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Inflation frisst Gehaltszuwächse

Welche Handlungsoptionen haben Apotheken?

Im Mai lag die Preissteigerung bei 7,9 Prozent, ein weiterer Zuwachs gegenüber dem Vormonat (7,4 Prozent). Das Minus bei den Real­löhnen und den Kaufkraftverlust spüren vor allem Beschäftigte und Haushalte mit niedrigem Einkommen. Welche Möglichkeiten haben Betriebe – die selbst auch von der Inflation betroffen sind – hier gegenzusteuern? Und was bedeutet die Situation für die Tarifparteien im Apothekenbereich?
Foto: megaflopp/AdobeStock

Dass derzeit gerade Familien und Singles mit kleinen Gehältern bzw. Ausbildungsvergütungen oder BAföG jeden Euro mehrfach umdrehen müssen und sich bei den drastischen Preissprüngen bei Lebensmitteln und Energie vieles einfach nicht mehr leisten können, ist verständlich und bekannt.
Bei den Apotheken selber schlagen natürlich die Energiepreise und Preis­erhöhungen im Logistikbereich auch zu Buche.
Noch ist keine Entspannung der Situation durch ein Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine abzusehen. Unternehmen wie Angestellte und Berufsnachwuchs müssen sich darauf einstellen, dass die Inflation hoch bleibt.

Auch die laufenden Tarifverhandlungen werden natürlich branchenübergreifend vom Inflationsgeschehen beeinflusst. Manche Experten wie Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) warnen, dass steigende Gehälter die Preissteigerung weiter anheizen. Andere wie Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sehen dagegen in hohen Tarifabschlüssen keine Gefahr und halten sie für angemessen.

Was ist möglich, was ist sinnvoll?

Was lässt sich also tun, damit die Gehälter weiter gut zum Leben reichen, ohne dass die Lohn-Preis-Spirale angeheizt wird? Gibt es andere Optionen für den einzelnen Betrieb, wenn das Plus auf dem Gehaltszettel vom Kaufkraftverlust aufgefressen wird?

In einem Interview in der Zeitschrift „Die Zeit“ lobt IW-Chef Hüther den ersten großen Tarifabschluss seit Beginn des Ukrainekriegs als vor­bildlich: Die 58.000 Beschäftigten in der Chemieindustrie erhalten als „Brückenlösung“ zunächst eine Einmalzahlung von 1400 Euro; eine Einigung auf dauerhafte Erhöhungen wurde auf den Herbst vertagt.

Generell empfehlen Experten, die unterschiedlichen Gehaltsgruppen nicht durch rein prozentuale Steigerungen immer weiter „auseinander zu dividieren“. In ihrem Kommentar bei Haufe.de nennen Stefanie Hornung und Sven Franke zwei Beispiele: In dem einen Fall bekommen alle Mit­arbeitenden, unabhängig von ihrem Grundgehalt, eine einheitliche Infla­tionspauschale ausgezahlt. Solche Zahlungen lassen sich auch zeitlich befristen und gegebenenfalls beim Sinken des Inflations­niveaus anpassen. In einem anderen Betrieb bekommen Angestellte im unteren Gehaltsdrittel 6 Prozent, im mittleren Drittel 5 Prozent und im oberen Drittel 4 Prozent mehr. Hier sind Fantasie und Fingerspitzengefühl, aber auch Transparenz gefragt, damit alle Teammitglieder sich fair behandelt fühlen.

Das gilt natürlich auch für die Sozialpartner. Im Apothekenbereich ist so ein Schritt Anfang 2022 sogar schon zweimal geglückt – im Tarifbereich des Arbeitgeberverbands Deutscher Apotheken (ADA) und der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter (TGL) Nordrhein. Für 16 von 17 Kammerbezirken gelten aktuelle Gehaltstarifverträge mit zweijähriger Laufzeit bis Ende 2023. Auch hier gab es keine linearen Steigerungen, sondern ein monatliches Plus, das in der niedrigsten Gehaltsstufe, nämlich bei den PKA, am größten ausfiel (siehe „Dreistelliger Sockelbetrag für alle: Neuer Gehaltstarifvertrag ab Januar 2022“ in DAZ 2022, Nr. 2, S. 63 und „Neuer Gehaltstarifvertrag für Nordrhein: Rückwirkender Abschluss mit fünf Stufen“ in DAZ 2022, Nr. 10, S. 77).

Gehalt oder Freizeit

Neben der Art und Höhe von Gehaltssteigerungen geht es in vielen Tarif­abschlüssen heute auch um mehr Freizeit bzw. die Flexibilität, zwischen Geld oder freien Tagen zu wählen. Ein Beispiel ist der aktuelle Tarifabschluss für die Erziehenden. Er schafft die Möglichkeit, einen Gehaltsbestandteil in zwei zusätzliche Entlastungstage umzuwandeln. Denn Fakt ist: Je nach Lebensphase und individuellen Umständen kann das eine oder das andere attraktiver sein. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Ergebnisse einer Studie zu den Generationen Y und Z im Arbeitsmarkt. Bei der Mitarbeitergewinnung liegt auch bei diesen jungen Beschäftigten das Grundgehalt als wichtigster Faktor auf dem ersten Platz, die Option auf flexible Arbeitszeiten dagegen erst auf Platz fünf. Dazu Florian Frank, Vergütungsexperte bei Willis Towers Watson: „Am Gehalt entscheidet sich, ob jemand bleibt oder geht, aber es hat wenig Einfluss auf die Motivation.“ Für Letztere seien Faktoren wie Sinn und Identifikation mit dem Unternehmen ausschlaggebend. |
 

Ungleiche Belastung

Kommentar von ADEXA-Bundesvorstand Tanja Kratt

Foto: Angela Pfeiffer/ADEXA

Tanja Kratt

„Den Gürtel enger schnallen“, das müssen in diesen Zeiten wieder deutlich mehr Menschen: der Pharmaziestudierende, der von den Eltern keinen Inflationsausgleich on top bekommt. Die alleinerzie­hende PKA, die bis Februar gerade so hinkam und sich nun wieder den Kinobesuch mit der Tochter spätestens in der zweiten Monatshälfte verkneifen muss. Der PTA, der seine Doppelhaushälfte noch abbezahlt und für den längeren Arbeitsweg auf das Auto angewiesen ist. Und auch die getrenntlebende Apothekerin, die sich ihre eher geringe Rente aus der langen Teilzeittätigkeit jetzt mit einem Minijob aufbessert. Boten und Reinigungspersonal dürften in den meisten Fällen ebenso unter den heftigen Preissteigerungen leiden. Viele Einsparmöglichkeiten bestehen nicht, wenn man schon vor der aktuellen Krise die Sonderangebote beim Discounter genutzt hat und Urlaube – nicht nur Corona-bedingt – Wunschträume bleiben mussten.

Apothekenleitungen haben verschiedene Optionen, um Existenzsorgen in ihrem Team zu begegnen. Dem PTA könnte ein Tankgutschein das Leben erleichtern. Der PKA hilft eine vorerst bis Jahresende befristete monatliche Inflationszulage. Dem Pharmaziestudierenden, der Arzneimittel austrägt, hilft vielleicht die Kostenübernahme von Fachliteratur.

Oder hat sich nicht doch das ganze Team eine Einmalzahlung verdient? Wenn Geld darüber entscheidet, ob man geht oder bleibt, dann ist die Gehaltsfrage eben doch wichtig für die Apotheken. Denn sie brauchen sowohl Nachwuchs und Wiedereinsteiger als auch erfahrene Teamplayer, die nicht wegen der besseren Verdienstaussichten in andere Bereiche wechseln.

Und ja, natürlich haben auch Sie als Inhaberin oder Inhaber jetzt höhere Betriebskosten. Es hilft dann meist, dies offen zu kommunizieren und anschließend im Team mögliche Lösungen zu diskutieren.

Auch bei den Rahmentarifverhandlungen ist Offenheit und Fantasie von beiden Seiten gefragt. Denk­verbote helfen gerade in Krisen nicht weiter. Es ist Zeit für neue Ideen und moderne, familienfreundliche Arbeitsbedingungen, aber auch Zeit für den Abschied von un­attraktiven alten Zöpfen wie der 13-Prozent-Regelung bei den Notdiensten.
 

Quellen

Hüther M. Ist es falsch, wenn die Gewerkschaften jetzt höhere Löhne erkämpfen wollen? Pressemeldung des Instituts der deutschen Wirtschaft, 5. Mai 2022, www.iwkoeln.de/presse/in-den-medien/michael-huether-ist-es-falsch-wenn-die-gewerkschaften-jetzt-hoehere-loehne-erkaempfen-wollen.html

Hornung S, Franke S. Inflation und Gehaltsteigerungen: Was Unternehmen jetzt tun können, Haufe.de, 2. Juni 2022, www.haufe.de/personal/hr-management/inflation-und-gehaltssteigerung-handlungsoptionen_80_567622.html

NN. Durchbruch in Tarifkonflikt: Mehr Geld und freie Tage für Kita-Erzieher. 18. Mai 2022, www.tagesschau.de/wirtschaft/tarifstreit-kita-101.html

Rößler M. Fair Pay: Wir brauchen einen umfassenden Kulturwandel in der Vergütung. Haufe.de, 15. März 2019, www.haufe.de/personal/hr-management/fair-pay-transparenz-und-chancengleichheit-bei-verguetung_80_483998.html

Sigrid Joachimsthaler

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