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Die Personalnot mit Apothekern aus Spanien lösen – eine Bestandsaufnahme
Bereits seit einigen Jahren gibt es seitens etlicher spanischer Apothekerinnen und Apotheker Interesse im Ausland zu arbeiten. Sowohl die Karrierechancen als auch die Gehälter sind im eigenen Land noch immer wenig ansprechend. Die Arbeitslosigkeit unter Akademikern ist hoch. Dadurch kommt der ein oder andere Pharmazeut auf die Idee, beispielsweise nach Deutschland zu wechseln, um hier auf aussichtsreichere Arbeitsbedingungen zu treffen. In Spanien ist die Arbeitslosigkeit seit der Finanzkrise 2008 sehr hoch und sank erst kürzlich unter die drei Millionen Marke. Vorherrschend ist ein sogenannter Arbeitgebermarkt. Das bedeutet, dass das Angebot an Fachkräften, die auf Stellensuche sind, die Anzahl der offenen Stellen übersteigt. Viele Bewerber kommen auf einen Arbeitsplatz und die Unternehmer können sich den geeignetsten Kandidaten aussuchen. Das gilt auch bei den dortigen Apotheken. Dazu kommt, dass es keine Tarifverträge für Apotheker gibt und die Brutto-Gehälter für Approbierte weniger als 2000 Euro monatlich betragen können. Verständlicherweise ist diese Situation für die arbeitssuchenden Pharmazeuten unbefriedigend. Im Ausland nach besseren Berufsaussichten zu suchen, ist für einige die logische Konsequenz.
Rundumbetreuung für spanische Pharmazeuten
Der deutsche Apotheker Patrick Marx hatte das 2015 erkannt und bietet seitdem in Zusammenarbeit mit der Apothekenkooperation Migasa an, spanische Apotheker bei ihrem Wechsel nach Deutschland zu betreuen. Die Hilfe beinhaltet nicht nur die Vermittlung an eine deutsche Apotheke, sondern auch allgemeine Unterstützung bei der Ankunft im fremden Land, wie etwa bei der Wohnungssuche. Marx führte zahlreiche Bewerbungsgespräche in Spanien und akquirierte zu Beginn aus etwa 120 Bewerbungen mehr als ein Dutzend, meist noch junge, spanische Apotheker, und vermittelte sie an interessierte Apotheken. Danach galt es, die deutsche Fremd- und Fachsprachenprüfung zu bestehen, was den meisten Bewerbern des Migasa-Projektes gelang.
Auch 2016 wurde das Projekt weiterverfolgt und Beziehungen zur spanischen Außenhandelskammer sowie zu Sprachschulen ausgebaut. Infoveranstaltungen wurden abgehalten und erneut zahlreiche, spanische Pharmazeuten nach Deutschland vermittelt. Als der Bedarf in den Migasa-Apotheken gedeckt war, standen die Kandidaten kurzerhand dem allgemeinen pharmazeutischen Arbeitsmarkt zur Verfügung.
Insgesamt wurden seit dem Beginn des ehrenamtlichen Projektes von Apotheker Marx 180 Apothekerinnen und Apotheker nach Deutschland vermittelt. Aktuell läuft das Projekt weiter und im Verlauf kamen auch Pharmazeuten aus Italien und Portugal dazu. Allerdings ist die Nachfrage seitens der spanischen Pharmazeuten in den letzten Jahren zurückgegangen. Obwohl die Rekrutierungsprozesse seit Beginn der Corona Pandemie auch online stattgefunden haben, sind es 2022 bisher nur drei Apotheker, die über das Migasa-Projekt den Weg in eine deutsche Apotheke gefunden haben. „Am spanischen Apotheken-Arbeitsmarkt dürfte der Rückgang der Nachfrage kaum liegen“, so Apotheker Marx. „Dieser war und ist für arbeitssuchende und angestellte Apotheker in Spanien katastrophal“. Er spielt auf die große Bewerberzahl pro Stelle und die geringen Verdienstmöglichkeiten an. So scheint es einmal mehr die Corona-Pandemie zu sein, die sich hier negativ auswirkt und die spanischen Kollegen vom Schritt ins Ausland abhält.
Dauerhafte Vermittlung erwünscht
Der Inhaber der Holtkamp-Apotheken in Sankt Augustin bei Bonn, Jan Möller-Holtkamp, der selbst viele Jahre in Spanien gelebt und gearbeitet hat, startete fast zeitgleich zum Migasa-Projekt ein ähnliches Vorhaben. Jahr für Jahr vermittelt auch er spanische Pharmazeuten an deutsche Apotheken. „Eine Nachfrage der spanischen Kollegen nach einem Arbeitsplatz in Deutschland war zwar immer gegeben, allerdings ist der Markt dafür überschaubar und war nie sehr groß. Erfahrungsgemäß kommt es zu Schwankungen in der Anzahl vermittelter Kollegen“, so Apotheker Möller-Holtkamp. Trotzdem konnte auch er ein temporär zurückgegangenes Interesse der spanischen Apotheker während der ersten beiden Pandemiejahre verzeichnen. Reisebeschränkungen und eine unsichere Zukunft verhinderten so manchen Plan auszuwandern. So vermittelte Jan Möller-Holtkamp während der Pandemie, wie sein Kollege Marx, nur etwa zwei bis drei Apotheker pro Jahr nach Deutschland. In guten Jahren sind es aber bis zu 15 und im Schnitt etwa zehn pro Jahr. Möller-Holtkamps großes Netzwerk in Spanien, Mundpropaganda sowie Kontakte zu Kammern und Hochschulen helfen ihm dabei. Ebenso wie Apotheker Marx betreibt er keine große Vermittlungsagentur. Für beide stellt ihr Engagement in der Vermittlung spanischer Kollegen eher ein persönliches Projekt dar. Bei der Auswahl der Kandidaten wird Wert auf Qualität und Seriosität gelegt. Sowohl die Kandidaten als auch die neuen Arbeitgeber sollen dauerhaft zufrieden sein. „So kommt es, dass die Kontakte langfristig bestehen bleiben und auch Jahre nach der Vermittlung neue Anfragen kommen“, so der Inhaber der Holtkamp Apotheken. Einige der ausgewanderten Apotheker wollen nach einiger Zeit die Chance nutzen, eine Filialleitung zu übernehmen oder gar selbst Inhaber einer deutschen Apotheke zu werden. Optionen, die es in Spanien kaum gibt. Kaufpreise sind dort aufgrund der zahlenmäßig beschränkten Lizenzen zum Betrieb einer Apotheke enorm hoch. Außerdem gibt es keine Filialapotheken und somit keine Möglichkeit als Filialleitung angestellt zu werden. Aus Sicht eines arbeitssuchenden, spanischen Pharmazeuten müssten die deutschen Arbeitsbedingungen sehr ansprechend klingen. Doch warum nutzen allgemein nicht mehr spanische Pharmazeuten die Möglichkeit auf einen Arbeitsplatz in Deutschland?
Großer Aufwand für wechselwillige Apotheker
Auch für Pharmazeuten aus der EU ist die Entscheidung nach Deutschland zu wechseln mit einem nicht zu unterschätzenden Aufwand verbunden. Sie müssen allgemeine Deutschkenntnisse auf Niveau B2 sowie die bestandene Fachsprachenprüfung auf dem Sprachniveau C1 vorweisen können, um in einer deutschen Apotheke zu arbeiten. Die Fachsprachenprüfung ist dabei nicht zu verwechseln mit der Gleichwertigkeitsprüfung, die Apotheker aus Drittstaaten (außerhalb der EU und des EWR) durchlaufen müssen, um die Gleichwertigkeit ihrer Ausbildung nachzuweisen. Zwar ist es vorteilhaft, dass der spanische Abschluss des Pharmaziestudiums EU-weit anerkannt wird. Dennoch stellt die Tatsache Prüfungen ablegen zu müssen eine gewisse Hürde für alle ausländischen Apotheker dar. Deutsch zu lernen und eine monatelange Vorbereitungszeit auf die Prüfungen – das kann und möchte nicht jeder auf sich nehmen. Vor allem ohne vorherige Deutschkenntnisse kann dieser Lernprozess langwierig sein.
Sind die ersten Hürden gemeistert, folgt eine intensive Einarbeitung in den deutschen Apotheken, bevor man sprachlich und fachlich bereit für eine Tätigkeit im HV ist. Zudem muss man abwarten, bis die Anerkennung des spanischen Berufsabschlusses vorliegt. Vieles ist bei uns anders als in Spanien, wo es beispielsweise keine Rabattverträge gibt. Außerdem unterscheiden sich die Medikamente und Produkte in beiden Ländern, um nur ein paar Unterschiede zu nennen. Das zeigt: Der Weg ist weit, um sich bei der Berufsausübung in der Apotheke sicher zu fühlen. Anfangs ist es durchaus möglich, sich mehr als Praktikant, denn als Apotheker, vorzukommen. Zusätzlich herausfordern können kulturelle Unterschiede, ein neues Team, neue Kunden und eine andere Mentalität. Die Motivation, um das alles auf sich zu nehmen, muss hoch sein und es muss viel Zeit investiert werden.
Eher für Berufseinsteiger
Strebt ein junger, ausländischer Studienabsolvent nur einen kurzzeitigen Arbeitsaufenthalt für ein oder wenige Jahre in Deutschland an, lohnt sich der Aufwand kaum. Auch die Apotheker Marx und Möller-Holtkamp raten davon ab. Für die Kandidaten selbst, aber auch für die deutschen Arbeitgeber ist eine langfristige Zusammenarbeit am sinnvollsten. Der Bewerber sollte sich möglichst entschlossen haben, dauerhaft in Deutschland zu bleiben.
Wie sieht es mit Apothekern mit längerer Berufserfahrung aus? Sowohl Marx als auch Möller-Holtkamp bestätigen, dass es sich hauptsächlich um junge Pharmazeuten handelt, die sich für eine Stelle in Deutschland bewerben. Hat man einmal seinen Platz in der Apothekenwelt des eigenen Landes gefunden, möglicherweise eine Familie gegründet und einen festen Wohnort gewählt, ist ein Neuanfang im Ausland ein großer Schritt. Ganz abgesehen von den dazugehörigen Konsequenzen und Hürden. Da ist es vorstellbar, dass auch ein vermeintlich besseres Gehalt in Deutschland nicht locken kann.
Zum Weiterlesen
Das Schwerpunkt-Thema „Als Apotheker im Ausland“ wurde in der DAZ 2019, Nr. 47 von verschiedenen Seiten beleuchtet. In diesem Rahmen berichtete Peter Ditzel in seinem Beitrag „Neue Wege gegen Personalmangel“ ab Seite 60 bereits über verschiedene Projekte der Apothekenkooperation Migasa. Lesen Sie darin mehr zu den Hintergründen, wie Apotheker aus dem Ausland nach Deutschland vermittelt werden.
Fazit
Auch wenn der Markt für die Vermittlung spanischer Pharmazeuten eher klein zu sein scheint, sind die Projekte der beiden Apotheker interessante Lösungsansätze. Zum einen, um aktiv gegen die Personalnot in Deutschland anzukämpfen und zum anderen Hilfe für arbeitssuchende Pharmazeuten aus dem EU-Ausland anzubieten. Letztendlich bleibt zu hoffen, dass sich nach den ersten Jahren der Corona-Pandemie wieder mehr spanische Pharmazeuten für einen Arbeitsplatz in einer deutschen Apotheke entscheiden. |
Literatur
Apothekerausbildung außerhalb von Europa abgeschlossen. Informationen der ABDA, letzter Zugriff 15. Juni 2022
Die Spezialisten für eine faire Vermittlung von spanischen Apothekern/Apothekerinnen an Deutsche Apotheken. Von Apothekern für Apotheker. Internetauftritt Solufarma, www.solufarma.de
Ditzel P. Neue Wege gegen Personalmangel – Wie die Apothekenkooperation Migasa bei der Personalsuche hilft. DtschApothZtg 2019;159(47):60-64
Gespräch mit Apotheker Patrick Marx
Gespräch mit Apotheker Jan Möller-Holtkamp
Heller F. Spanische Arbeitslosigkeit so gering wie seit 2008 nicht mehr. Nachricht von Euractiv, 3. Juni 2022
Hendrischke, M. Apotheker importiert spanische Kollegen. Nachricht von Apotheke adhoc, 13. April 2016
Luhmann E. Pharmazeutischer Alltag bei Sommer, Sonne, Strand und mehr. UniDAZ 2022;12(1):32-33
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