animalis ssp. lactis aktiviert Makrophagen, die die Viren abbauen. Um möglichst viele dieser Ansatzpunkte therapeutisch zu nutzen, werden Multispecies-Präparate eingesetzt. Besonders sinnvoll seien Laktobacilli und Bifidobakterien, denn diese sind bei SARS-CoV-2-positiven Patienten stark dezimiert.
Wundheilung von innen
Wichtig für die Wundheilung sind funktionierende Signale, so Dr. Heinz Gyaky, Bad Tatzmannsdorf, die von der entzündlichen zur proliferativen Phase umschalten. Eine geschädigte Darmbarriere wirke sich daher auch auf die Wundheilung aus – es sei denn, der löchrige Darm werde mit immunkompetenten Bakterien verschlossen. Tatsächlich fehlten bei Patienten mit chronischen Wunden vor allem Bifidobakterien, wie Sequenzierungsuntersuchungen von Stuhlproben ergaben. Verschlechterte sich der Dickdarm-Mucus infolge einer typisch westlichen Ernährung, war eine Behandlung mit Bifidobakterien und Inulin (z. B. in proByom) erfolgreich.
Das Mikrobiom macht die Krankheit
Überaus deutlich ist der Zusammenhang bei einer Lactose- oder Fructose-Intoleranz, berichtete Prof. Dr. Stephan Bischoff, Hohenheim. Die Symptomatik der beiden Intoleranzen ist ähnlich: Blähungen und Abdominalschmerzen. Dagegen hilft eine Mikrobiomtherapie mit der FODMAP-Diät – einfach deswegen, weil die Darmbakterien nicht länger mit Zucker gefüttert werden. Außerdem wurde mit Evidenz gezeigt, dass eine Lactose-Intoleranz mit L. acidophilus behandelt werden kann. Nach vier Wochen reduzierten sich die gastrointestinalen Symptome im Vergleich zu Maltodextrin. Auch Bifidobakterium bifidum und L. rhamnosus plus Vitamin B6veränderten nach 30 Tagen das Mikrobiom, reduzierten Blähungen und verbesserten die Obstipation, jeweils im Vergleich zu Placebo. Hier wiesen Mikrobiomuntersuchungen auf eine Anreicherung von Arten hin, die Lactose verstoffwechseln, beispielsweise Bifidobakterien. Wie die neue Leitlinie* zeigt, eignen sich Probiotika auch zur ergänzenden Behandlung des Reizdarmsyndroms. Die Wahl des probiotischen Stammes kann nach der Symptomatik erfolgen, entsprechend einer Liste von Species, die beim Reizdarmsyndrom positiv getestet wurden. Darunter sind auch Multi-Species-Produkte.
Quelle
8. Deutsche Mikrobiomtage der Deutschen Gesellschaft für Probiotische Medizin, 25. – 26.02.2022, Berlin und als Livestream
*Layer P et al. Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom. Z Gastroenterol 2021;59:1323-1425
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