Arzneimittel und Therapie

Mit Atogepant gegen Migräne

Weiterer oraler CGRP-Rezeptorantagonist verspricht wie Rimegepant Hilfe

cel | Im April 2022 wurde mit Rimegepant (Vydura®) in der EU ein oraler CGRP-Rezeptorantagonist zur Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne zugelassen. Auch mithilfe von Atogepant, einem weiteren Vertreter dieser Wirkstoffklasse, lassen sich Migränetage deutlich reduzieren. Die Angaben schwanken zwischen 50 und 100%. Allerdings steht Atogepant bislang nur in den USA zur Verfügung.

Seit einigen Jahren forschen Pharmaunternehmen vermehrt an Arzneistoffen zur Vorbeugung von Migräne. CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) hat sich hier als wichtiges Ziel für die Migräneprävention herauskristallisiert und wird bereits erfolgreich genutzt: Migräne-Antikörper, speziell zur Vorbeugung von Migräne ent­wickelte Wirkstoffe, greifen in das CGRP-System ein. Allerdings müssen Migräne-Patienten Erenumab (Aimovig®), Fremanezumab (Ajovy®) und Galcanezumab (Emgality®) subkutan, also per Pen oder Fertigspritze, verabreichen, Eptinezumab (Vyepti®) kann nur intravenös gegeben werden.

Foto: Tryfonov/AdobeStock

Orale Prophylaxe mit Rimegepant und Atogepant

Doch auch eine orale Prophylaxe ist möglich und zwar mit den auch als Gepante bezeichneten CGRP-Rezeptor­antagonisten Rimegepant und Atogepant. Mit Rimegepant (Vydura®) schaffte am 25. April 2022 der erste Vertreter dieser innovativen Wirkstoffklasse die Zulassung in der EU, und zwar zur Akuttherapie der Migräne mit und ohne Aura sowie zur Prophylaxe bei episodischer Migräne.

Ein zweiter Vertreter dieser Wirkstoffklasse – Atogepant – ist auf einem guten Weg. Das bestätigen im ­Juni veröffentlichte Studiendaten in „JAMA Network“ („Rates of Response to Atogepant for Migraine Prophylaxis Among Adults: A Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial“). In den Vereinigten Staaten erhielt Abbvie bereits im September 2021 die Zulassung für Atogepant (QuliptaTM) zur Prophylaxe von episodischer Migräne (in den Stärken 10 mg, 30 mg, 60 mg). Am 21. Juni 2022 reichte das Unternehmen nun weitere Daten bei der FDA ein, um auch eine Zulassung zur Vorbeugung bei chronischer Migräne (Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen pro Monat, an mindestens acht dieser Tage Migräne) zu erhalten. Damit wäre Atogepant das erste „Gepant“, das zur Migräne-Prophylaxe sowohl bei episodischer wie auch chronischer Migräne angewendet werden dürfte.

Die Daten dazu wurden im JAMA veröffentlicht. Untersucht worden waren die Ansprechraten (mindestens 25%, mindestens 50%, mindestens 75% oder 100%) der Migräne-Patienten (18 bis 80 Jahre mit der Diagnose Migräne seit mindestens einem Jahr) auf Atogepant, jeweils nach Behandlungsintervallen von vier Wochen (Woche 1 bis 4, Woche 5 bis 8, Woche 9 bis 12) und verglichen diese mit Placebo. Den Nutzen ihrer Unter­suchung sehen die Studienautoren vor allem für die „Praxis“, da Ärzte durch die vergleichenden Daten ihren Patienten sodann einfach das unterschiedliche Ansprechen der Patienten auf eine gewählte Dosis und Behandlungsdauer erklären könnten.

Zulassungsstudie von Atogepant bei episodischer Migräne

Sie zogen dafür Daten aus der Zulassungsstudie von Atogepant (randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert, klinische Phase III, vom 14. Dezember 2018 bis 19. Juni 2020 bei Erwachsenen mit episodischer Migräne – vier bis 14 Migränetage pro Monat) heran (veröffentlicht im August 2021 im „New England Journal of Medicine“: „Atogepant for the Preventive Treatment of Migraine“). Die Patienten waren in vier Gruppen 1:1:1:1 aufgeteilt und hatten entweder einmal täglich 10 mg Atogepant (n = 222), 30 mg Atogepant (n = 230), 60 mg Atogepant (n = 235) oder Placebo (n = 223) für zwölf Wochen erhalten. Zuvor – 28 Tage bis Studienbeginn – hatten die Migräne-Patienten ihre Migränetage dokumentiert, diese dienten als Vergleichswert. Dabei zählte jeder Tag als Kopfschmerztag, an dem der Kopfschmerz mindestens zwei Stunden anhielt.

Die Studienteilnehmer durften als Akutmedikation NSAR, Triptane oder Ergotalkaloide, Opioide oder Paracetamol anwenden, sofern dies nicht häufiger als an zwei Tagen (Opioide), an zehn Tagen (Triptane, Ergotalkaloide) oder 15 Tagen (NSAR, Paracetamol) der Fall war.

Deutlich weniger Migränetage

Die Patienten litten bei Studienbeginn im Durchschnitt in der 10-mg-Atogepant-Gruppe an 7,5 Tagen im Monat unter Migräne, in der 30-mg-Atogepant-Gruppe an 7,9 Tagen und in der 60-mg-Atogepant-Gruppe an 7,8 Tagen. Unter allen Dosierungen ließen sich die monatlichen Migränetage nach zwölf Wochen um mindestens die Hälfte bei mindestens der Hälfte der Migräniker reduzieren: 55,6% unter 10 mg Atogepant, 58,7% bei 30 mg Atogepant und 60,8% unter 60 mg Atogepant – während diesen Effekt unter Placebo nur 29% der Studienteilnehmer beobachteten. Damit erhöhte Atogepant die Chance, dass sich die Migränetage um 50% verringerten, um das Drei- bis Vierfache verglichen mit Placebo.

Eine 25%ige Reduktion der monatlichen Migränetage erfuhren etwa drei Viertel der Migräne-Patienten unter Atogepant (73,4% unter 10 mg Atogepant, 77,1,% unter 30 mg Atogepant, 81,1% unter 60 mg Atogepant), unter Placebo waren es mit knapp 60% deutlich weniger. Dass sich die Migränetage um 75% reduzierten, trat – je nach Atogepant-Dosis – bei 30,4%, 29,6%, 37,8% der Probanden auf und bei 10,7% mit Placebo.

Keine Migräne mehr?

Bei manchen Patienten „verschwand“ die Migräne sogar ganz – sie berichteten nach zwölf Wochen Behandlung, dass sich ihre durchschnittlichen ­monatlichen Migränetage um 100% verringerten: Das war bei 7,9% unter 10 mg Atogepant, 4,9% unter 30 mg, 7,7% unter 60 mg Atogepant und 0,9% unter Placebo der Fall.

Wichtig ist auch die Beobachtung, dass die Ansprechraten auf Atogepant in den Vier-Wochen-Intervallen (meist) statistisch signifikant besser waren als auf Placebo, das bedeutet: Die beobachteten Unterschiede in den Ansprechraten lassen sich nicht allein durch Zufall erklären.

Verstopfung und Übelkeit

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählte Verstopfung (Atogepant: etwa 7%; Placebo: 0,5%) und Übelkeit (Atogepant: etwa 5%; Placebo: 1,8%). Behandlungsbedürftige Nebenwirkungen traten unter Atogepant und Placebo ähnlich häufig auf (etwa 50%).

Fazit

Die Ergebnisse untermauern, dass Atogepant in allen drei Stärken wirkt und die monatlichen Migränetage verringern kann – und dass eine Atogepant-Therapie die Wahrscheinlichkeit um das Dreifache erhöht, dass die ­Patienten nur noch an halb so vielen Tagen pro Monat an Migräne leiden. Dabei soll Atogepant bereits in den ersten vier Behandlungswochen wirksam gewesen sein. Mit der Dosierung und der Behandlungsdauer nahm der Anteil der Studienteilnehmer zu, bei denen sich die monatlichen Migränetage reduzierten. Zudem sollen sie mit der Behandlung „zufrieden“ gewesen sein: Etwa drei von vier Migränikern gaben an, dass sie sich viel oder sehr viel besser gefühlt hätten.

Wann die Zulassung für Atogepant in der EU beantragt werden soll, darüber liegen derzeit keine Informationen vor. |

Literatur

[1] Ailani J et al. Atogepant for the Preventive Treatment of Migraine. N Engl J Med 2021; 385:695-706 DOI: 10.1056/NEJMoa2035908

[2] Lipton BR et al. Rates of Response to Atogepant for Migraine Prophylaxis Among Adults: A Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open. 2022;5(6):e2215499. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.15499

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.