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Management

Gefühlte Wahrheit oder harte Realität?

Wie sich die Personalnot in Deutschlands Apotheken äußert

Ein Schlagwort, das seit einigen Jahren immer wieder durch die Medien geistert ist der Fachkräftemangel. Auch die Apotheken sind betroffen. Immerhin listete die Bundesagentur für Arbeit den Apothekerberuf im vergangenen Jahr zum achten Mal in Folge als Engpassberuf auf. Wie macht sich das auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar – aus Sicht der Selbstständigen und der Angestellten? | Von Michaela Schwarz 

Bei einem Mangelberuf oder auch Engpassberuf handelt es sich um einen Beruf, in dem der Bedarf an Arbeitskräften das tatsächliche Angebot an potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt übersteigt. Sprich: Es finden sich nicht genügend Arbeitskräfte, der Bedarf kann nicht gedeckt werden und offene Stellen bleiben somit teils dauerhaft unbesetzt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt in ihrer „Fachkräfteengpassanalyse“ seit einigen Jahren fest, dass auch der Apothekerberuf ein Engpassberuf ist. Seit dem Jahr 2019 beobachten die Statistiker sogar noch eine verschärfte Lage: Offene Stellen im Apothekenmarkt bleiben noch länger als zuvor unbesetzt. Die ABDA rät daher den Apothekeninhaberinnen und -inhabern, offene Stellen an die Bundesagentur zu melden. Doch die Suche nach passenden Kandidaten für ihre vakanten Stellen stellt sich für die Arbeitgeber oft als sehr schwierig und langwierig dar.

Ermittelt werden die Engpassberufe durch eine spezielle Analyse, bei der bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen. Die sogenannte Vakanzzeit gibt den durchschnittlichen Zeitraum an, in der offene Stellen (noch) nicht besetzt sind. Liegt dieser Wert 40 Prozent über dem Durchschnitt, ist dazu die Zahl der Relation von Arbeitssuchenden zu offenen Stellen kleiner als vier und ist das Verhältnis von Arbeitssuchenden zu Berufstätigen im jeweiligen Beruf kleiner als 3 Prozent, so gilt er als Mangel- bzw. Engpassberuf.

Gründe für den Expertenmangel

Die jeweiligen Engpässe an Arbeitskräften unterscheiden sich in den verschiedenen Ländern. Aber es gibt sie seit jeher – allerdings wandeln sich die betroffenen Berufs­sparten immer wieder. In den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war man in Deutschland vor allem auf der Suche nach Arbeitnehmern, die schwere körperliche Arbeit verrichten konnten.

Heutzutage handelt es sich mehr um Bereiche und Berufe in denen spezialisierte und teils lange Ausbildungen und Studiengänge Voraussetzung sind oder in denen bestimmte Eigenschaften erlernt und mitgebracht werden müssen. Doch auch schlecht- und unterbezahlte Tätigkeiten stehen auf der Liste der Mangelberufe, wie die Alten- und Krankenpflege und andere Dienstleistungsberufe. Nach wie vor sind auch Berufe, die eine körperliche Arbeit erfordern, mit dabei. Neben der schlechten Bezahlung ist dies mit ein Grund für den Mangel an Pflegerinnen und Pflegern.

Die Ursachen, warum in vielen Branchen keine passenden Arbeitnehmer gefunden werden können sind vielschichtig. Die Corona-Krise hat die Lage verschärft, aber bereits vor der Pandemie war der Fachkräftemangel real. So vermutet man die Schuld an der derzeitigen Lage neben dem demographischen Wandel, bei der Digitalisierung und der modernen Arbeitswelt. Zudem hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt grundlegend verändert: Von einem sogenannten „Arbeitgebermarkt“ zu einem sogenannten „Arbeitnehmermarkt“. Wo es früher zahlreiche Bewerber auf eine Stelle gab, müssen Unternehmen heute teils aktiv um Personal werben, um Stellen überhaupt besetzen zu können. Viele Arbeitgeber machen dabei aber auch Fehler, indem veraltete Besetzungsverfahren zum Zuge kommen und zeitraubende oder zu spät eingeleitete Recruiting-Prozesse die Suche nach dem passenden Kandidaten einbremsen. Teilweise bemühen sich Firmen nicht um ihre Außenwirkung. Ein schlechtes Image, ein niedriger Bekanntheitsgrad und ein nachlässiger Umgang mit der Anwerbung und Förderung von Nachwuchs tun ihr Übriges. Kommen geringe Löhne und Gehälter, wenig attraktive Arbeitszeiten oder eine schlechte Vereinbarkeit von Arbeit und Familie hinzu, sieht es schlecht für den Arbeitgeber aus.

Bei den unterschiedlichen Mangelberufen kommen auch regionale Besonderheiten zum Tragen. Viele vor allem ländliche Regionen Deutschlands, sind gerade für junge Arbeitnehmer nicht attraktiv. Kulturelles Angebot, bessere Infrastruktur und höhere Bezahlung ziehen die Menschen in die Großstädte. In der Folge fehlt Fachpersonal auf dem Land.

Folgen des Fachkräftemangels

Die Folgen des Fachkräftemangels sind vielschichtig und betreffen letztlich die gesamte Gesellschaft. Sie reichen von einer steigenden Arbeitsbelastung für die Belegschaften über abgelehnte Aufträge und reduzierte Angebote bis hin zu Standortschließungen der betroffenen Betriebe. Auf dem Land lebende Privatpersonen müssen sich mitunter auf lange Wartezeiten und Anfahrtswege beispielsweise zum nächst gelegenen Facharzt einstellen. Dienstleistungsangebote werden knapper. Die Ausgaben von Unternehmern für attraktive Gehälter und die Rekrutierung geeigneter Bewerber steigen. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Problem jeden Bürger auf irgendeine Art betrifft und sich das gesamte wirtschaftliche Wachstum in einem Land abbremst.

In dieser und weiteren DAZ-Ausgaben möchten wir das Thema „Personalnot in Apotheken“ aus verschiedenen Blickwinkeln thematisieren. Wie ist die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt? Welche Möglichkeiten gibt es, neue Mitarbeiter­innen und neue Mitarbeiter zu finden? Wie lassen sich Beschäftige langfristig motivieren und im Betrieb halten? In diesem Artikel lesen Sie:

  • Fachkräftemangel ist eine branchenübergreifende und gesamtgesellschaftliche Herausforderung
  • Er führt zu einer erhöhten Arbeitsbelastung, ­reduzierten Angeboten und Standortschließungen
  • Kampagnen sollen die Berufe und Arbeitsplätze in der Apotheke attraktiver und gefragter machen und langfristig die Nachwuchsgewinnung sichern
  • Jede einzelne Apotheke sollte vor allem auf persönliche Ansprache und außergewöhnliche Aktionen setzen
  • Ein positives Betriebsklima kann alle unmittelbaren Folgen des Personalmangels kompensieren

Abhilfe schaffen

Groß angelegte Kampagnen haben zum Ziel die Mangelberufe und ihre notwendigen Ausbildungen und Studiengänge publiker und attraktiver zu machen. Landesapothekerkammern oder einzelne Apotheken sind zum Beispiel regelmäßig im Rahmen von Jobmessen aktiv oder stellen die unterschiedlichen Berufsbilder der Apotheken vor Abschlussjahrgängen weiterführender Schulen vor. Auf diese Weise möchte man dem Fachkräftemangel zum einen entgegenwirken in dem man im eigenen Land Nachwuchs für die Problemberufe begeistert. Zum anderen wird auch versucht ausländische Fachkräfte zu rekrutieren und für das Leben und Arbeiten in Deutschland anzuwerben. Es gibt zahlreiche Hilfestellungen, welche die Entscheidung für eine Anstellung in Deutschland erleichtern sollen und einen Anreiz schaffen.

Akademische Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland, die sich für einen Mangelberuf qualifizieren, können mit dem Erhalt einer sogenannten Blue Card EU seit 2012 in Deutschland eine Stelle finden. Diese kann beantragt werden, wenn ein deutscher oder ein anerkannter Abschluss vorliegt und ein Arbeitsvertrag mit einem Gehalt in einer bestimmten, fest­gelegten Höhe vorgewiesen wird.

Gibt es einen Fachkräftemangel in Apotheken?

Auch die Apothekenberufe Apothekerin/Apotheker, PTA und PKA wurden, neben vielen weiteren Berufen im Gesundheitsbereich und den sogenannten MINT-Berufen (Mathe­matik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), von der Agentur für Arbeit als Engpassberuf gelistet. Spätestens mit der Aufnahme des „Apothekers“ in diese Liste Ende 2016 ist klar, dass Personal in den Vor-Ort-Apotheken fehlt. Seitdem sind die Apothekenberufe regelmäßig darin zu finden. Der akute und langfristige Personalmangel gilt mitunter auch als ein Grund, warum manche Apotheke schließen muss. Und obwohl die Zahl der Apotheken in den letzten Jahren stetig sank – sie lag Ende 2021 bei 18.461, 292 weniger als Ende 2020 – herrscht trotzdem eine dauerhafte Suche nach Qualifizierten für die öffentliche Apotheke. Auch Nachfolger für Apothekenübernahmen sind schwer zu finden.

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Auf Jobmessen, wie hier 2018 in Stuttgart, stellen Landesapothekerkammern oder einzelne Apotheken die unterschiedlichen Berufsbilder der Apotheken vor und werben für die jeweiligen Ausbildungsgänge.

Woher kommen die Engpässe?

Doch wie kommt es zu den Personalengpässen in Deutschlands Apotheken? Laut dem Statistischen Jahrbuch der ­Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) „Die Apotheke“ 2021 gab es ca. 68.000 berufstätige Apothe­kerinnen und Apotheker Ende 2020, mit einer steigenden Tendenz. Davon geht allerdings ein nicht unerheblicher Teil für die öffentliche Apotheke inzwischen „verloren“, da diese Kolleginnen und Kollegen in anderen Bereichen, wie der pharmazeutischen Industrie beschäftigt sind. 2021 waren rund 78 Prozent in öffentlichen Apotheken beschäftigt. Dazu kommt, dass es in vielen Apotheken, durch die steigende Komplexität der Aufgaben und den gestiegenen Beratungsbedarf, eine höhere Nachfrage an Mitarbeitern gibt als früher. Gerade auch durch die in der Pandemie hinzugekommenen Aufgaben, wurde die Situation vielerorts noch einmal verschärft.

Für viele Angehörige der Berufsgruppen in der Apotheke gehört heutzutage schon eine gesunde Portion Idealismus dazu, in einer öffentlichen Apotheke zu arbeiten oder eine solche gar übernehmen oder leiten zu wollen, vor allem im Hinblick auf die Arbeitszeiten. Die Verantwortung eine oder mehrere Apotheken zu besitzen und die zwangsläufig dazugehörige Selbstständigkeit kann abschreckend wirken. So mancher hegt Zweifel an der Zukunft der öffentlichen Apotheke. Und obwohl die Anzahl der Studienplätze für den Studiengang Pharmazie über die Jahre hinweg auf konstantem Niveau geblieben ist und die Zahl der Bewerber dafür auf hohem Niveau ist, geht das Interesse vieler Berufsanfänger oftmals eher in die Richtung anderer Arbeitsplätze, die pharmazeutische Ausbildungen erfordern, wie Krankenhausapotheken, Behörden oder Industrie. Alleine die zum Teil besseren Arbeits- und Verdienstbedingungen lassen Approbierte dorthin abwandern. Die Work-Life-Balance kann dort auf den ersten Blick attraktiver erscheinen.

Jedoch ist auch das Arbeiten in der Offizin, beispielsweise durch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit, an sich sehr gut mit Privatleben und Familie vereinbar. Was nun für Arbeitnehmer einen Vorteil darstellt wirkt sich aber verschärfend auf die Personalsituation aus. Teilzeitarbeit und zeitlich vorüber­gehende Engpässe durch Mutterschutz und Elternzeiten müssen überbrückt werden. Auch hier riss die Pandemie die eine oder andere Personallücke in Betriebe als Schwangeren sofort ein Arbeitsverbot erteilt werden musste. Vergessen werden darf ebenfalls nicht, dass sich eine Großzahl an Apothekern, die aus den geburtenstarken Jahrgängen stammen, vor dem Eintritt in die Rente befinden. In den nächsten Jahren wird auch ihr Ausscheiden schmerzlich spürbar sein. Die ABDA prognostiziert in einer ihrer Analysen, dass es dadurch bis zum Jahr 2029 10.000 offene Stellen geben wird.

Müssen weiterhin Apotheken schließen, weil kein Personal oder keine Nachfolger gefunden werden können und sinkt die Apothekendichte somit stetig, kann im schlimmsten Fall das flächendeckende Arzneimittelversorgungssystem nicht mehr ordnungsgemäß aufrechterhalten werden. Kann hier der Nachwuchs helfen? Wie kann man Berufsanfänger für eine dauerhafte Tätigkeit in der Offizin begeistern und wie Schulabgänger für ein Pharmaziestudium?

Berufe in der Offizin attraktiver machen

Um die Apothekenberufe für den Nachwuchs interessanter zu gestalten, gibt es eine Reihe von Vorschlägen. Zum einen schreckt der mittlerweile stark angewachsene bürokratische Aufwand, der in Apotheken betrieben werden muss, viele junge Approbierte von der Entscheidung für die öffentliche Apotheke ab. Ein langfristiger Abbau dieser Bürokratie könnte mitunter die Attraktivität erhöhen und auch den Schritt in die Selbstständigkeit als Inhaberin oder Inhaber erleichtern.

Wie auch in anderen Branchen an der Tagesordnung wird bereits „Werbung“ für die Apothekenberufe gemacht. Aufmerksamkeit wecken, das teils immer noch verstaubte Image als „Schubladenzieher“ aufbrechen ist angesagt. Die Maßnahmen um Nachwuchs zu generieren wurden darum in den letzten Jahren weiter vorangetrieben. Das allein nützt jedoch laut ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wenig, „wenn nicht endlich an den Hochschulen des Landes weitere Studienplätze bereitgestellt werden und zusätzliche Pharmazie-Standorte geschaffen werden.“

Auch die Überarbeitung und Modernisierung von Ausbildungen und Studiengängen ist wichtig. Laut einer Umfrage der Apothekengewerkschaft ADEXA fordern ein großer Teil der PTA- und PKA-Schülerinnen eine Verlängerung der Schulzeit, um die umfangreichen Inhalte, die für die Arbeit in der Apotheke benötigt werden auch lernen zu können. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) weist in einer Umfrage ebenfalls daraufhin, dass sich viele Studierende nur unzureichend auf ihre Tätigkeit in der Offizin vorbereitet fühlen. Nur noch ein Drittel strebt nach dem Studium die Karriere in der öffentlichen Apotheke an. Eine Selbstständigkeit als Inhaber verliert im Laufe der Studienzeit zudem an Attraktivität. Zur Modernisierung gehört zusätzlich die geforderte Abschaffung des Schulgeldes für nichtakademische Gesundheitsberufe, wozu auch die PTA gehören, welche 2019 von der Gesundheitsministerkonferenz beschlossen wurde. So soll die Ausbildung auch Personen offenstehen, die sich ein Schulgeld ansonsten nicht leisten können.

Bereits jetzt spielen ausländische Apothekerinnen und Apotheker eine Rolle bei der Personalgewinnung in den Apotheken. In der Zukunft wird diese Rolle vermutlich sogar noch steigen. Im Jahr 2020 legten 936 ausländische Apotheker die Fachsprachenprüfung ab, deren Bestehen unter den Voraussetzungen ist für die Beantragung der Approbation in Deutschland. Doch wen genau betrifft der Mangel an Arbeitskräften? Wie ist die Lage vor Ort?

Lage vor Ort

Tatjana Buck und ihr Mann Martin Buck betreiben seit etwa zehn Jahren die Vital-Apotheke im baden-württembergischen Bad Saulgau sowie eine Filialapotheke. Momentan sind sie zufrieden mit ihrer Personalsituation. Aber das Problem ist ihnen nicht unbekannt. Die Situation wechselt immer wieder und es gab bereits Phasen während ihrer Selbstständigkeit, die die beiden an die Belastungsgrenzen geführt haben. Gerade auch während der Corona-Pandemie, wenn Mitarbeiterinnen ab Bekanntwerden einer Schwangerschaft nicht mehr verfügbar waren und es unzählige, neue Aufgaben zu bewältigen gab. Da wäre die eine oder andere Voll- oder auch Teilzeitkraft zusätzlich hilfreich gewesen. Das gemeinsame Durchstehen der Ausnahmesituation hat das Team zusammengeschweißt. Die neu dazu gekommenen Aufgaben waren natürlich eine Belastung, auch wenn sie intern so gut wie möglich strukturiert worden sind. Aber nach zwei Jahren Pandemie gehen langsam die Kräfte zu Ende. Darum freut sich das Apothekerehepaar umso mehr über eine neue PTA, die seit März das gesamte Team unterstützt.

Gerade in der ländlichen Gegend haben Apotheken bezogen auf die Personalfrage mit mächtigen Gegnern zu kämpfen. „Der Markt ist leer gefegt“, so Tatjana Buck. Harter Konkurrenzdruck komme aus der Industrie. Bekannte Firmen aus unmittelbarer Umgebung wie Boehringer, Vetter, Rentschler und Ratiopharm gelten beim pharmazeutischen Personal sowie den PKA als beliebt. Angenehmere Arbeitszeiten mit freien Wochenenden, eine höhere Bezahlung und andere Vorteile machen das Arbeiten in der Industrie vermeintlich attraktiver als eine Anstellung in der öffentlichen Apotheke. Da ist es für Apotheken oft schwer mitzuhalten. Doch wie trotzen Herr und Frau Buck der Personalnot?

Foto: Vital-Apotheke, Bad Saulgau

Tatjana Buck und ihr Mann Martin Buck betreiben zwei Apotheken und erleben die Belastung durch Personalnot in wechselnder Intensität.

Ungewöhnliche Strategien und viel Herzblut

Mit der Zeit mussten Tatjana und Martin Buck feststellen, dass sie mit offiziellen Anzeigen bei den Kammern und den Tages- und Fachzeitungen nicht weiterkamen. Zu gering war die Resonanz auf ihre Stellenangebote. Es mussten also Ideen und Lösungen her. So entschlossen sich die beiden einen anderen, unkonventionelleren Weg für ihre Personalsuche einzuschlagen. Mit derzeit noch eher ungewöhnlichen Aktionen, wie etwa einem Aufruf auf Instagram, füllte sich ihre „PKA-Lücke“. Ihre vorherrschende Strategie ist geprägt vom Herzblut und dem Engagement, welches sie in ihren Betrieb stecken. Auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern, als Chefs selbst im HV mitarbeiten, Spaß bei der Arbeit, eine offene Kritikkultur und das feste Zusammenstehen im Team schaffen ein freundschaftliches und angenehmes Betriebsklima. Diese positive Außenwirkung erzeugt einen guten Ruf und spricht sich durch Mundpropaganda herum. Die meisten Bewerbungen erhält das Apothekerpaar initiativ – ganz ohne das Schalten von Anzeigen. Auch das aktive Netzwerken in der „Apotheken-Szene“ bringt neue Interessenten. Man versteht sich gut, wird an ehemalige Kommilitonen und befreundete Apotheker weiterempfohlen und so ergibt sich ein Arbeitsverhältnis manchmal fast wie von selbst.

Trotzdem ist es schwieriger als früher. Ein richtiges „Auswahlgespräch“ hat es aus Mangel an Bewerbungen bei den Bucks noch nie gegeben. Sechs, sieben Bewerber auf eine freie Stelle, das ist eine vergangene Utopie. Bewerber schauen sich heutzutage sehr gut an, wo sie arbeiten möchten. Die größere Auswahl an Stellen macht das möglich. Was für die Arbeitgeber Stress bedeutet, ist für die Bewerber positiv. Eigentlich ein guter Grund eine Ausbildung für einen Apothekenberuf einzuschlagen, denn arbeitslos ist man vermutlich nie sehr lange. Da muss man sich als Apotheke von der Konkurrenz abheben und aus der Masse herausstechen.

Das direkte Abwerben von Kandidaten die bei der Konkurrenz beschäftigt sind, kommt für Tatjana und Martin Buck dagegen überhaupt nicht in Frage. Ein absolutes No-Go, das man in der ohnehin schon schwierigen Personalsituation unter Inhaberkollegen nicht macht.

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Personalnot ist kein ausschließliches Phänomen auf dem Land, doch ländliche Regionen können stärker betroffen sein, weil sie für junge Arbeitnehmer nicht attraktiv erscheinen. Kulturelles Angebot, bessere Infrastruktur und höhere Bezahlung ziehen die Menschen in die Großstädte.

Ein individuelles oder strukturelles Problem?

Doch handelt es sich nun um ein individuelles oder ein strukturelles Problem? Laut der Apothekenumfrage „Aposcope“ vom Januar 2022 zu geschäftshemmenden Faktoren gaben 47,5 Prozent der Befragten den Mangel an pharmazeutischen Arbeitskräften und 10 Prozent der Befragten den Mangel an nicht-pharmazeutischen Arbeitskräften als geschäftshemmenden Faktor an. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass es sich beim Fachkräftemangel in den Apotheken hauptsächlich um ein eher strukturelles Problem handelt. So scheint es, dass fast jede zweite Apotheke vom Fachkräftemangel betroffen ist. Sie zeigen auch, dass der Mangel die pharmazeutischen Berufe stärker betrifft als die kaufmännischen. Daneben kommen aber auch regionale Faktoren zum Tragen. In der näheren Umgebung von Universitäten mit Pharmaziefakultät oder PTA- sowie PKA-Schulen kommt der Personalmangel vermutlich weniger stark zum Tragen als an Standorten ohne Ausbildungsstätten. Auch individuelle Punkte müssen berücksichtigt werden. Es ist anzunehmen, dass nicht jeder Inhaber auf die gleiche optimistische Weise mit der Situation umgeht, wie es Frau und Herr Buck aus dem oben genannten Beispiel tun. Wenig moderne Apotheken, die langfristig keine neuen Wege beschreiten und nicht allzu großen Wert darauf legen ihre pharmazeutischen Dienstleistungen für den Nachwuchs attraktiv zu gestalten, werden bei den jüngeren Berufsanfängern auf weniger Anklang und Zulauf treffen.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen den Fachkräftemangel noch dazu. Schwangere Mitarbeiterinnen erhielten sofortige Beschäftigungsverbote. Angestellte müssen in Quarantäne. Und auch Kündigungen von nicht ge­impften Mitarbeitenden kommen vor. Vom zusätzlichen Arbeitsaufwand einmal ganz abgesehen. Aber die Corona-Pandemie lieferte auch die Chance die öffentliche Wahrnehmung der Apotheken in ein besseres Licht zu rücken. Die verbesserte Wahrnehmung in der Bevölkerung könnte auch im Hinblick auf die Personalgewinnung sinnvoll genutzt werden.

Auch wenn die von der Personalnot betrof­fenen Apothekeninhaberinnen und -inhaber mit unterschiedlichen Herausforderungen und Gründen für den Mangel zu kämpfen haben, bleibt es doch, neben den individuellen und regionalen Faktoren ein strukturelles Problem, gegen das der Einzelne oft nicht ankommt und das länder- und regionsübergreifend angegangen werden muss. |

Autorin

Michaela Theresia Schwarz ist Apothekerin, PTA und Fachjournalistin. Nach dem Studium in Regensburg arbeitete sie in Apotheken im In- und Ausland und war im fach­redaktionellen Bereich tätig.

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