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Beratung

Individuell gegen Migräne

Wirkstoffauswahl statt „One-fits-all“-Prinzip

Triptane sind aus der Migränetherapie nicht mehr wegzudenken. Die drei Vertreter Almo­triptan, Naratriptan und Sumatriptan sind mittlerweile im Rahmen der Selbstmedikation zur akuten Behandlung von Migräneanfällen verfügbar. Trotz vieler Gemeinsam­keiten sind die Substanzen nicht gleichermaßen für jeden Patienten geeignet. Wann welches Triptan zum Einsatz kommt, sollte individuell entschieden werden. Um nicht nur eine sichere sondern auch die bestwirksame Therapie zu gewährleisten, sind neben relevanten Gegenanzeigen und Interaktionen, Wirkstoffunterschiede in Bezug auf Wirkdauer und Verträglichkeit zu beachten. | Von Carina John

Triptane sind nicht immer Mittel der ersten Wahl in der ­Migränetherapie. Leichte und mittelstarke Migräneattacken werden zunächst mit Analgetika, wie nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), behandelt. Sie wirken sogar auch bei einem Teil der Patienten mit schweren Migräneattacken. Triptane kommen erst zum Einsatz, wenn Patienten mit mittelschweren und schweren Migräneattacken nicht oder nicht ausreichend auf eine Therapie mit den genannten Analgetika ansprechen [1]. Die drei OTC-Triptane Almotriptan, Naratriptan und Sumatriptan, sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Allerdings dürfen sie in der Selbstmedikation nur angewendet werden, wenn die Migräne zuvor eindeutig durch einen Arzt diagnostiziert wurde.

(K)ein Fall für die Selbstmedikation?

Ein Arztbesuch ist außerdem erforderlich, wenn Migräne-Kopfschmerzen über 24 Stunden anhalten oder die Symptome zwischen den Attacken nicht vollständig verschwinden. Auch Patienten, bei denen vier oder mehr Anfälle pro Monat auftreten, sollten nicht im Rahmen der Selbstmedikation versorgt werden [1]. Weitere Faktoren, die eine ärztliche ­Abklärung verlangen, sind in Abb. 1 aufgeführt.

Abb. 1: Entscheidungshilfe In der Selbstmedikation dürfen Triptane nur angewendet werden, wenn die Migräne zuvor eindeutig durch einen Arzt diagnostiziert wurde. Bei metabolischen Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder neurologischen Auffälligkeiten muss ein Arzt konsultiert werden! (modifiziert nach [DAZ-Merkblatt „Triptane bei Migräne - ein Fall für die Selbstmedikation“])

Wirkung und Nebenwirkung zugleich

Zusätzliche Grenzen sind der Therapie durch die Gegen­anzeigen der Triptane gesteckt. Diese sind primär auf die vasokonstriktorischen Effekte zurückzuführen.

Triptane greifen als selektive Agonisten an verschiedenen Serotonin(5-HT)-Rezeptoren an. Durch die Bindung an 5-HT1D-, 5-HT1B- und 5-HT1F-Rezeptoren entfalten sie die ­gewünschte gefäßverengende Wirkung an zerebralen Blutgefäßen, die bei einem Migräneanfall pathologisch erweitert sind. Allerdings führt die Stimulation der in peripheren Blutgefäßen lokalisierten 5-HT1B-Rezeptoren auch zur Verengung von Gefäßen des Herz-Kreislauf-Systems (s. Abb. 2). In der Folge kann es zu unerwünschten Wirkungen, wie Blutdruckanstieg oder kardialen Zwischenfällen kommen. Triptane sollten daher nicht bei Patienten mit schwerwiegenden kardiovaskulären Erkrankungen wie Angina pectoris, koronarer Herzkrankheit, nach Herzinfarkt, transienter ischämischer Attacke (TIA), Schlaganfall oder fortgeschrittener peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) eingesetzt werden. Zu weiteren Gegenanzeigen in der Selbstmedikation zählen eine schwere Hypertonie sowie eine unkontrollierte leichte oder mittelschwere Hypertonie, seltene ­Migräne-Subtypen sowie schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen [2, 3, 4]. Die genannten Kontraindikationen der Triptane sollten in der Apotheke hinreichend bekannt sein. Allerdings zeigen Medikationsfehler, die im Lern- und Berichtssystem CIRS-NRW (Critical-Incident-Reporting-­System Nordrhein-Westfalen) gemeldet werden, dass gelegentlich fachliche Defizite bestehen – so auch im Fall „Naratriptan bei Bluthochdruck?“ (s. Kasten). Eine diesbezügliche Sensibilisierung bzw. Schulung des pharmazeutischen Personals ist wichtig, denn nicht immer leistet die Apothekensoftware „per Knopfdruck“ die erforderliche Unterstützung, wie im CIRS-Bericht deutlich wird.

Abb. 2: Wirkmechanismus von Migräne-Arzneistoffen Triptane binden agonistisch an verschiedene Serotoninrezeptor-Subtypen im Gehirn. Durch die Bindung an 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren bewirken sie eine Vasokonstriktion der während eines Migräneanfalls pathologisch erweiterten Blutgefäße im Gehirn. Über die agonistische Wirkung am 5-HT1F-Rezeptor hemmen Triptane die präsynaptische vesikuläre Ausschüttung von Calcitonin-genreguliertem-Peptid (CGRP) und verhindern damit die durch CGRP hervorgerufene Gefäßerweiterung. Ebenso führt die Bindung an 5-HT1F-Rezeptoren zu einer Hemmung zyklischer Adenosinmonophosphat(cAMP)-Signalkaskaden, die Schmerzempfinden über besondere Nervenfasern (A-Fasern) schnell weiterleiten (modifiziert nach [7])

Druck auf der Brust

Auch relevante Nebenwirkungen der Triptane, wie Unwohlsein und Hitzegefühl, Kribbeln, Schwindel sowie ein Engegefühl im Hals- und Brustbereich sind bei der Beratung zu berücksichtigen. Letzteres tritt unter Sumatriptan „häufig“, bei Almotriptan und Naratriptan hingegen nur „gelegentlich“ auf. Die Brustschmerzen gehen nicht mit EKG-Ver­änderungen einher und sind vermutlich auf extrakardiale Ursachen zurückzuführen. Patienten sollten dennoch darüber aufgeklärt werden, um Verunsicherungen vorzubeugen. Insgesamt ist Almotriptan das OTC-Triptan mit dem besten Nebenwirkungsprofil. Berichtet ein Patient in Zusammenhang mit der Triptan-Einnahme über Nebenwirkungen, kann unter Berücksichtigung der gewünschten Wirkdauer ein Wechsel auf Almotriptan versucht werden – immer ­unter der Abwägung der Notwendigkeit einer ärztlichen Konsultation.

Fallbeispiel aus CIRS-NRW*: Naratriptan bei Bluthochdruck?

Was ist passiert?
Ein Patient (in der Apotheke nicht bekannt) fragt in der Apotheke gezielt nach einem Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Naratriptan. Er hat aufgrund einer ärztlich diagnostizierten Migräne bisher ein NSAR eingenommen. Während des Beratungsgesprächs erfährt der Beratende, dass der Patient Bluthochdruck hat und Antihypertensiva einnimmt. Der ­Beratende gibt die genannten Medikamente in das Inter­aktionsmodul ein und erhält keine Warnungen. Er informiert den Patienten, dass nichts gegen die Einnahme spricht und gibt das Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Naratriptan ab.

Was war das Ergebnis?
Das Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Naratriptan wurde abgegeben, obwohl Bluthochdruck in der Selbstmedikation eine Kontraindikation für Naratriptan darstellt. Der Beratende nahm irrtümlich an, dass der Interaktionscheck auch Kontraindikationen berücksichtigt.

* Bei CIRS-NRW handelt sich um ein Internet-gestütztes Lern- und ­Berichtssystem für Ärzte und Apotheker zur anonymen Meldung von kritischen Ereignissen in der Patientenversorgung. CIRS-NRW soll dazu beitragen, dass über kritische Ereignisse offen gesprochen und aus ihnen gelernt wird. Es sollen Wege zur Vermeidung von Risiken diskutiert und Lösungsstrategien erarbeitet werden. Kritische Ereignisse aus der Apotheke können unter www.cirsmedical.de/nrw berichtet werden.

Lebensbedrohlicher Überschuss

Im Rahmen eines Interaktionschecks werden primär Sub­stanzen hervorstechen, die ebenfalls den Serotonin-Stoffwechsel beeinflussen. Die gleichzeitige Einnahme von Triptanen und Monoaminooxidase(MAO)-Hemmern, selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SNRI) sowie Johanniskraut-Extrakten kann zu einem Serotonin-­Syndrom führen. Aufgrund der starken vasokonstriktorischen Effekte ist die gleichzeitige Behandlung mit Ergotamin-haltigen Arzneimitteln oder einem anderen 5-HT1-Rezeptor-Agonisten kontraindiziert. Nach dessen Einnahme muss ein Zeitabstand von mindestens 24 Stunden bis zur Anwendung des Triptans eingehalten werden, ebenso im umgekehrten Fall – hier variieren allerdings die zeitlichen Angaben in den Fachinformationen [2, 3, 4]. Viele Patienten schätzen es, wenn sie für eine differenzierte Therapie zwei unterschiedliche Triptane zur Verfügung haben. Dennoch lautet die Empfehlung, verschiedene Triptane während einer Migräneattacke nicht miteinander zu kombinieren.

Die Datenlage zu dieser Wechselwirkung ist allerdings ­begrenzt. Theoretisch besteht ein erhöhtes Risiko koronarer Vasospasmen, daher ist die gleichzeitige Anwendung kontra­indiziert.

Wenn schnelle Hilfe erforderlich ist

Bei den drei rezeptfreien Triptanen setzt die schmerz­lindernde Wirkung bei Sumatriptan und Almotriptan am schnellsten ein. Laut S1-Leitlinie „Therapie der Migräne­attacke und Prophylaxe der Migräne“ wirken orales Sumatriptan und Almotriptan nach 45 bis 60 Minuten [1]. In den jeweiligen Fachinformationen wird ein Wirkeintritt nach ca. 30 Minuten postuliert (s. Tab. 1). Naratriptan benötigt aufgrund der längeren Halbwertszeit hingegen bis zu vier Stunden bis zum Wirkeintritt.

Tab. 1: Triptane, die in der Selbstmedikation zur Verfügung stehen [2, 3, 4]
Wirkstoff
Handelsname (Beispiele)
Einzel­dosis
Höchstdosis (pro 24 Stunden)
Alter (Zulassung)
Halbwertszeit
Wirkeintritt
Almotriptan
Almotriptan Heumann®bei Migräne 12,5 mg
Dolortriptan® bei Migräne
12,5 mg
25 mg
Abstand der Einzeldosen mindestens zwei Stunden
18 bis 65 Jahre
drei bis vier Stunden
30 Minuten
Naratriptan
Formigran®
Naradex® 2,5 mg
Naratriptan AL akut 2,5 mg
2,5 mg
5 mg
Abstand der Einzeldosen mindestens vier Stunden
18 bis 65 Jahre
sechs Stunden
bis zu vier Stunden
Sumatriptan
Sumatriptan Hexal® bei Migräne 50 mg
50 mg
100 mg
Abstand der Einzeldosen mindestens zwei Stunden
18 bis 65 Jahre
zwei Stunden
30 Minuten

Für die Symptomlinderung und damit das Wohlbefinden der Patienten kann es von Bedeutung sein, welches Triptan eingesetzt wird, wie auch das beschriebene Fallbeispiel (s. Kasten „Fallbeispiel: Falsches Triptan“) zeigt. Die Patientin konnte mit der Einnahme von Sumatriptan gute Erfolge erzielen, Naratriptan brachte hingegen nicht (schnell genug) den gewünschten Effekt. Im Beratungsgespräch ist es also wichtig, die Unterschiede der Triptane herauszustellen und Patienten dafür zu sensibilisieren, bei zukünftigen Arzt- und Apothekenbesuchen auf die Verordnung bzw. den Kauf des für sie geeigneten Triptans zu achten.

Ist also eine rasche Wirkung gewünscht, was vor allem bei starken Attacken der Fall ist, sind Sumatriptan und Almotriptan von Vorteil. Wichtig ist die frühzeitige Einnahme des Triptans unmittelbar mit Beginn der Kopfschmerzen, allerdings erst nach Abklingen der Auraphase.

Es besteht die theoretische Überlegung, Triptane könnten einen Hirninfarkt hervorrufen, wenn sie während einer ­Migräneaura angewendet würden, da die Aura selbst einen entsprechenden Risikofaktor hierfür darstellt. Diese Anwendungsbeschränkung stammt aus der S1-Leitlinie zur Therapie und Prophylaxe der Migräne, in der Fachinformation ist sie hingegen nicht zu finden [1, 2, 3, 4]. Offenbar sind Triptane ohnehin nicht während der Auraphase wirksam, da sie keinen Einfluss auf die sogenannte kortikale Streudepolarisierung (langsam ausbreitende Depolarisation von Nervenzellen der Hirnrinde) haben, die als Auslöser der Aura­symptomatik gilt.

Fallbeispiel: Falsches Triptan

Ein Kunde verlangt in der Apotheke ein Migräne-­Präparat für seine Frau. Diese liege, wie er weiter ­erläutert, mit einer starken Kopfschmerzattacke im Bett. Sie habe bereits zwei „Migräne-Tabletten“ eingenommen, damit jedoch – im Gegensatz zu bisherigen Migräneanfällen – keinen Erfolg erzielt.

Was war passiert?
Die Ehefrau litt bereits seit einigen Jahren an einer ärztlich diagnostizierten Migräne, die gut auf Sumatriptan ansprach. Nach einem Wohnortwechsel überbrückte sie einige Wochen mit einem OTC-Sumatriptan, bis sie erstmals einen neuen Arzt aufsuchte. In der Arztpraxis ­erhielt sie (aus unbekannten Gründen) ein Rezept über Naratriptan, welches sie am Morgen erstmals eingenommen hatte – ohne ausreichenden Erfolg, da die Wirkung nicht schnell genug einsetzte.

Doppelt hält besser?

Wie im Fallbeispiel (s. Kasten „Fallbeispiel: Falsches Triptan“) beschrieben, hat die Patientin aufgrund der fehlenden oder unzureichenden Wirksamkeit von Naratriptan eine zweite Tablette eingenommen. Dies ist aus Patientensicht zwar nachvollziehbar, therapeutisch jedoch nicht sinnvoll. Patienten, die auf die erste Triptan-Dosis nicht ansprechen, sollten für dieselbe Attacke keine zweite Dosis anwenden.

Ist die erste Gabe unwirksam, ist auch eine zweite Dosis meist ohne Wirkung (es sei denn, die erste Dosis wurde ­erbrochen). In diesen Fällen kann die Attacke mit Paracetamol, Acetylsalicylsäure oder nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) weiterbehandelt werden. Hat der Patient auf die erste Dosis angesprochen, treten die Symptome jedoch wieder auf, kann mit einem zeitlichen Abstand von mindestens zwei Stunden bei Sumatriptan und Almotriptan bzw. vier Stunden bei Naratriptan eine zweite Dosis innerhalb der folgenden 24 Stunden eingenommen werden. Anmerkung: Im ­Patientenbeispiel war der verzögerte Wirkeintritt von Naratriptan ursächlich.

NSAR als gute Sparringspartner

Alternativ kann bei unzureichender Wirksamkeit des Triptans unmittelbar die Kombination mit einem NSAR (s. Kasten „Zusatznutzen – Kombination mit NSAR“) probiert werden.

Bei längeren Attacken oder wiederkehrendem Migränekopfschmerz („Headache Recurrence“) hat sich die Kombination mit dem länger wirksamen Naproxen als erfolgreich erwiesen. NSAR stellen somit eine wichtige und sinnvolle Zusatzempfehlung dar, die in der Beratung Berücksichtigung ­finden sollte. Verschiedene Kombinationen sind möglich – am besten untersucht ist die gemeinsame Gabe von Sumatriptan und Naproxen, für die additive Effekte gefunden wurden.

Zusatznutzen der Kombination mit NSAR

  • Bei unzureichender Wirkung eines Triptans kann ­dieses mit einem rasch wirksamen NSAR kombiniert werden.
  • Die initiale Kombination eines Triptans mit einem lang wirkenden NSAR (z. B. Naproxen) wirkt besser als die einzelnen Komponenten und kann das Wiederauftreten der Migräneattacke zum Teil verhindern.
  • Bei Patienten mit langen oder wiederkehrenden Migräne­attacken kann mit zeitlicher Latenz ein lang wirksames NSAR gegeben werden.

Wenn es mal länger dauert

Patienten, bei denen die Migräneattacken länger andauern oder wiederkehren, profitieren von der Einnahme länger wirksamer Triptane. Denn nicht immer ist der Kopfschmerz mit der ersten Triptan-Dosis vorbei. Bei 15 bis 40% der Patienten kommt es nach der Einnahme zu einem Wiederkehrkopfschmerz (Headache Recurrence). Dieser wird definiert als eine Verschlechterung der Kopfschmerzintensität von Kopfschmerzfreiheit oder leichtem Kopfschmerz auf mittelschwere oder schwere Kopfschmerzen in einem Zeitraum von zwei bis 24 Stunden nach der ersten wirksamen Medikamenteneinnahme [1, 5]. Substanzen mit einer längeren Halbwertszeit (z. B. Naratriptan), haben etwas geringere Recurrence-Raten als solche mit kurzer Halbwertszeit.

Analgetika in Dauerschleife

Nicht immer gelingt es Patienten, die Triptan- oder Analgetika-Einnahme klar auf eine Migräneattacke zu begrenzen. Aus Angst vor Kopfschmerzen werden entsprechende Substanzen auch prophylaktisch bzw. häufiger als nötig eingenommen, wie das Fallbeispiel (s. Kasten „Fallbeispiel: Vorbeugende Arzneimitteleinnahme“) zeigt.

Fallbeispiel: Vorbeugende Arzneimitteleinnahme

Eine Kundin verlangt in der Apotheke Sumatriptan gegen ihren Migränekopfschmerz. Auf Nachfrage bestätigt sie, dass die Migräne bereits vor einigen Jahren durch einen Arzt diagnostiziert wurde. Im Beratungsgespräch stellt sich heraus, dass die Kundin unter einem eher dumpfen Kopfschmerz leidet, der mit zunehmender Häufigkeit auftritt – mehrmals pro Woche leidet sie mittlerweile darunter. Das hat dazu geführt, dass sie in den vergangenen Monaten zunehmend Sumatriptan und Ibuprofen eingenommen hat.

Die Symptomschilderung erscheint zunächst ungewöhnlich, zeichnet sich der Migräne-Kopfschmerz doch durch einen pulsierend-pochenden und meist einseitigen Kopfschmerz aus. Letztlich ist sie Indiz für eine Kopfschmerzform, die dringend einer ärztlichen Abklärung bedarf. Es besteht der Verdacht, dass die Patientin unter chronischen Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln leidet. Nach den Kriterien der International Headache Society (IHS) sind diese definiert als Kopfschmerzen, die an 15 oder mehr Tagen pro Monat über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten bestehen und durch die regelmäßige Einnahme von symptomatischer Kopfschmerzmedikation an mindestens zehn Tagen (Kombinationsanalgetika, Triptane, Mutterkornalkaloide oder Opioide) bzw. 15 Tagen („einfache“ Analgetika) pro Monat ausgelöst werden [6]. Eine Medikamentenpause, bzw. ein Medikamentenentzug (mit begleitender Prophylaxe) oder eine kontrollierte Reduktion unter ärztlicher Aufsicht sind entsprechende Behandlungsoptionen. Ein Standard in der Beratung sollte demnach sein, die Häufigkeit der Einnahme von Triptanen und Analgetika zu erfragen. Hierdurch wird einmal mehr deutlich, dass es sich bei den Triptanen um eine beratungsintensive Substanzklasse handelt. Primär sollten im Rahmen des Patienten­gesprächs sicherheitsrelevante Therapieaspekte adressiert werden. Ebenso wichtig ist es jedoch, die Wirkstoffauswahl in Bezug auf Wirkeintritt, Wirkdauer und Verträglichkeit individuell mit dem Patienten abzustimmen, um das bestmögliche Therapieergebnis zu erzielen. |

 

Literatur

[1] Diener H-C, Gaul C, Kropp P et al. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. S1-Leitlinie 2018, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.) Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie, www.dgn.org/leitlinien, abgerufen am 14. Juli 2022

[2] Fachinformation Sumatriptan 50 mg Tabletten. www.fachinfo.de/suche/fi/020645, abgerufen am 14. Juli 2022

[3] Fachinformation Almotriptan 12,5 mg Filmtabletten. www.fachinfo.de/suche/fi/005865, abgerufen am 14. Juli 2022

[4] Fachinformation Naratriptan 2,5 mg Tabletten. www.fachinfo.de/suche/fi/013529, abgerufen am 14. Juli 2022

[5] Ferrari M. How to assess and compare drugs in the management of migraine: success rates in terms of response and recurrence. Cephalalgia 1999;19(23 suppl):2-8

[6] The International Classification of Headache Disorders. International Headache Society, 3. Auflage, https://ichd-3.org, abgerufen am 14. Juli 2022

[7] Clemow DB et al. Lasmiditan mechanism of action -review of a selective 5-HT1F agonist. The Journal of Headache and Pain 2020;21:71, doi: 10.1186/s10194-020-01132-3

Autorin

Carina John, PharmD, Studium der Pharmazie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und zum Doctor of Pharmacy an der University of Florida, USA. Leitung der Abteilung AMTS / ATHINA der Apothekerkammer Nordrhein, Referentin im Bereich Fort- und Weiter­bildung, Autorin für die Deutsche Apotheker Zeitung und den Deutschen Apotheker Verlag, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der WestGem-Studie

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