Aus den Ländern

„Es ist eindeutig Zeit für eine Erhöhung des Fixums“

Apothekerforum und Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Brandenburg

POTSDAM (ks) | Auch in Zeiten sich überlappender Krisen stehen die Apotheken verlässlich bereit – trotz Personalnot, zahlreicher Sonder­aufgaben und überbordender Bürokratie. Doch dem Bundesgesundheitsminister sind die Apotheken offenbar egal. Anders sind für Olaf Behrendt, Vorsitzender des Apothekerverbands Brandenburg (AVB), Karl Lauterbachs Sparpläne nicht erklärbar. Immerhin weiß der AVB-Chef Brandenburgs Gesundheits­ministerin an seiner Seite – doch auch ihr Einfluss ist begrenzt.

Am 23. und 24. September lud der Apothekerverband Brandenburg (AVB) nach zweijähriger Corona-Pause wieder zu seinem traditionellen Apothekerforum ein: In Potsdam traf man sich zunächst zur Fortbildung, dann stand die Mitgliederversammlung auf der Tagesordnung. Am ersten Tag stattete die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher den Apothekerinnen und Apothekern einen Besuch ab. Die Grünen-Politikerin betonte die Bedeutung der Apotheken vor Ort – sie sei durch die Pandemie nochmals gestiegen. Nie hätten sich die Apotheker um neue Aufgaben gedrückt, sondern sich vielmehr kurzfristig und „mit Bravour“ auf sie eingestellt. Die nun im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplanten Einsparungen zulasten der Apotheken liefen den sonstigen Bestrebungen der Bundes­regierung, die Vor-Ort-Apotheken zu stärken, diametral entgegen, betonte Nonnemacher. Sie sehe keine finanziellen Spielräume bei den Apotheken. Darauf fußt auch die auf Antrag Brandenburgs beschlossene Bundesrats-Empfehlung, auf den höheren Apothekenabschlag zu verzichten. Nun sei es Sache des Bundestags, die Argumente abzuwägen. Blockieren könne der Bundesrat das zustimmungsfreie Gesetz nicht, räumte die Ministerin ein.

Foto: AVB

Olaf Behrendt, Vorsitzender des Apothekerverbands Brandenburg

Behrendt: die Lage ist dramatisch

Bei der Mitgliederversammlung ließ dann AVB-Chef Behrendt in seinem Bericht das vergangene Jahr Revue passieren. Er zeigte die aktuellen drängenden Probleme auf und machte deutlich, was in der Berufspolitik derzeit gut läuft und wo es aus seiner Sicht hakt. Die Ist-Situation ist bekannt: Bei Corona gibt es noch keine Entwarnung, nun kommen der Ukraine-Krieg, Inflation und hohe Energiepreise hinzu. Es sei eine „wirtschaftlich dramatische Situation“, so der AVB-Vorsitzende – denn gerade in Brandenburg lebten die allermeisten Apotheken von der Rx-Abgabe – damit sei eine Weitergabe von Kostensteigerungen einfach nicht möglich.

Wenn nun Bundesgesundheitsminister Lauterbach den Apothekern beim Deutschen Apothekertag (DAT) zwar danke, sie aber zugleich mit dem „Sonderopfer“ des erhöhten Kassen­abschlags belege, zeige er „eindeutig, dass ihm die Apotheken egal sind“, erklärte Behrendt. Der Koalitionsvertrag der Ampel spreche von einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken, doch die geplanten Maßnahmen des Ministers liefen dem völlig entgegen. Der AVB-Chef kann sich hier der ABDA-Präsidentin nur anschließen: „Es ist bei den Apotheken nichts mehr zu holen“ – es sei „blanker Hohn“, von „Effizienzreserven“ zu reden. „Dankbar“ zeigte er sich für die Initiative die Brandenburger Landesregierung im Bundesrat. Auch wenn ihre Chancen nicht sehr groß sind, will sich Behrendt die Hoffnung noch nicht ganz nehmen lassen.

Der Vorsitzende verdeutlichte die vielfältigen Konsequenzen des von allen Entwicklungen abgekoppelten Fix­honorars: Da sind nicht nur die (zu Recht) gestiegenen Lohnkosten. Auch der sinkende Unternehmerlohn grenze mittlerweile an Selbstausbeutung. Mit diesem müssen u. a. das Risiko der Selbstständigkeit und die Altersvorsorge abgedeckt werden – doch das gelinge schon lange nicht mehr. Bei allen wichtigen Kennzahlen hinke die Wertschöpfung der Apotheken mittlerweile hinterher. Während von 2004 bis 2022 die GKV-Ausgaben um fast 90 Prozent, das BIP um 63 Prozent, der Tariflohn um knapp 48 Prozent und die Inflation um 36 Prozent gestiegen seien, habe die Wertschöpfung nur ein Plus von 21 Prozent verzeichnet. Und dabei sei der Anteil der Apotheken an den GKV-Ausgaben mit 1,9 Prozent so gering wie nie. Darauf jetzt ein Sonderopfer zu setzen, indem der Kassenabschlag für zwei Jahre um 23 Cent je Rx-Packung erhöht wird, ist für Behrendt nicht nachvollziehbar. Zumal die Apotheken ohnehin zahlreiche weitere Aufgaben übernähmen, für die sie nicht vergütet werden. „Da helfen auch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen nicht weiter“, so Behrendt. Die Kernaufgabe der Apotheken sei nun einmal die Arzneimittelversorgung – und diese müsse auskömmlich honoriert werden. „Es ist eindeutig Zeit für eine Erhöhung des Fixums – und überhaupt nicht für eine Erhöhung des Kassenabschlags“, so der Verbandsvorsitzende. Zumal: Wie sollen die vom Minister angedachten Einsparungen von 120 Millionen Euro, die die Apotheken so sehr treffen, das 17-Milliarden-Euro-Loch der GKV stopfen? Behrendt hat durchaus Verständnis, dass in Krisenzeiten Sonderopfer nötig sind – aber verzichteten Gesundheitspolitiker auf Teile ihrer Bezüge? Oder Krankenkassen auf Teile ihrer Verwaltungsausgaben?

Gegen den Präqualifizierungs-Irrsinn

Ein besonderes Augenmerk legte Behrendt zudem auf die Belastungen der Apotheken durch Bürokratie – speziell QMS und die Präqualifizierung. Was da gemacht werde, sei schlicht „unerträglich“. Apotheken beschäftigten hochqualifiziertes Personal und würden ständig behördlich überprüft. „Niemand kann mir erklären, warum wir hochpotente Arzneimittel wie Insuline abgeben dürfen, aber die Penkanülen nicht. Das ist ein Irrsinn, der nicht zu vertreten ist.“ Froh ist Behrendt, dass die ABDA dazu mittlerweile klare Worte spreche (und der DAT in der Vorwoche mit 99,7 Prozent die Abschaffung der Präqualifizierung einforderte). Harsche Kritik übte er aber an der Agentur für Präqualifizierung (AfP) – einem Unternehmen aus der Familie der wirtschaftenden ABDA-Töchter. Eigentlich gegründet, um den Kollegen und Kolleginnen das Leben leichter zu machen, gebe es dort unter der derzeitigen Geschäftsführung keinerlei vernünftige Unterstützung. Nicht nur, dass die Telefonzeiten wenig apothekenfreundlich seien und die Entscheidungen der AfP sich widersprächen – auch der Umgangston des Geschäftsführers sei „unverschämt“. Der DAV, so Behrendt, äußere sich dazu aber leider nicht.

Weiterhin berichtete Behrendt vom noch frisch zurückliegenden DAT in München. Auch vom umfassenden Antragsbuch, das er sich in Zukunft wieder knapper wünscht. Die Anträge müssten „sinnvoll und machbar“ formuliert werden, zudem sollte man vermeiden, Dritte zu belasten. Anderenfalls gebe es zu lange und zu wenig zielführende Diskussionen.

Sein persönlicher Tiefpunkt beim DAT sei der digitale Auftritt des Bundesgesundheitsministers gewesen. Lauterbach sei schlicht „nicht ministrabel“. Aus seiner Sicht müsste der Bundeskanzler hier „von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen“.

Ein weiteres wichtiges Ereignis in diesem Jahr war die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen. Auch wenn diese den Apotheken kein zweites finanzielles Standbein böten, seien sie politisch durchaus wichtig. Erstmals dürften Apotheken selbst eine Leistung veranlassen, die sie dann auch honoriert bekommen. Allerdings sei das Angebot eine echte Herausforderung, wenn die personellen Ressourcen fehlten. Loslegen müsse man dennoch – denn nichts wäre schlimmer, als wenn die Politik in zwei Jahren die Rolle rückwärts mache, weil gar keine Dienstleistungen abgerechnet wurden.

Drei Euro am Tag für die ABDA

Nicht zuletzt hatte Behrendt freundliche Worte für die ABDA übrig: „Wenn es sie nicht schon gegeben hätte, hätte man sie für Corona erfinden müssen“, sagte er. Zu all den Gesetzen und Verordnungen der vergangenen Pandemie-Jahre mussten kurzfristig Stellungnahmen formuliert werden, hinzu kam die „normale“ Gesetzgebung. Der AVB-Vorsitzende weiß: Das hätte man als einzelner Verband nicht leisten können. Für ihn ist auch klar, dass man bereit sein muss, für diese Arbeit zu zahlen – so wie man ja auch bereit sei, für Kundenzeitschriften oder Kooperationen Geld auszugeben. Im Schnitt koste die ABDA eine Apotheke drei Euro am Tag. „Das ist meiner Meinung nach nicht zu viel“, so Behrendt. Er zeigte sich zudem erneut froh, dass mit ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ein neuer Geist von Offenheit und Transparenz in die Standesorganisation eingezogen sei.

Das Kern-Problem

Doch auch wenn die Präsidentin aus seiner Sicht alles richtig macht – es gibt auch einen Bereich bei der ABDA, mit dem Behrendt Schwierigkeiten hat: die Öffentlichkeitsarbeit. „Hier haben wir ein Kern-Problem“, sagte er in aller Offenheit. Keinerlei Verständnis hat er, warum die erfolgreiche „Unverzichtbar“-Kampagne nun auserzählt sein soll – und nun dem Slogan „Einfach für dich da“ weichen musste. „Nichts ist einfach, alles wird komplizierter!“, meint dazu der AVB-Vorsitzende. Bei der Geschäftsstelle des Verbandes seien zahlreiche Beschwerden zu dieser Kampagne eingegangen. Am allerwenigsten Verständnis hat Behrendt für den auf einem Plakat verwendeten Claim „Geht nicht, gibt’s nicht“. Man müsse nur an Rabattverträge und Defekte denken. Laut Behrendt müsste die Botschaft eher sein: „Wenn‘ s nichts gibt, dann geht auch nichts mehr“. |

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