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Arzneimittel und Therapie
Schutz für Herzklappen
Benzylpenicillin-Benzathin verhindert Progression des latenten rheumatischen Fiebers
Das rheumatische Fieber ist ein Musterbeispiel für eine Krankheit, die aus einem banalen Infekt entsteht und – wenn nicht erkannt und nicht korrekt behandelt – im Laufe der Zeit irreparable Organschäden verursacht. Ausgangspunkt der Erkrankung ist eine Infektion der oberen Luftwege mit Streptococcus pyogenes. Die kettenförmigen Bakterien besiedeln die Schleimhaut im Rachen und führen zum typischen Krankheitsbild der Angina. Wird die Angina durch eine Unterart der Streptokokken (Gruppe A nach der Lancefield-Klassifikation) verursacht, sind Folgeschäden häufig. Gruppe-A-Streptokokken besitzen eine Oberflächenstruktur aus Polysacchariden, die bestimmten Glykoproteinen von Herzmuskelzellen ähneln. Die Polysaccharide werden vom Immunsystem als fremd erkannt. Die daraufhin produzierten Antikörper binden sich aber nicht nur an die Erreger, sondern kreuzreagieren mit den Glykoproteinen in Herzmuskelzellen. So entstehen Immunkomplexe, die sich in zahlreichen inneren Organen, besonders aber in Herzmuskelzellen ablagern. Im Herzen führen die Immunkomplexe zu einer schleichenden Zerstörung der Herzklappen. Das rheumatische Fieber ist also eine Art Kollateralschaden einer B-Zellen-vermittelten Immunantwort auf einen bakteriellen Erreger.
Immer noch ein Problem
Die Erkrankung ist in Mitteleuropa selten geworden, seitdem Kinderärzte bei Verdacht auf eine Streptokokken-Angina einen Rachenabstrich bakteriologisch untersuchen lassen und ein erkranktes Kind konsequent antibiotisch behandelt wird. In den Ländern des globalen Südens ist das rheumatische Fieber allerdings nach wie vor die häufigste und folgenschwerste infektiöse Herzerkrankung mit einer Todesfallrate von rund 10%. Weltweit wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit rheumatischem Fieber auf 40,5 Millionen geschätzt. Rund 300.000 Patienten sterben jedes Jahr.
Was nutzt eine Langzeit-Antibiose?
Eine Gruppe von Pädiatern aus dem Cincinnati Children’s Hospital Medical Center in Ohio ist der Frage nachgegangen, ob man den typischen Verlauf eines rheumatischen Fiebers durch eine Langzeitbehandlung mit Penicillin unterbrechen kann. Zu diesem Zweck untersuchten die Kinderärzte im Norden von Uganda 102.000 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 17 Jahren. Bei 3327 wurde die Verdachtsdiagnose eines latenten rheumatischen Fiebers gestellt. Bei 926 Kindern wurde die Diagnose durch eine Doppler-Echokardiografie bestätigt. Die Hälfte der Patienten erhielt alle vier Wochen eine intramuskuläre Injektion eines Depot-Penicillins (Benzylpenicillin-Benzathin). Die Kinder der Kontrollgruppe wurden nicht behandelt. Nach zwei Jahren wurden alle Studienteilnehmer erneut echokardiografisch untersucht und die Bilder zu Beginn und Ende der Studie durch vier Experten beurteilt [1].
Während sich der Funktionszustand der Herzklappen nur bei 0,8% der mit Depot-Penicillin behandelten Kinder verschlechtert hatte, waren es bei den nicht behandelten Kindern zehnmal so viele. Die typischen infektionsepidemiologischen Verhältnisse im Norden von Uganda lassen vermuten, dass sich die Kinder immer wieder neu mit Gruppe-A-Streptokokken infizieren und sich ohne Penicillin-Langzeittherapie die immunologischen Kollateralschäden kontinuierlich vergrößert und die Insuffizienz der Herzklappen weiter verstärkt hatten.
Woran eine solche Intervention trotzdem scheitern könnte
Gleichwohl sind die Autoren zurückhaltend, was die Empfehlung der Langzeittherapie eines latenten rheumatischen Fiebers mit Penicillin in Ländern wie Uganda betrifft. Erstens reagierten rund 2% der Kinder allergisch, einige sogar mit einem anaphylaktischen Schock. Zweitens geben die amerikanischen Kinderärzte zu bedenken, dass für eine adäquate antibiotische Behandlung Millionen Kinder regelmäßig mittels Echokardiografie untersucht werden müssten – dafür fehlen in den Ländern des globalen Südens allerdings die medizinisch-technischen und personellen Ressourcen. Auch könnte eine Langzeittherapie mit Depot-Penicillin zu Resistenzen bei anderen bakteriellen Pathogenen führen. |
Literatur
[1] Beaton et al. Secondary Antibiotic Prophylaxis for Latent Rheumatic Heart Disease; doi: 10.1056/NEJMoa2102074
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