Prisma

Kannibalischer Heißhunger

Aga-Krötengift fördert Appetit auf Artgenossen

Foto: Volodymyr Shevchuk/AdobeStock

mp | Die Aga-Kröte (s. Abb.) lebte einst in Zentral- und Südamerika, bis Forscher sie 1935 nach Australien brachten. Dort sollte sie Schädlinge bekämpfen, die die Zuckerrohrernte bedrohten. Sie vermehrte sich rasch und verdrängte viele heimische Arten. Ein Schlüssel zum Erfolg dürfte ihr Gift gewesen sein, mit dem sie sich vor Angreifern schützt: Ein Cocktail aus Tryptamin-Alkaloiden und Bufadienoliden sondert sie über Hautdrüsen ab. Auch die Larven setzen die Verbindungen frei. Wie die Cardenolide und deren Glycoside Digoxin oder Digitoxin verlangsamen Bufadienolide die Schlagfrequenz des Myokards und verzögern die Erregungsleitung am Herz. Amerikanische Fressfeinde der Kröte passten sich im Laufe der Zeit an und entwickelten Resistenzen gegen das Gift. In Australien waren konkurrierende Arten der Kröte schutzlos ausgeliefert. Doch dann wurde die Aga-Kröte selbst zu ihrer größten Bedrohung. Vor allem die Kaulquappen verspeisen anders als in heimischen Gebieten bevorzugt Eier ihrer eigenen Artgenossen. Nicht selten verzehren sie die gesamte Brut. Wie Forscher aus Sydney nun erkannten, regen gerade die Bufadienolide den kannibalistischen Heißhunger der Kaulquappen an. Für ihre Studie ließen sie Kaulquappen in Behältnissen mit unterschiedlichem Bufadienolid-Gehalt schwimmen. Den Becken gaben sie Eier der Aga-Kröte und anderer ­australischer Arten zu. Je mehr Bufadienolide im Wasser waren, um so mehr Appetit hatten die Kaulquappen auf Larven – unabhängig ob artfremd oder Artgenosse. Weil sich invasive ­Arten wie die Aga-Kröte in Australien schnell vermehren, läuft ihre Evolution schneller ab. Für Studienautor Michael Crossland ist es unglaublich, dass die Amphibien innerhalb weniger Jahrzehnte zu Kannibalen wurden. In weiteren Studien möchte er herausfinden, ob die Larven bereits Mechanismen entwickeln, mit denen sie sich vor dem Kannibalismus schützen. |

Literatur

Crossland MR et al. Choosy cannibals: Targeted consumption of conspecific hatchlings by larval cane toads is triggered by species-specific defensive toxins. Ecol Evol 2022;12:e8655

Roth A. Cannibalistic toads reveal ‘evolution in fast motion,’ study finds. Nachricht der New York Times, 15. März 2022

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