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Mehrwertsteuer senken ohne Nebenwirkungen

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

Für Lebensmittel gilt ein Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, für Arzneimittel sind dagegen 19 Prozent zu zahlen. Das war schon immer unlogisch. Darum ist gut zu verstehen, dass die Krankenkassen immer deutlicher eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel fordern. Inzwischen gibt es solche Stimmen auch aus dem Apothekerlager. Früher war dies eine Dauerforderung des Deutschen Apothekertages. Schon damals sollte damit der Druck auf das System vermindert werden. Der Antrag wurde allerdings in jüngerer Zeit nicht mehr gestellt, weil eine Steuersenkung den Anteil der Apotheken am brutto formulierten Kassenabschlag erhöhen und sie damit belasten würde. Während sich Krankenkassen und selbstzahlende Patienten über deutliche Einsparungen freuen könnten, ist die unerwünschte Wirkung auf die Apotheken umso schwerer zu vermitteln. Die Erfahrungen mit der zeitweiligen Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020 lassen befürchten, dass die Apotheken erneut auf ihrer Belastung sitzen bleiben. Doch damals ging es für ein halbes Jahr um drei Prozentpunkte, nun aber dauerhaft um 12 Prozentpunkte weniger Mehrwertsteuer. Bei niedrig angesetzten 604 Millionen GKV-Rx-Packungen pro Jahr ergibt das 97 Millionen Euro weniger Rohertrag pro Jahr.

Darum müssen die Apotheker nun einen Ausgleich fordern, seit solche Pläne aus dem Gesundheitsministerium bekannt geworden sind. Doch während die mögliche Steuersenkung zum großen Thema geworden ist, herrscht Schweigen über eine Entlastung der Apotheken beim unerwünschten Steuereffekt. Da das Problem schwer verständlich ist, sollte es wohl helfen, dazu gleich eine möglichst einfache Lösungsidee zu präsentieren. Die ­Ursache des Problems ist die Formulierung des Kassenabschlags als Bruttobetrag. Die ­naheliegende Reaktion ist daher die Umformulierung als Nettobetrag (s. S. 14). Als Folge müssten die Krankenkassen dann den Mehrwertsteuer­effekt tragen. Das erscheint fair, weil sie die Hauptprofiteure einer Steuersenkung wären. Darum sollten sie den aus ihrer Sicht vergleichsweise kleinen „Kollateralschaden“ übernehmen. Das erscheint gut vermittelbar. Es bliebe immer noch ein reichlicher Vorteil für die Krankenkassen. Dieser Vorschlag verspricht zudem eine dauerhafte Antwort auf das Problem, weil auch künftige Mehrwertsteueränderungen dann für die Apotheker ergebnisneutral wären. Dagegen wäre ein angepasster Bruttobetrag zwar zunächst auch hilfreich, aber bei der nächsten Mehrwertsteueränderung würden sich alle Fragen erneut stellen.

Zugleich ist das eigentlich uralte Thema ein Prüfstein für die Kooperationsfähigkeit zwischen Krankenkassen und Apotheken. Wenn die Krankenkassen fairerweise den unerwünschten Effekt bei den Apotheken ausgleichen, könnten sich alle an der Arzneimittelversorgung Beteiligten mit einem gemeinsamen Plan für weniger Mehrwertsteuer auf Arzneimittel einsetzen. Das dürfte hilfreich sein, um auch den Finanzminister zu überzeugen. Dann könnte der finanzielle Druck im System zum Vorteil aller Beteiligten und zum Nutzen der Patienten sinken. Dieses gemeinsame Ziel sollte alle verbinden.

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