- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 39/2022
- KV Hessen kritisiert ...
DAZ aktuell
KV Hessen kritisiert pharmazeutische Dienstleistungen weiterhin heftig
Experten debattierten im Deutschlandfunk über die neuen Leistungen in Apotheken
Die Funktionäre der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen machen keinen Hehl daraus, was sie von den pharmazeutischen Dienstleistungen halten. So kommunizierte Frank Dastych, Arzt und Vorstandschef der KV Hessen, seinen Ärger darüber erneut vergangenen Freitag bei einer Debatte im Deutschlandfunk.
Apotheker wüssten wohl gut Bescheid über die chemische Zusammensetzung von Medikamenten, nicht aber über Krankheiten, sagte er. Und weiter: „Wenn man aber keine Ahnung von den Erkrankungen der Patienten hat, dann kann man die Arzneimitteltherapie schon mal gar nicht beurteilen.“
„Schauen Sie doch mal in das Curriculum rein, was ein angehender Pharmazeut an der Uni so lernt. Und dann frage ich mich allen Ernstes: Würden Sie sich von so jemandem ein hochwirksames, unter Umständen auch nebenwirkungsreiches Arzneimittel verordnen lassen? Würden sie das nehmen? Also ich kenne keinen Menschen, der halbwegs bei Verstand ist, der das machen würde.“
Aus der Sendung geht ebenfalls hervor, dass die KV zudem den Klageweg beschritten hat. Ebenso wie der GKV-Spitzenverband hat sie gegen den Schiedsspruch geklagt. Mehr will sie aber auf Nachfrage nicht preisgeben.
Intention missverstanden
Für ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening, die ebenfalls an der Debatte teilnahm, beruht die Ärzte-Kritik auf dem großen Missverständnis, dass Ärzte glaubten, ihre initiierte Therapie solle noch mal kontrolliert werden. „Das ist nicht unser Fokus. Das ist nicht das, was wir wollen. Wir wollen den Menschen helfen, dass sie ihre Therapie verstehen, dass sie ihre Therapie sicher und ganz effizient anwenden, damit es ihnen damit dann besser geht“, sagt sie im Deutschlandfunk. Sie hält das Wettern der Ärzte für abwegig. Dahinter steckt in ihren Augen vor allem ein Verteilungskampf. Es gebe einen Topf und wenn da einer etwas rausbekomme, gebe es schnell Futterneid verbunden mit der Angst, dass einem das, was der andere bekommt, später weggenommen wird.
Deutschland sei Arzt-zentriert
Die Deutschlandfunk-Debatte zeigt zudem, dass es auch außerhalb der Apothekerschaft Fürsprecher für die pharmazeutischen Dienstleistungen gibt. So ist beispielsweise Wolfgang Greiner, Inhaber des Lehrstuhls für Gesundheitsökonomie und Gesundheitsmanagement an der Universität Bielefeld und stellvertretender Vorsitzender des Gesundheits-Sachverständigenrats, der die Bundesregierung wissenschaftlich berät, über die Vehemenz der Konflikte zwischen Apotheker- und Ärzteschaft verwundert. Speziell bei dieser „Apotheker-Frage“ findet er das „heftig“. Er attestiert dem deutschen Gesundheitssystem eine große Arzt-Zentriertheit. Bei vielen Dingen, die anderswo nicht-ärztliche Berufsgruppen machten, müsste hierzulande immer ein Arzt gefragt werden. So sei auch die Position des Apothekers anderswo eine andere, gerade wenn man ans Impfen denke.
Einen großen Kritikpunkt an dem aktuellen Modell der Dienstleistungen hat Greiner allerdings: die fehlende Evaluation. Die sei im Gesetz nicht vorgesehen. ABDA-Präsidentin Overwiening, ist sich allerdings sicher, dass sich der Nutzen auch ohne vorgeschriebene Auswertung belegen lässt und verweist auf die Ergebnisse von ARMIN, die Ende Oktober veröffentlicht werden sollen. Dennoch sei die Apothekerschaft offen für eine Evaluation. „Da wird sicherlich in den nächsten Jahren einiges an Ergebnissen von uns kommen“, meint Overwiening.
Apotheken vor Ort nutzen
In der Runde befürwortet auch Carola Sraier, eine Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen, die pharmazeutischen Dienstleistungen. Sie hält Medikationsberatung in Apotheken für sinnvoll. Bei der aufgegliederten Behandlung durch viele Fachärzte habe jeder nur sein Segment im Blick, sagt sie. Sie findet es wichtig, die Apotheken vor Ort zu nutzen und den Patienten Strukturen zu geben, die der Hausarzt gar nicht bieten kann.
Mehr Ärzte als Lösung?
Für den HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing, der meint, dass apothekerliche Beratung Patienten eher verunsichert, geht die Entwicklung in eine völlig falsche Richtung: Die Politik versuche, einen drohenden Mangel an Ärzten auszugleichen, indem sie ärztliche Aufgaben in andere Hände gibt. Das sei der falsche Schluss: „Wir brauchen einfach mehr Ärztinnen und Ärzte“, so Junge-Hülsing. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.