Management

Teilzeit-Puzzle

Ein Kommentar

Dr. Armin Edalat, DAZ-Chefredakteur

Keine Frage, Teilzeitarbeit gehört zu einem modernen Lebensstil, genauso wie sich in den meisten Branchen die Fünftagewoche durchgesetzt hat. Dadurch bleibt Zeit für andere Verpflichtungen und freiwillige Tätigkeiten abseits des Arbeitsplatzes. Doch darf uns dieses Modell nicht den Blick auf bestehende Probleme und Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt verstellen. Nach wie vor sind branchenübergreifend vor allem Frauen in Teilzeit beschäftigt. Somit dient Teilzeitarbeit offenbar dazu, das Familieneinkommen nach klassischer Rollenverteilung zu organisieren: eine Person – meistens der Mann – ist „Familienernährer“ und arbeitet in Vollzeit, während die andere Person – meistens die Frau – in Teilzeit arbeitet und lediglich „hinzuverdienen“ soll. Prinzipiell ist gegen eine Aufteilung ja nichts einzuwenden und sie ist in den meisten Fällen wahrscheinlich auch notwendig. Doch wenn gesellschaftliche Erwartungen und (steuer-)politische Fehlanreize dazu führen, dass Männer negative Konsequenzen einer Arbeitszeitreduzierung fürchten und Frauen sich zugleich in die Teilzeitarbeit gedrängt fühlen, haben wir es mit einer systematischen ­Benachteiligung zu tun, die dazu führt, dass Familien und einzelne Beschäftigte nicht mehr freiwillig entscheiden können.

Das zeigt sich auch in den Apotheken: Rund 73 Prozent der angestellten Apotheker sind weiblich, doch bei den Apothekenleitern sind es nur knapp die Hälfte. Dieses Ungleichgewicht macht deutlich, dass sich die meisten Apothekerinnen bislang womöglich für das Angestelltenverhältnis entschieden haben, um in Teilzeit und vor dem Hintergrund der oben genannten Rollenverteilung zum Familieneinkommen beitragen zu können. Es herrscht dabei offenbar die Meinung, dass eine Selbstständigkeit – einzeln oder in Form einer OHG – diesem Modell entgegenstehen würde. Nicht anders kann die auffällige Zurückhaltung gedeutet werden. Dass die Frage über das Für und Wider Teilzeit nun auf Ebene der angestellten Filial­leitungen angekommen ist, verwundert somit nur wenig.

Doch ist diese Idee zielführend und förderlich für den Berufsstand? ­Sicher darf Teilzeitarbeit nicht nur auf den Familienkontext reduziert werden. In Teilzeit beschäftigt zu sein, spielt auch für kinderlose Paare und Singles eine Rolle bei der Aus­gestaltung ihrer Work-Life-Balance. Ohne Teilzeit geht es nicht – weder in den Apotheken noch auf dem übrigen Arbeitsmarkt. Allein die Personalnot macht es notwendiger denn je, dass auch Teilzeitbeschäftigte verantwortungsvolle Tätigkeiten innerhalb der Apotheken übernehmen sollten und müssen. Im Hinblick auf die Apothekenleitung bleibt jedoch fraglich, ob Jobsharing und vergleichbare Personalkonstellationen tatsächlich zu einer Verbesserung der Bedingungen und einer Vereinfachung von Ab­läufen führen, die mit neuartigen Arbeitsmodellen ja eigentlich gefördert werden sollten. Zwei Filialleitungen in Teilzeit, im schlimmsten Fall nur vormittags anwesend außer samstags, könnten dem Apothekenbetrieb womöglich weniger nutzen als eine gleichzeitig approbierte Kraft oder PTA in Vollzeit. Kommunika­tionsprobleme, Meinungsdifferenzen und Führungsschwäche gelten als Schattenseiten von Doppelspitzen. Wer repräsentiert die Filialapotheke im Regelbetrieb und dann, wenn es hart auf hart kommt?

Teilzeitarbeit und die daraus resultierende Erwartung, dass Führungspositionen auf mehrere Personen aufgeteilt werden sollten, folgen somit nicht einer betrieblichen Notwendigkeit, sondern der Personalnot auf dem Arbeitsmarkt. Davor kann und darf man nicht die Augen verschließen – weder in den Apo­theken noch in den Kammern oder zuständigen Aufsichtsbehörden. Reformbedürftig erscheint somit das Verständnis, sowohl beim Gesetz­geber als auch bei der Apothekenaufsicht, welche Stundenzahl tatsächlich für die Führung von Apotheken erforderlich scheint. Zwischen Vollzeit, also 38 Stunden plus, und einem Jobsharing mit zwei 20-Stunden-Kräften muss ein Kompromiss für alle Beteiligten liegen. Überhaupt ist es längst überfällig, dass niemand mehr unfreiwillig in Teilzeit arbeiten muss und es sich politisch sowie gesellschaftlich durchsetzt, dass beide Elternteile gleichberechtigt zum Familieneinkommen (und zur Altersvorsorge) beitragen können. Hierzu gehört neben flächendeckenden Kita-Plätzen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten außerhalb der Kernzeiten auch die Möglichkeit, dass partnerschaftlich auf beispielsweise 30 Wochenstunden reduziert werden kann ohne steuerliche und berufliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.

Befürworter des Jobsharings sollten also vielmehr ermitteln, ob nicht konkrete Bedingungen aus Angestelltensicht verbessert werden müssen, bevor sie zusammengepuzzelte Führungspositionen präferieren und damit zugleich die Ursachen von (unfreiwilliger) Teilzeit im Apothekenwesen stillschweigend hinnehmen.

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