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Pandemie Spezial
Auf drei Wegen gegen Long-COVID
Bindung von Autoantikörpern mit BC 007 auf dem Prüfstand
Vielleicht wird es im Nachhinein als ein spannendes Stück Medizingeschichte betrachtet – doch die Augenärztin Priv.-Doz. Dr. Bettina Hohberger erklärte im Gespräch mit der DAZ, sie erlebe es derzeit als ein „Abenteuer“. Sie hatte bei ihrer Forschung zu Autoantikörpern an der Uniklinik Erlangen bei einem Glaukom-Patienten festgestellt, dass dieser nach einer Covid-19-Erkrankung weitere Autoantikörper gebildet hatte und vielfältige Long-COVID-Symptome zeigte. Nach einer einmaligen Behandlung mit dem DNA-Aptamer BC 007, das eine hohe Affinität zu diesen G-Protein-gekoppelten Autoantikörpern hat, waren diese bei dem Patienten nicht mehr nachweisbar. Der ophthalmologische Befund ergab eine verbesserte Mikrodurchblutung und seine Long-COVID-Symptome waren zurückgegangen. So kam Hohberger zu einem neuen Forschungsthema.
Long-COVID durch Autoantikörper?
G-Protein-gekoppelte Autoantikörper werden intensiv als eine mögliche Ursache für Long-COVID diskutiert. In einer Untersuchung an 31 Patienten wurden jeweils zwei bis sieben verschiedene Autoantikörper gefunden. Fast alle Patienten in dieser Untersuchung hatten Autoantikörper gegen den Beta-2-Rezeptor und den M2-Rezeptor. BC 007 ist ein Oligonucleotid, das an solche G-Protein-gekoppelten Autoantikörper bindet. Es wurde vom Start-up Berlin Cures für eine kardiale Indikation entwickelt und bereits in Phase-II-Studien für mehrere Anwendungen im Zusammenhang mit Autoantikörpern untersucht.
Bioassay statt Routinetest
Die in der Erlanger Studie eingesetzten Tests auf Autoantikörper sind nicht routinemäßig verfügbar. Wenige spezialisierte Labore bieten ELISA-Tests für einige Autoantikörper an, aber in der Studie wird ein Bioassay mit schlagenden Herzmuskelzellen verwendet, an denen sich verschiedene G-Protein-gekoppelte Rezeptoren befinden. Denn hier interessieren die zellulären Effekte. Doch so können nur wenige Proben pro Tag untersucht werden. Im Gespräch mit der DAZ riet Hohberger Patienten davon ab, sich auf eigene Initiative auf die Autoantikörper testen zu lassen. Denn die Autoantikörper allein würden kein Long-COVID auslösen. Sie kämen auch bei Probanden ohne Beschwerden vor. Für Long-COVID müsse noch mehr dazukommen – und es bleibe offen, was das ist. Doch auch ohne Information über den individuellen Autoantikörper-Status könnten Apotheken interessierte Patienten auf die Erlanger Studie verweisen.
Drei Gruppen unterscheiden
Denn seit Dezember 2021 ist die laufende Studie an BC 007 zum Teil eines größeren Projekts geworden. Unter dem Titel „disCOVer Erlangen“ entwickeln Augenärzte und Internisten gemeinsam ein strategisches Konzept zur Behandlung von Long-COVID-Patienten. Für diese Studie nimmt die Uniklinik Erlangen weiterhin Patienten an. Informationen und ein Patienten-Fragebogen sind unter www.discover-erlangen.de zu finden.
Das Projekt zielt gemäß seinem Studientitel auf die „Etablierung und Evaluierung eines klinischen Algorithmus zur objektiven Long-COVID Subtypisierung als essenzielle Basis für eine effektive Versorgung“. Patienten mit Long-COVID sollen dabei in drei Gruppen eingeordnet werden: Nachweis von Autoantikörpern, verbliebene Virenlast oder Organschäden nach Erkrankung.
- Nachweis von Autoantikörpern. Sofern G-Protein-gekoppelte Autoantikörper vorliegen, soll der neue Therapieansatz mit BC 007 erprobt werden. Dies geschieht im Rahmen des Projekts „reCOVer“, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird.
- Verbliebene Virenlast. Wenn hingegen noch eine geringe Virenlast verblieben ist, die zu einer andauernden T-Zell-Aktivität führt, käme eine Booster-Impfung als Therapieansatz in Betracht. Persistierende Viren wurden beispielsweise im Darm gefunden.
- Organschäden nach Erkrankung. Bei starken Organschäden als Folge der vorherigen akuten COVID-19-Erkrankung bietet sich die klassische Rehabilitation an, wie sie auch nach anderen Infektionskrankheiten stattfindet. Das betrifft beispielsweise Patienten mit einer Fibrose nach einer Pneumonie.
Diese Dreiteilung könnte im Idealfall auch die künftige therapeutische Vorgehensweise prägen. Möglicherweise ist Long-COVID ein zu weiter Begriff, um die Vielfalt des Problems zu beschreiben.
Symptome über mindestens drei Monate
Als Zielgruppe betrachtet Hohberger Patienten, die mindestens drei Monate nach der Infektion noch Symptome haben, also Post-COVID im Sinne der einschlägigen Leitlinie. Denn Symptome nach mehr als vier Wochen seien auch von vielen anderen Infektionskrankheiten bekannt. Long-COVID für bis zu drei Monate nach der Infektion sei daher nicht ungewöhnlich, aber längere Verläufe seien das Problem.
Langfristiger BC-007-Erfolg mit großen Fragezeichen
Für Patienten mit Autoantikörpern weckt der Therapieansatz mit BC 007 Hoffnungen, aber es bleiben zentrale Fragen offen. Die einmalige Infusion ohne relevante Nebenwirkungen war im Heilversuch erfolgreich, aber es bleibt zu fragen, wie ein Aptamer die Autoantikörper dauerhaft entfernen kann und warum diese nicht durch B-Zellen erneut gebildet werden. Hohberger sieht darin „das größte Fragezeichen“. Denn „die B-Zellen sind nicht auf einmal tot“ und das Aptamer habe nur eine Halbwertszeit von 12 Minuten. Zudem hätten nur wenige Heilversuche stattgefunden. Für „reCOVer“ gebe es schon genug Patienten. Derzeit seien 30 Patienten vorgesehen, die im Rahmen des Cross-over-Designs alle das Verum erhalten sollen. Die Vorbereitungen hierzu laufen bei der Universität Erlangen auf Hochtouren, berichtete Hohberger. Währenddessen bereite Berlin Cures eine größere Multicenter-Studie mit BC 007 vor. |
Literatur
Forschungsprojekt „Long COVID diagnostizieren & effektiv therapieren“. disCOVer Erlangen. www.discover-erlangen.de
Hohberger B et al. Case Report: Neutralization of Autoantibodies Targeting G-Protein-Coupled Receptors Improves Capillary Impairment and Fatigue Symptoms After COVID-19 Infection. Front. Med. 8:754667. doi: 10.3389/fmed.2021.754667
Wallukat G et al. Functional autoantibodies against G-protein coupled receptors in patients with persistent Long-COVID-19 symptoms. Journal of Translational Autoimmunity 4 (2021) 100100
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