Die Seite 3

Impfen und aufklären

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, DAZ-Chefredakteur

Frühlingsgefühle und Sonnenschein – ­dagegen sieht die Corona-Pandemie auch im dritten Jahr infolge relativ alt aus. Gemessen an ihrem Nachrichtenwert und den täglich veröffentlichten Inzidenzen scheint sich die Pandemie mal wieder auf dem Rückzug zu befinden. Doch liegt das nicht vielmehr daran, weil wir immer weniger testen? Ist SARS-CoV-2 tatsächlich ein Virus mit saisonalem Auf und Ab? Oder wiegen wir uns mit dieser Hypothese in falscher Sicherheit?

Virus und Menschheit ab jetzt nur noch den Naturgewalten zu überlassen, wäre jedenfalls ziemlich naiv. Eine gute medizinische Versorgung, zu der Prophylaxe, Diagnostik und Therapie zählen, ist absolut notwendig, um Risikopatienten sowie weitere Teile der Bevölkerung vor schwerer Erkrankung und Tod zu bewahren. Das spiegelt sich auch in den aktuellen Corona-Zahlen wider, gerade im Hinblick auf die intensivmedizinischen Behandlungen und die Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19. Anfang dieser Woche meldete das Robert-Koch-Institut keinen einzigen Corona-Toten. Ein Umstand, der dazu führte, dass es die Pandemie dann doch wieder in die Schlagzeilen schaffte – mit der gleichzeitigen Erklärung, dass nicht alle Bundesländer die Todesfälle am Sonntag melden. Auf den Intensivstationen registriert man derweil Fallzahlen im vierstelligen und Neuaufnahmen im dreistelligen Bereich.

COVID-19 ist also inzwischen behandel- und überlebbar. Das hat einerseits mit dem Vorherrschen harmloserer Corona-Varianten zu tun. Andererseits funktioniert das Gesundheitswesen: Impfungen schützen die große Mehrheit vor Erkrankungen, vor allem vor schweren Verläufen, die zur Hospitalisierung führen. In den Kliniken findet die Versorgung der COVID-19-Patienten statt, mitunter intensivmedizinisch. Sollten zukünftige Corona-Varianten oder neuartige Viren keine brisantere Dynamik entfachen, könnten Lockdowns und andere unverhältnismäßigen Einschränkungen der Vergangenheit angehören.

SARS-CoV-2 würde sich dann endgültig einreihen in die Riege der Erreger akuter Atemwegserkrankungen, wie Rhino-, Influenza-, RS- oder Adenoviren, die alljährlich auftreten und Teile der Bevölkerung in unterschiedlicher Intensität treffen. Die saisonalen Grippe-Epidemien beispielsweise, die für Todesfälle im vier- bis fünfstelligen Bereich innerhalb weniger Monate verantwortlich gemacht werden, brachten bisher nie irgendwelche politischen Knallhart-Maßnahmen auf die Tagesordnung, die darauf ausgerichtet waren, die Impfquote zu erhöhen oder zwischenmenschliche Kontakte zu verbieten.

Dass die Ampel-Koalitionäre planen, die Apotheken in die reguläre Grippe-Impfkampagne einzuspannen, ist daher eine großartige, wenn auch längst überfällige Initiative. Zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker sind bereits qualifiziert, bis zur nächsten Saison könnten noch mehr geschult werden. Hinzu kommen die bereits seit Anfang des Jahres etablierten Corona-Impfungen in den Apotheken. Aufklären und impfen – mit diesem niederschwelligen Angebot könnte erreicht werden, dass das Gesundheitssystem noch weniger Gefahr läuft, überlastet zu werden, und dass die Gesellschaft über die Freiheiten dauerhaft verfügt, die ihr eigentlich grundrechtlich garantiert werden.

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