Arzneimittel und Therapie

Dreifachkombi gegen Endometrioseschmerz

Relugolix plus Estradiol plus Norethisteron erfolgreich

cel | Analoga des Gonadotropin-­Releasing-Hormons (GnRH-Analoga) verringern Schmerzen bei Endometriose, doch sie erhöhen die Osteoporose-Gefahr und sind daher nur für eine kurzfristige Behandlung indiziert. Eine Kombinationstherapie bestehend aus Relugolix plus Estradiol plus Norethisteron könnte das ­Problem lösen. Sie reduzierte in einer Phase-III-Studie neben den Endometrioseschmerzen auch den Knochendichteverlust.

Das orale Kombinationsarzneimittel Ryeqo® enthält 40 mg Relugolix, 1 mg Estradiol und 0,5 mg Norethisteron und ist zugelassen zur Behandlung mäßiger bis starker Symptome von Uterusmyomen. Alle drei Wirkstoffe – aus den Gruppen der Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga, Estrogene und Gestagene – werden aber auch mit Indikation Endometriose eingesetzt. Allerdings dürfen derzeit zulassungskonform bei Endometriose nur Dienogest als Monopräparat oder GnRH-Analoga angewendet werden. Estrogen/Gestagen-Kombinationen fehlt die Zulassung, ebenso einer Kombination der Sexualhormone mit einem GnRH-Analogon. Ändert sich das in Kürze? Im „Lancet“ wurden die Ergebnisse der SPIRIT-1- und der SPIRIT-2-Studie veröffentlicht, die die Hoffnungen schüren, dass eine Kombinationsbehandlung mit Relugolix, Estradiol und Norethisteron nicht nur bei Uterusmyomen helfen, sondern auch Endometriose-bedingte Schmerzen lindern könnte.

Foto: Yakobchuk Olena/AdobeStock

Das Studiendesign

Die beiden Phase-III-Studien SPIRIT 1 und SPIRIT 2 wurden multizentrisch (Afrika, Australasien, Europa, Nordamerika und Südamerika), randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert mit prämenopausalen Frauen (Alter von 18 bis 50 Jahre) mit Endometriose und mäßiger, schwerer oder sehr schwerer Dysmenorrhö durchgeführt. Die Frauen mussten während der Studie auf hormonelle Verhütungsmittel verzichten und durften nicht teilnehmen, falls ihre Knochendichte zu gering war (Dual Energy X-Ray Absorptiometry Z-Score < -2).

Die Frauen erhielten (1:1:1) einmal täglich ein orales Placebo, eine Relugolix-Kombinationstherapie (40 mg Relugolix, 1 mg Estradiol, 0,5 mg Norethisteronacetat) oder eine verzögerte Relugolix-Kombinationstherapie (40 mg Relugolix als Monotherapie, gefolgt von einer Relugolix-Kombinationstherapie, jeweils zwölf Wochen lang) über 24 Wochen.

Mit der verzögerten Relugolix-Gruppe wollten die Wissenschaftler die Monotherapie mit der Kombinationstherapie hinsichtlich Knochendichte und vasomotorischer Symptome vergleichen. Als co-primäre Endpunkte definierten sie die Ansprechraten der Patientinnen in Woche 24 im Hinblick auf eine Besserung der Dysmenorrhö und nicht-menstruelle Beckenschmerzen. Gibt es eine signifikante Besserung unter Relugolix, Estradiol plus Nor­ethisteron?

Dysmenorrhö gebessert

Von den 638 Patientinnen in SPIRIT 1 (Dezember 2017 bis Dezember 2019) und den 623 Patientinnen in SPIRIT 2 (November 2017 und Oktober 2019) erhielten jeweils ein Drittel Placebo, eine Relugolix-Kombinationstherapie oder eine verzögerte Relugolix-Kombinationstherapie. In der SPIRIT-1-Studie besserte sich bei 158 von 212 der Patientinnen (75%) die Dysmenorrhö durch die Relugolix-Kombinationsbehandlung statistisch signifikant verglichen mit der Placebogruppe – hier berichtete nur jede Vierte (27%, 57 von 212) über weniger Dysmenorrhö. Ähnliche Ergebnisse in der SPIRIT-2-Studie: 75% (155 von 206) der Patientinnen spürten eine Besserung ihrer Dysmenorrhö-Beschwerden, unter Placebo war es knapp jede Dritte (30%, 62 von 204 Patientinnen). Auch bei einer verzögerten Kombinationstherapie – wenn die Patientinnen zunächst für zwölf Wochen Relugolix erhielten und sodann Estradiol/Norethisteron für weitere zwölf Wochen – spürten 72% (SPIRIT 1) und 73% (SPIRIT 2) der ­Endometriosepatientinnen eine Besserung bei Dysmenorrhö. Der Erfolg einer verzögerten Kombinationstherapie ist damit ähnlich wie bei direktem Start einer Sexualhormon-Ergänzung.

­Beckenschmerzen gelindert

Auch bei nicht-menstruellen Beckenschmerzen half eine Relugolix-Kombinationsbehandlung den Patientinnen besser als Placebo: Die Beschwerden besserten sich unter Relugolix plus Estrogen-Gestagen bei 58% (124 von 212) der Patientinnen, unter Placebo gaben 40% (84 von 212) eine Besserung an (SPIRIT 1). Auch in SPIRIT 2 war die Relugolix-Kombination Placebo über­legen: Zwei Drittel der Patientinnen ging es bezogen auf nicht-menstruelle Beckenschmerzen besser unter Relugolix-Kombinationstherapie (66%; 136 von 206), unter Placebo waren es 43% (87 von 204 Patientinnen). Wie auch bei Dysmenorrhö waren die Ansprechraten hinsichtlich nicht-menstrueller Beschwerden bei verzögerter Relugolix-Kombibehandlung ähnlich: 58% (SPIRIT 1) und 53% (SPIRIT 2).

Signifikante Verbesserungen berichteten die Patientinnen auch bei weiteren Endometriose-bedingten Problemen (sekundäre Endpunkte), jeweils verglichen mit Placebo:

  • Besserung der durchschnittlichen Dysmenorrhö
  • Besserung der durchschnittlichen und allgemeinen Beckenschmerzen
  • Besserung der Dyspareunie (schmerzhafter Geschlechtsverkehr)
  • Besserung der Schmerzauswirkungen auf den Alltag
  • mehr Frauen konnten auf Opioide verzichten
  • mehr Frauen benötigten weder Opioide noch Nicht-Opioid-Analgetika (Signifikanz nur in SPIRIT 1)

Ein Nutzen der Relugolix-Kombinationstherapie bei Dysmenorrhö zeichnete sich nach acht Wochen ab, bei nicht-menstrualen Beckenschmerzen nach zwölf Wochen.

Weitere Therapieoptionen erwünscht

Unter Endometriose leiden etwa 10% der Frauen im gebärfähigen Alter, Kardinalsymptome sind Schmerzen und Unfruchtbarkeit. Ziel einer Endometriose-Behandlung, die stets als Langzeitbehandlung angelegt ist, ist eine therapeutische Amenorrhö bei den Patientinnen. Herausfordernd ist vor allem, dass es bei der Hälfte der Patientinnen jedoch innerhalb von fünf Jahren zu einem Rezidiv der Symptome kommt – unabhängig davon, ob chirurgisch oder medikamentös behandelt wurde. Die derzeitigen Behandlungsmöglichkeiten sind nicht für alle Patientinnen ausreichend, um eine Symptomfreiheit zu erreichen: Sie leiden unter Schmerzen, benötigen wiederholt Operationen oder dauerhaft Schmerzmittel. „Da die derzeitigen medikamentösen Behandlungen und chirurgischen Eingriffe möglicherweise nur eine unvollständige Schmerzlinderung bieten, sind die Patientinnen auf die Einnahme von Opioiden zur Schmerzkontrolle sowie auf wiederholte Operationen angewiesen“, erklären die Autoren im „Lancet“. Als Erstlinien-Behandlung dienen Gestagene, zugelassen ist Dienogest als Monopräparat – das rät auch die gemeinsame S2k-Leitlinie (Deutschland, Österreich, Schweiz) „Diagnostik und Therapie der Endometriose“. Als Zweitlinien-Therapie schlagen die Leitlinienautoren kombinierte Hormonpräparate, andere Gestagene als Dienogest oder GnRH-Analoga vor. GnRH-Analoga scheiden als Mittel der Wahl trotz sehr guter Wirksamkeit aus, da sie zahlreiche Nebenwirkungen – klimakterische Beschwerden und Osteoporose – mit sich bringen, weswegen auch die Behandlungsdauer auf drei bis sechs Monate zu begrenzen ist. Allerdings kann eine sogenannte Add-back-Therapie – eine parallele Einnahme eines kombinierten Estrogen-Gestagen-Präparats (off label) – Estrogen-Mangel-bedingte Nebenwirkungen verringern, sodass die Leitlinienautoren eine GnRH-Behandlung auch für bis zu zwölf Monate für möglich halten.

Add-back-Therapie stabilisiert Knochendichtewert

Gefürchtet bei einer GnRH-Analoga-Behandlung sind unter anderem Nebenwirkungen auf die Knochendichte. Schützt eine ergänzende Estrogen-Gestagen-Kombination vor einer abnehmenden Knochenmineralisation? Das sollte der Vergleich einer sofortigen Relugolix-Kombination mit einer verzögerten Relugolix-Kombination herausarbeiten. Die Knochenmineraldichte verringerte sich in der direkten Dreier-Kombination um 0,7% (SPIRIT 1) und 0,78% (SPIRIT 2), jeweils ver­glichen mit Placebo, bei dem sich die Knochendichte um 0,21% (SPIRIT 1) bzw. 0,02% (SPIRIT 2) reduzierte. Damit veränderten sich die Knochenmineraldichten (Lendenwirbelsäule, Hüfte) von Studienbeginn bis Woche 12 und 24 unter Relugolix-Kombinationstherapie in beiden Studien weniger als 1%.

Ergänzten die Patientinnen Estradiol/Norethisteron erst nach zwölf Wochen Monotherapie mit Relugolix, hatten sie eine um 2% (SPIRIT 1) bzw. 1,9% (SPIRIT 2) geringere Knochendichte verglichen mit der Placebogruppe. Allerdings war eine deutliche Abnahme der Knochenmineraldichte (Lendenwirbelsäule, Hüfte) vor allem bis Woche zwölf (Monotherapie Relugolix) zu beobachten. Nach Übergang in die Kombinationstherapie mit kombinierten Sexualhormonen stabilisierte sich der Knochendichtewert.

Unerwünschte Wirkungen

Am häufigsten berichteten die Patientinnen über Kopfschmerzen, Nasopharyngitis und Hitzewallungen als unerwünschte Ereignisse. Zudem erfassten Ärzte in beiden Studien insgesamt neun Berichte über Selbstmordgedanken (zwei in der Placebo-Vorlaufstudie, zwei in der Placebogruppe, zwei in der Relugolix-Kombinationstherapie-Gruppe und drei in der Gruppe mit verzögerter Relugolix-Kombinationstherapie). Es wurden keine Todesfälle gemeldet. Die Nebenwirkungsrate war den Studienautoren zufolge unter Therapie und Placebo vergleichbar.

Die Wissenschaftler ziehen das Fazit, dass die einmal täglich verabreichte Relugolix-Kombinationstherapie Endometriose-assoziierte Schmerzen signifikant besserte und gut verträglich war. Diese orale Therapie habe das Potenzial, den Bedarf an Opioiden oder wiederholter chirurgischer Behandlung zu verringern. |

 

Literatur

Giudice LC, As-Sanie S, Juan C Arjona Ferreira JC et al. Once daily oral relugolix combination therapy versus placebo in patients with endometriosis-associated pain: two replicate phase 3, randomised, double-blind, studies (SPIRIT 1 and 2. Lancet 2022;399(10343):2267-2279, DOI.ORG/10.1016/S0140-6736(22)00622-5

Diagnostik und Therapie der Endometriose. S2k-Leitlinie der Deutschen (DGGG), Österreichischen (OEGGG) und Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), AWMF-Registernummer 015-045, Stand: August 2020

 

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