DAZ aktuell

KV Hessen wettert gegen pharmazeutische Dienstleistungen

Ärztevertreter halten Umfang und Honorierung der Leistungen für einen „Schlag ins Gesicht“

eda | Nachdem in der vergangenen Woche bereits der Hessische Hausärzteverband Stimmung gegen die Apotheker und die pharmazeutischen Dienstleistungen machte, legt nun die Kassenärztliche Vereinigung (KV) des Bundeslands nach. Die Mitglieder werden in einem Schreiben aufgerufen, „Fälle, in ­denen eine inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat“, zu dokumentieren. Außerdem werden Mittel und Wege dargestellt, wie die Vor-Ort-Apotheken boykottiert werden können.

Dass die Einführung der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen in der ärztlichen Standesvertretung nicht unbedingt auf bedingungslose Gegenliebe stoßen wird, war abzusehen. Doch in Hessen findet aktuell eine äußerst perfide Stimmungsmache gegen die Apotheken statt. Zunächst war es der Hessische Hausärzteverband, der in der vergangenen Woche „Patienteninformationen“ an die Hausarztpraxen verteilte, die die pharmazeutischen Dienstleistungen in ein schlechtes Bild rücken sollen. „Im Sinne der Behandlungsqualität und Patientensicherheit“ müsse die Trennung zwischen Leistungen der Apotheken einerseits und der Ärzteschaft andererseits aufrechterhalten bleiben, hieß es in einer parallel versendeten Pressemitteilung. Mit den „sogenannten pharmazeutischen Dienstleistungen“ seien die Apotheken „massiv in den hausärztlichen Leistungs­katalog eingedrungen“. „Wenn jetzt Apotheken nicht nur gegen Corona und Grippe impfen, sondern auch anspruchsvolle Beratungen zur Arzneimittelsicherheit, Blutdruckkontrollen oder Asthmatiker-Schulungen anbieten dürfen, macht dies die Versorgung der Patienten noch unübersichtlicher und gefährdet die Behandlungsqualität“, ­kritisierte der erste Vorsitzende des Hessischen Hausärzteverbands, Armin Beck. Schlimmstenfalls stehe auch die Patientensicherheit auf dem Spiel.

Pathetischer Kotau vor den Apothekern

Aus der Kritik des Hausärzteverbands wurde inzwischen Hetze, die von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) aus demselben Bundesland stammt. In einem Schreiben an die Mitglieder, das auf der Website der KV öffentlich einsehbar ist, wird die Plakataktion des Hessischen Hausärzteverbandes zunächst begrüßt, denn sie bringe die ganze Diskussion auf den Punkt: „Eine qualitativ hochwertige pharmazeutische Beratung gibt es nur durch die Ärztin oder den Arzt.“ Weiter heißt es, dass „der damalige, pathetische Kotau vor den Apothekern, aufgeführt von vielen KV-Vorständen, die davon heute nichts mehr wissen wollen, unverzeihlich“ sei. Hier könne man als Hessen in Anspruch nehmen, dass man vor zwei Jahren, als es um die Beratungen zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz ging, ein klares, hartes und entschlossenes gemeinsames Handeln der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der KVen eingefordert hat. Argumente wie Schwesternkörperschaft hinsichtlich der Apothekerkammern, Kollegialität und die Aussage „wir brauchen uns doch gegenseitig“, seien auch heute immer noch absurd. Man habe die heutigen Probleme vorausgesehen.

Die KV Hessen hält die pharmazeutischen Dienstleistungen und die vorgesehene Honorierung für einen „Schlag ins Gesicht jeder Ärztin und jedes Arztes und eine Kriegserklärung der Apothekerinnen und Apotheker an die KV-Mitglieder“. Nun lasse sich „dieser schwere berufspolitische Fehler“ genauso wenig ändern wie die Vergangenheit an sich. Doch man solle nicht „noch den nächsten schweren Fehler“ machen, indem man zwar belle, aber nicht beiße.

Man wolle nicht nur eine verbale Antwort auf „diese indiskutablen Zustände“ geben. Die KV hält es für „dringend geboten“ , den Apotheken Grenzen zu setzen und „andere Wege“ gehen. Dazu zählt die Standesvertretung die Aufforderung aller Mitglieder, Fälle zu dokumentieren, in denen eine „inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat“. Darüber ­hinaus soll den Apothekern vor Ort signalisiert werden, „dass es insbesondere beim Bezug des Sprechstunden- und Praxisbedarfs immer Alternativen gibt“. Die KV selbst will „zuverlässige Anbieter“ finden, um „über Rezept­terminals in den Praxen Rezepte auf einem Weg einlösen zu können, der nicht durch inkompetente Beratung belastet ist“.

Schließlich wird angekündigt, eine rechtliche Überprüfung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes in die Wege zu leiten und bei zukünftigen Honorarverhandlungen die aktuellen Vergütungen der pharmazeutischen Dienstleistungen „als Benchmark“ anzusehen. Weitere Maßnahmen sollen folgen. Die KV bittet dringend um Unterstützung. An die Bundesregierung gerichtet, heißt es: „Möge sich die Ampel andere Wege überlegen, um einer offenbar sozial benachteiligten Berufsgruppe beizustehen. Lassen Sie uns daher gemeinsam etwas dagegen unternehmen!“

Eine offizielle Reaktion der hessischen Apothekerschaft gab es bisher nicht. Auf die Aktion des Hausärzteverbands erklärte die Präsidentin der Landesapothekerkammer Ursula Funke, dass sie davon überzeugt ist, dass es bei der „vordergründigen Aktion“ nur ums Geld gehe (AZ 2022, Nr. 27, S. 2). |

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