Arzneimittel und Therapie

Neue Risiken unter Mirena und Co.

Levonorgestrel-haltige Intrauterinsysteme mit aktualisierten Hinweisen

dm/daz | Verhütungsringe und Spiralen sollen die Verhütung leichter machen – muss man doch nicht an die tägliche „Pillen“-Einnahme denken. Aber auch bei den Levonor­gestrel-freisetzenden Intrauterinsystemen (LNG-IUS) sind Risiken zu beachten. Eine auf europäischer Ebene durchgeführte Bewertung der periodischen Sicherheitsberichte hat zu neuen Erkenntnissen geführt. So nimmt mit steigendem BMI das Risiko für eine Ausstoßung zu. Wird die Trägerin trotz LNG-IUS schwanger, muss das System so schnell wie möglich entfernt werden, um Virilisierungserscheinungen bei weiblichen Feten zu verhindern.
Foto: RFBSIP/AdobeStock

Orale kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHK) sind wegen ihrer Nebenwirkungen in die Diskussion geraten. Die Verordnungszahlen der „Pille“ sind rückläufig. Dennoch werden immer noch zu viele risikoreiche „Pillen“ verordnet, zu denen es risikoärmere Alternativen gibt.

Alternative Gestagen only …

So verweist beispielsweise die AOK auf Gestagen-Monopräparate als risikoärmere Alternativen. Auch in der DAZ 2021, Nr. 23, S. 36 ist ein ausführlicher Beitrag über die „Verhütung nur mit Gestagen“ (s. Kasten „Zum Weiterlesen“) zu finden. Und in Großbritannien dürfen seit Juli vergangenen Jahres in Apotheken orale ­Gestagen-Monopräparate sogar ohne Rezept abgegeben werden.

Während es in diesen Diskussionen vor allem um die verschiedenen „Pillen“ geht, werden auch Spiralen immer beliebter. Gerade bei jungen Frauen werden dann häufig Hormonspiralen gelegt, deren Wirkmechanismus – neben der mechanischen Präsenz – auf dem Gestagen Levonorgestrel basiert (z. B. Mirena®, KyleenaTM, Jaydess®).

… nicht ohne Risiken

„Wie bei allen anderen Gestagen-only-Systemen ist auch hier manchmal mit der Ausbildung von reversiblen Ovarialzysten und Hautunreinheiten zu rechnen. Immer wieder berichten ­Anwenderinnen von verschiedenen Unverträglichkeiten (unter anderem Stimmungstiefs bis Depressionen, Libidoverlust), die ernst genommen werden müssen“, erklärt Prof. Dr. Doris Maria Gruber in der DAZ 23/2021. Komplett risikofrei sind also auch ­solche Präparate nicht.

EMA / CMDh-Beschluss muss umgesetzt werden

Auf weitere (neue) Risiken muss jetzt aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Koordinierungsgruppe der EMA/CMDh vom 27. Januar 2022 in den Fachinformationen aufmerksam gemacht werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat dazu am 30. August 2022 einen entsprechenden Bescheid erlassen. Denn zu Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (alle Indikationen außer Notfallkontrazeption) war ein europäisches, die periodischen Sicherheitsberichte bewertendes Verfahren durchgeführt worden. Dabei sind der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und die Koordinierungsgruppe (CMDh) zu dem Schluss gekommen, dass neue Warnhinweise in die Produktinformationen aufgenommen werden müssen. Konkret geht es dabei um die genannten intrauterinen Wirkstofffreisetzungssysteme (veraltete Bezeichnung: Intrauterinpessare) – und zwei sehr unterschiedliche Risiken.

Maskulinisierung weiblicher Feten möglich

Das erste Risiko betrifft LNG-IUS (Levonorgestrel-freisetzende Intrauterinsysteme), die während einer Schwangerschaft im Körper verbleiben. Hier sieht der PRAC „einen kausalen Zusammenhang zwischen Levonorgestrel-haltigen intrauterinen Wirkstofffreisetzungssystemen und der Maskulinisierung weiblicher Feten […]“ oder hält ihn zumindest „für möglich“. Diese Sichtweise basiere auf verfügbaren Daten aus der Literatur und einem „plausiblen Wirkmechanismus“.

Die Einlage von Levonorgestrel-haltigen intrauterinen Wirkstofffreisetzungssystemen ist bei schwangeren Frauen kontraindiziert. Werden die Frauen dennoch schwanger, sollte es „zeitnah“ entfernt werden. Dieser Hinweis soll ab sofort so geändert werden, dass das System „so schnell wie möglich“ zu entfernen ist. Begründet wird dies damit, dass bei jedem in situ belassenen intrauterinen Kontrazeptivum das Risiko eines Aborts oder einer Frühgeburt erhöht sein kann. Zudem muss in den Produktinformationen darauf verwiesen werden, dass aufgrund der intrauterinen Levonorgestrel-Exposition ein erhöhtes Risiko für das Auftreten virilisierender Effekte bei einem weiblichen Fetus nicht ausgeschlossen werden kann. Es seien einzelne Fälle von Maskulinisierung der externen Genitalien von weiblichen Feten nach einer lokalen Levonorgestrel-Exposition durch ein eingesetztes Levonorgestrel-freisetzendes intrauterines System während der Schwangerschaft berichtet worden.

Zwar war auch schon zuvor auf mögliche virilisierende Effekte hingewiesen worden, doch wurde darauf verwiesen, dass es keine Hinweise auf Missbildungen gab, die durch ein Levonorgestrel-haltiges IUS in situ verursacht wurden. Der entsprechende Teil der Fachinformation wurde nun gestrichen.

Zu bedenken ist, dass bei Eintritt einer Schwangerschaft unter Anwendung eines LNG-IUS die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es sich um eine ektope Schwangerschaft handelt. Sie wird mit 50% angegeben.

 

Zum Weiterlesen

Verhütung nur mit Gestagen
Vor- und Nachteile der ­Gestagen-only-Verhütung
Von Doris Maria Gruber
DAZ 2021, Nr. 23, S. 3

Foto: thingamajiggs/AdobeStock

Neue Hinweise zur Expulsion

Das zweite Risiko, das die neue Risikobewertung thematisiert, ist das der Ausstoßung des LNG-IUS, also der Expulsion. Hieraus ergeben sich umfangreiche Änderungen der Fachinformationen unter diesem Punkt.

Einleitend wird darauf verwiesen, dass in klinischen Studien die Inzidenz von Ausstoßungen gering (weniger als 4% der Insertionen) war. Sie lag damit im Bereich anderer Intrauterinsysteme. Als Symptome einer partiellen oder kompletten Expulsion werden Blutungen und Schmerzen genannt. Da es unter LNG-IUS zu einer Oligo- oder Amenorrhö kommt, ist vor allem eine plötzlich verstärkt auftretende Menstruation ein ernst zu nehmender Hinweis auf eine Expulsion. Das LNG-IUS kann jedoch auch unbemerkt ausgestoßen werden.

Zudem muss in den Produktinformationen darauf verwiesen werden, dass das Risiko einer Expulsion erhöht ist bei

  • Frauen mit starken Menstruationsblutungen in der Vorgeschichte (einschließlich Frauen, die LNG-IUS zur Behandlung starker Menstruationsblutungen einsetzen), sowie bei
  • Frauen mit einem BMI über dem Normbereich zum Zeitpunkt der Insertion. Das Risiko steigt kontinuierlich mit zunehmendem BMI.

Die Frauen sollten hinsichtlich möglicher Anzeichen einer Expulsion sowie zur Überprüfung der Rückholfäden des LNG-IUS beraten werden. Ihnen wird dringend geraten, einen Arzt aufzusuchen, wenn die Rückholfäden nicht mehr gefühlt werden können. In diesem Fall soll eine Barrieremethode zur Schwangerschaftsverhütung (beispielsweise ein Kondom) angewendet werden, bis das LNG-IUS lokalisiert werden konnte.

Zudem muss jetzt in den Fachinformationen darauf verwiesen werden, dass auch bei einer partiellen Expulsion die Wirkung vermindert sein kann. Deshalb soll in diesem Fall der verbliebene Teil des LNG-IUS entfernt werden. Ein neues System kann eingelegt werden, wenn zuvor eine Schwangerschaft ausgeschlossen wurde. |

Literatur

Umsetzung des einstimmigen Beschlusses der Koordinierungsgruppe EMA/CMDh/4705.2022 vom 27. Januar 2022 betreffend die Zulassungen für Humanarzneimittel mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (alle Indikationen außer Notfallkontrazeption) BfArM-Bescheid vom 2. September 2022, www. bfarm.de

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