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Prinzipiell austauschbar

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Ursprünglich war geplant, dass Apotheken ab dem kommenden Dienstag biotechnologisch hergestellte Arzneimittel analog zu den chemisch-synthetischen Generika austauschen sollen. Doch die Bundesregierung lenkte noch mal ein und hat den Stichtag nun auf den 16. August 2023 verschoben. Spätestens in einem Jahr werden wir also genauer wissen, unter welchen Voraussetzungen Biologika ausgetauscht werden dürfen bzw. müssen.

Außer bei den Krankenkassen regt sich überall Widerstand. Berufs- und Pharmaverbände protestieren seit Monaten lautstark gegen dieses Vorhaben. Befürchtet wird, dass es bei der Entscheidung für eine Austauschbarkeit mal wieder nur um Kostenaspekte geht und die Patienten sowie die Arzneimitteltherapiesicherheit auf der Strecke bleiben.

Die Sorgen sind nachvollziehbar: Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel gelten als nicht wirklich „trivial“. Sie verfügen mitunter über enge therapeutische Breiten, ihre Handhabung ist beratungs- und betreuungsbedürftig und die zu behandelnden Erkrankungen stellen eine große Herausforderung für alle Beteiligten dar. Die Entscheidung über einen Austausch allein dem Diktat der Krankenkassen und ihren Rabattverträgen zu überlassen, wäre also fatal. Die Erfahrungen mit der Substitution chemisch-synthetischer Wirkstoffe sind für die Heilberufler ein mahnendes Beispiel. Hinzu kommt, dass produktionsbedingt ein biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel nie identisch nachgeahmt werden kann. Chargenvariabilitäten sind unvermeidlich (S. 18).

Selbst wenn gegen den Wechsel objektiv gesehen zunächst nichts spricht, muss dieser sorgfältig durchgeführt werden. Es geht um nicht weniger als das Vertrauen der Patienten. Fehlende Adhärenz und der Nocebo-Effekt könnten schlimmstenfalls zu Therapie­abbrüchen und zur Krankheitsprogression führen. Verhindern lässt sich das nur durch eine gute und persönliche Bindung zu Ärzten und Apothekern.

In den Stellungnahmen der Berufs- und Pharmaverbände sowie der Arzneimittelkommissionen wird dem Austausch daher nicht grundlegend eine Absage erteilt. Von Referenzarzneimitteln kann und sollte ein Weg zu Nachahmerprodukten führen – doch dieser darf nicht durch Rabattverträge vorgezeichnet sein! Die Entscheidungshoheit sollte, auch wenn sie unter Wirtschaftlichkeitsaspekten erfolgt, stets bei den Heilberufen liegen. In der Literatur wird hierfür der Begriff Switch verwendet. Dieser stellt praktisch das Gegenteil zur (automatischen) Substitution dar, die stur auf Grundlage von Verträgen der Krankenkassen mit den Herstellern erfolgt.

Für uns Apothekerinnen und Apotheker ist dieser einjährige Aufschub der Biologika-Entscheidung eine große Chance. Die Chance, sich heilberuflich noch stärker zu profilieren und im Gesundheitssystem einen wichtigen Mehrwert zu schaffen. Denn es darf nicht nur darum gehen, sich aus der Rolle der Erfüllungsgehilfen für die Krankenkassen zu befreien, sondern sich aktiv am bisher ärztlichen Switch zu beteiligen. Während sich die Ärzte vor allem mit der Diagnose und Therapieauswahl beschäftigen, wäre die Apotheke der ideale Ort, um mit den Patienten gemeinsam die Auswahl und gegebenenfalls auch den Austausch eines Biologikums durchzuführen.

Der Switch wäre dann tatsächlich heilberuflich und eine vielversprechende Perspektive auf eine weitere honorierte, pharmazeutische Dienstleistung.

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