Wirtschaft

Wie auf die Inflation reagieren?

Einflussmöglichkeiten der Apotheken und ihre Grenzen

Foto: janvier/AdobeStock
tmb | Die Inflation ist zum großen Thema geworden – auch für die Apotheken. Derzeit stehen die Energiekosten und darunter besonders die Kraftstoffpreise im Mittelpunkt. Als Folge werden bald weitere Kostenarten betroffen sein. Die Kostenseite bietet nur wenige Einflussmöglichkeiten für Apotheken, aber jede Maßnahme zählt. Wenn das nicht reicht, bleiben auch für Apotheken nur höhere Preise für frei kalkulierbare Waren. Das muss kein Tabu sein, denn die Wettbewerber stehen vor ähnlichen Problemen.

Derzeit gibt es den größten Kosten­anstieg bei den fossilen Kraftstoffen. Das betrifft Apotheken auf zwei Seiten, in der Warenbeschaffung bei den Großhandelslieferungen und auf der „Ausgangsseite“ beim Botendienst. Die Reaktionsmöglichkeiten sind auf beiden Seiten unterschiedlich.

Großhandelsgebühr als Anlass

Bei der Belieferung ist vordergründig der Großhandel betroffen. Dieser gibt seine erhöhten Kosten derzeit verstärkt an die Apotheken weiter, weil die kompensierbare Größenordnung offenbar überschritten ist. Die Mitteilung des Großhandels über erhöhte oder neue Liefergebühren kann der entscheidende Anlass sein, sich jetzt mit diesem Thema zu beschäftigen. Doch die Struktur dieser zusätzlichen Kosten hängt nicht von der Kosten­entstehung im technischen Sinn ab, sondern von der kaufmännischen Entscheidung des Großhandels, wie die Kosten weitergegeben werden.

Varianten der Liefergebühr – und die Folgen

Bei einer pauschalen Liefergebühr pro Monat hat die Apotheke fast keine Wahl. Sie kann allenfalls mit dem Großhandel über eine andere Gebührenstruktur verhandeln, die möglicherweise besser zur eigenen Situation passt. Einen marktwirtschaftlich sinnvollen Steuerungseffekt hat eine Pauschale nicht.

Wenn der Großhandel eine gestaffelte Gebühr je nach Zahl der Lieferungen pro Tag erhebt, steht die Apotheke vor der Frage, ob eine Tour pro Tag eingespart werden kann. Der Lagerbestand von einzelnen Arzneimitteln – auch von Schnelldrehern – sollte mit Blick auf die Versorgungssicherheit nicht auf eine mehrmals tägliche Belieferung ausgelegt werden. Damit läuft es hier allein auf die Frage heraus, wie eilig Einzelbestellungen nicht vorrätiger Arzneimittel sind. Ist ein Unterschied von wenigen Stunden ein Kriterium für die Patienten, das Rezept stattdessen in eine andere Apotheke zu bringen? In einer wettbewerbsintensiven Innenstadtlage wird das eher zu bejahen sein als in einer Dorfapotheke. Das E-Rezept wird das Problem wahrscheinlich für alle verschärfen. Doch vermutlich haben die meisten Apotheken ihre Touren und auch ihr sonstiges Einkaufsverhalten bereits optimiert. Wenn bei einer Verringerung der Belieferungsfrequenz ein relevanter Wettbewerbsnachteil droht, erscheint eine höhere Liefergebühr als das kleinere Übel. Eine objektive Hilfe bieten echte Daten aus der Vergangenheit. Wie oft wurden zu den Tageszeiten, um die es bei der fraglichen Tour geht, Rezepte aufgrund der schnellen Lieferung in der Apotheke gehalten?

Die dritte Variante ist eine Gebühr des Großhandels für jede einzelne Tour in Verbindung mit der Möglichkeit, jeden Tag eine bestimmte Tour in Anspruch zu nehmen oder nicht. Dann stellt sich an jedem Tag in einem bestimmten Zeitfenster die Frage, ob eilige Bestellungen für einzelne Kunden vorliegen, bei denen es auf den Zeitgewinn einiger Stunden ankommt. Im ungünstigsten Fall läuft das auf die Frage hinaus, ob ein bestimmtes Rezept die zusätz­liche Gebühr wert ist. Das kann die Arbeit im Handverkauf belasten.

Wenig Einfluss bei „großen“ Fragen

Ganz anders ist die Entscheidungsstruktur auf der „Ausgangsseite“, bei der die Apotheke direkt, also ohne den Umweg über eine „künstlich“ gestaltete Gebühr, betroffen ist. Das macht das Problem vielschichtiger, wie das Beispiel der Anschaffung eines Botenfahrzeugs zeigt. Wer erst kürzlich ein neues Fahrzeug gekauft hat, hat hier vorerst keine Wahl. Wer dies gerade plant, kann theoretisch wählen, aber die Rahmenbedingungen engen die Möglichkeiten ein. Die Preise für ­Benzin und Strom sind langfristig nicht absehbar. Die allgemein steigenden Energiepreise werden auf den Strompreis durchschlagen. Ob ein E-Auto sinnvoll betrieben werden kann, hängt von den Lademöglich­keiten ab, die individuell sehr unterschiedlich sein können. Außerdem wird die grundsätzliche Einstellung zur E-Mobilität eine Rolle spielen. Doch das führt nicht weiter, wenn dringend ein neues Auto gebraucht wird, aber ein E-Auto lange Lieferzeiten hat. Die Kaufentscheidung wird daher nur zu einem kleinen Teil vom derzeitigen Benzinpreis abhängen.

Stellschrauben für Kraftstoffkosten

Auf einer tieferen Ebene hängt die Rentabilität einiger kurzfristiger Maßnahmen jedoch unmittelbar vom Kraftstoffpreis ab. Dann sollten auch Entscheidungen als Reaktion auf diesen Preis getroffen werden. Beispielsweise kann es darum gehen, wie der Botendienst im Marketing der Apotheke positioniert wird. Wer hier gerade neue Angebote propagiert hat und mit erweiterten Liefergebieten wirbt, hat sich erst mal festgelegt. Wer das aber gerade erst plant, sollte neu rechnen. Eine wichtige Stellschraube ist die Zahl der Touren pro Tag oder pro ­Woche. Seltenere Fahrten erhöhen die Chance, die angefahrenen Adressen geschickt zu Touren zu verknüpfen und damit die Fahrstrecken erheblich zu verkürzen. Je größer das Liefer­gebiet ist, umso größer ist der Effekt. Jede nicht gefahrene Strecke spart Kosten. Darum ist die Vorgehensweise im Handverkauf eine weitere Stellschraube. Wird der Botendienst offensiv angeboten oder nur unter bestimmten Voraussetzungen? Diese könnten enger gefasst werden. Das alles kann neben Kraftstoff auch Arbeitszeit der Boten einsparen. Es kommt also darauf an, wie lange die Kunden bereit sind, auf die Lieferung zu warten. Auf dem Land bestehen dabei gute Chancen, denn vielen Kunden dürfte es nur darum gehen, nicht noch einmal in die Apotheke kommen zu müssen. Doch der Zeitgeist mit extrem schnellen Lieferdiensten in Großstädten und die im Zusammenhang mit dem E-Rezept erwarteten Trends weisen in die entgegengesetzte Richtung. Wahrscheinlich kommt es darauf an, die Präferenzen der eigenen Patienten am Standort richtig einzuschätzen und im Kundengespräch herauszuhören.

Daneben bleiben kurzfristig nur wenige Einflussmöglichkeiten auf die Energiekosten. Neue preisgünstige Verträge werden nicht mehr angeboten. Energiesparende Heizungen haben lange Lieferzeiten und die Handwerker für den Einbau bilden einen Engpass. Damit ist zu fragen, ob sich die unvermeidlichen Steigerungen der Energiekosten an anderer Stelle auffangen lassen. Doch die meisten Apotheken haben diese Fragen wahrscheinlich schon längst intensiv bearbeitet und sind dabei an einer Grenze angekommen. Dann müssen Angebote hinterfragt werden, deren Wirtschaftlichkeit ohnehin bereits grenzwertig ist. Das kann beispielsweise das Angebot betreffen, OTC-Arzneimittel oder andere nicht preisgebundene Waren kostenlos zu liefern. Durch gestiegene Kraftstoffpreise kann das vollends unrentabel werden und auch bei Fahrradkurieren ist zu fragen, ob der Lohn für den Boten noch zu finanzieren ist, wenn viele unvermeidbare Kosten steigen.

Botengebühr erheben und Preise erhöhen

Damit drängt sich auf, von den Kunden eine Gebühr für Lieferungen zu erheben, bei denen die Apotheke keine Botendienstpauschale mit der GKV abrechnen kann. Wer das bisher aus Wettbewerbsgründen nicht getan hat, sollte das angesichts gestiegener Kosten erneut prüfen. Derzeit steigen viele Preise wegen der Energiekosten, wegen Lieferengpässen und aus anderen Gründen. Kunden werden sich an Preiserhöhungen gewöhnen. Dies kann der Anlass sein, aufgeschobene Preiserhöhungen neu zu überdenken und möglicherweise lange gehegte Pläne umzusetzen. Das betrifft nicht nur eine Gebühr für den Botendienst, sondern vor allem die frei kalkulierbaren Preise für OTC-Arzneimittel und andere Waren. In einer Welt, in der sogar manche Waren in Supermarktregalen knapp werden, sind viele Rabatte nicht mehr zeitgemäß. Die Apotheken haben jahrelang viele Sparmöglichkeiten ausgereizt. Damit bleiben als wirksame Stellschraube vor allem die Preise übrig. Da zumindest die Vor-Ort-Apotheken mit ähn­lichen Kostensteigerungen konfrontiert sind, muss der Wettbewerb nicht zum Hindernis werden. Versender haben eine andere Kostenstruktur, aber für Apotheken, deren Marketing nicht allein auf den billigsten Preis setzt, muss das kein Hindernis sein. Rabatte infrage zu stellen, wäre ein Anfang. Preiserhöhungen könnten der nächste Schritt sein. In anderen Wirtschaftsbereichen hat diese Entwicklung längst begonnen.

Da die hohen Energiepreise viele Unternehmen treffen, werden auch die Apotheken voraussichtlich noch durch weitere Kostensteigerungen belastet. Wenn es um mehr als die Energiepreise geht, muss auch die Reaktion allgemeiner ausfallen. Da viele kostenintensive Pflichten vorgeschrieben sind und pharmazeutisch sinnvolle Leistungen nicht infrage gestellt werden sollten, bleiben dann wohl nur noch höhere Preise als Reaktionsmöglichkeit für die einzelne Apotheke. Sie sind in der Marktwirtschaft die ganz normale Antwort auf steigende Kosten.

Mehr Geld für das System

Daneben wird es für die Berufspolitik immer wichtiger, für höhere Honorare zu sorgen. Durch die höheren Kraftstoffpreise drängt sich die Forderung auf, die Botendienstgebühr von 2,50 Euro deutlich zu erhöhen. Doch entscheidend ist ein höherer Festzuschlag auf Rx-Arzneimittel. |

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