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Management
Der Blick nach innen
Durch Coaching individuell dem Fachkräftemangel begegnen
Fast jede Apothekeninhaberin und fast jeder Apothekeninhaber kennt die Problematik: Angestellte zu halten oder gar erst welche neu einstellen zu können, wird zu einem immer größeren Kraftakt. Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig, und die Wettbewerbssituation verschärft die Situation. Obwohl es sich eher um ein strukturelles Problem handelt, stößt man immer wieder auf Apotheken, in denen der Personalengpass augenscheinlich weniger zu Buche schlägt als in anderen. Woran liegt das? Es gibt Apotheken, deren Annoncen bei Stellenportalen quasi schon einen Dauerplatz besetzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen und gehen. Zum Teil könnte dahinter stecken, dass die betroffenen Apotheken unter (potenziellen) Angestellten nicht aktiv weiterempfohlen werden. Das kann es für die jeweiligen Betriebe schwierig machen, neue Mitarbeiter zu finden.
In der Apothekenbranche gilt bekanntlich: Man kennt sich, man unterhält sich. Dass sich befreundete Apothekerinnen, Apotheker oder PTA und PKA gegenseitig von bestimmten Arbeitgebern sogar abraten, ist keine Seltenheit. Dabei muss den Apothekenleitungen die eher schlechte Reputation gar nicht bewusst sein. Sie vermuten dann eher die allgemeine Personalsituation hinter der misslichen Lage im Betrieb. Wenn es also „nur“ an bestimmten positiven Eigenschaften mangelt, muss es im Umkehrschluss doch möglich sein, dem persönlichen Fachkräftemangel in der eigenen Apotheke erfolgreich entgegenzuwirken.
Mit Coaching auf Ursachensuche
Dreht sich das Personal-Karussell in der eigenen Apotheke gefühlt immer schneller, springen immer wieder Angestellte ab. Und ist es scheinbar schier unmöglich, neue anzuwerben, ist es ratsam, einmal zu reflektieren, was die Kollegin oder der Kollege mit der beständigen Belegschaft anders macht als man selbst – notfalls mit externer Hilfe. Tatsächlich gibt es vieles, was Apotheken im Hinblick darauf „richtig“ machen können. Zum anderen existieren klassische „Fehler“, die Personalmangel zu einem sehr individuellen Problem machen.
Seit den letzten Jahren gibt es auch im Apothekensektor vermehrt Coaching-Angebote, die das Problem Mitarbeitersuche und -bindung analysieren und zu lösen versuchen. In den allermeisten Fällen ist es ratsam, sich rechtzeitig professionelle Hilfe zu holen, wenn man selbst mit seinem Latein am Ende. Dann geht man gemeinsam mit dem Coach auf Ursachensuche. Allein dieser Prozess kann schon dazu führen, dass sich die Moral im eigenen Team stabilisiert und verbessert, sodass die eine oder andere Mitarbeiterin dann doch weitere Zeit erhalten bleibt.
Kinderbetreuung, Kantine, Mitarbeiterparkplätze – für Apotheken eher unrealistisch
Doch auch bevor man einen Coach beauftragt und ihn sich ins Haus holt, gibt es vielerlei Möglichkeiten, wie man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am besten an den Betrieb bindet. Viele von ihnen sind jedoch in Apotheken schlichtweg nicht umsetzbar: Einen betrieblichen Kindergarten, eine Kantine oder Mitarbeiterparkplätze, wenn sich die Apotheke in der Innenstadt befindet, wird man seinen Angestellten kaum ermöglichen können. Auch Beförderungen gibt es naturgemäß in Apotheken nur in beschränktem Ausmaß. Trotzdem kann es von Vorteil sein, sich die einschlägigen Maßnahmen einmal zu Gemüte zu führen und abzugleichen, was in der Apotheke bereits umgesetzt wird oder zukünftig mithilfe externer Partner umgesetzt werden könnte.
Immer wieder thematisieren wir in der DAZ die „Personalnot in Apotheken“ aus verschiedenen Blickwinkeln. Wie ist die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt? Welche Möglichkeiten gibt es, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden? In diesem Artikel lesen Sie Tipps, wie sich der eigene Betrieb attraktiver gestalten lässt, um Beschäftigte langfristig zu motivieren und zu halten. Hierzu zählen:
- Eine positive Mundpropaganda zwischen Approbierten, PTA oder PKA ist das wohl wichtigste „Marketinginstrument“ für Apotheken.
- Analysieren Sie, welche Leistungen der Angestellten Sie regelmäßig wertschätzen und tatsächlich honorieren.
- Steigern Sie die Motivation und verbessern Sie die Stimmung im Team u. a. durch emotionale und rationale Maßnahmen.
- Gehen Sie „sparsam“ mit (neuen) Zwängen und Pflichten für Mitarbeiter um.
Selbstreflexion als Schlüssel zur Veränderung
Aber auch für Apotheken, die bereits viele der allgemeinen Ratschläge zur Mitarbeiterbindung befolgen, können Mitarbeiter ein rares Gut darstellen. Das kann ganz individuelle Gründe haben. „Hört man sich unter Apothekern und PTA um, was die Gründe für ihre Kündigung sind, kommen manchmal Unstimmigkeiten in der Führung des Teams oder auch ein Fehlen von freiwilligen sozialen Leistungen, die zu verbesserten Arbeitsbedingungen führen, zutage“, so Nicole Hackl, externer Coach für Apotheken. Fehler, die offenbar das Vertrauen des Mitarbeiters in den Chef nachhaltig geschädigt haben.
Wer erwartet, dass Angestellte regelmäßig in unbezahlten Überstunden an internen Besprechungen nach Dienstschluss teilnehmen oder obligatorische „To dos“ wie den Kassenabschluss erledigen, im Gegenzug aber nicht bereit ist, ab und zu einen Kaffee auszugeben, der brauche sich heutzutage nicht zu wundern, wenn die Motivation sinkt und Mitarbeiter schließlich abwandern, erklärt Hackl. Vielen angestellten Approbierten ist auch die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept ein Dorn im Auge. Diese in manchen Apotheken fast schon erzwungene Art, illegal zu handeln, macht es schwierig, für Angestellte Auswege aus der Situation zu finden. Und so suchen sich Approbierte, die diese Art der Arzneimittelabgabe nicht mitmachen wollen, Apotheken, in denen diese Praxis keinen Einzug gehalten hat.
Nicole Hackl hat in ihrer achtjährigen Berufspraxis als Beraterin von Apothekeninhabern bereits viel erlebt: „Niemand ist unfehlbar“ erzählt sie, „aber es ist wichtig, dass Dinge, die nicht passen, offen angesprochen werden können. Wenn es dem Team schlecht geht, geht es auch automatisch der Apotheke schlecht. Das Betriebsklima wirkt sich auf Kunden und schließlich auch auf den Umsatz aus.“ Grobe Schnitzer, wie aus der Sicht der Angestellten ungerechtfertigte Gehaltskürzungen oder das Streichen von zugesicherten Boni, lassen selbst die motivierteste Mitarbeiterin ratlos zurück, abgesehen davon, dass diese Vorgänge auch gar nicht mit dem geltenden Arbeitsrecht vereinbar sind.
Derartige Problematiken bieten dem Betroffenen oftmals keine andere Alternative mehr als zu kündigen: Wer leitet schon ein Verfahren gegen den eigenen Chef wegen Vertragsbruch oder unbezahlter Zahlungen ein und will weiterhin im Betrieb tätig sein?
Individuelle Fehler der Vergangenheit korrigieren
So steckt bei jeder Kündigung aus Unzufriedenheit über den Arbeitsplatz eine individuelle Ursache dahinter. Es lohnt sich also, auf Entdeckungsreise zu gehen, um individuelle Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und es in der Zukunft besser zu machen. In einem Betrieb mit offener Kritikkultur ist es leichter, die eigenen Mitarbeiter im Vorhinein zu befragen, wo es hakt oder ob es Verbesserungsbedarf gibt.
Doch es liegt keinesfalls nur an der Apothekenleitung, warum Angestellte die Flinte irgendwann ins Korn werfen. In vielen Fällen existieren Reibereien im Team. Es gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Arbeitsklima vergiften, Intrigen spinnen oder sogar mobben. All das kann zum Teil passieren, ohne dass es dem Chef bewusst ist. Auch in dieser Situation kann es schwierig werden, die Mitarbeiter dazu zu bewegen, offen über das bestehende Problem zu sprechen. Schließlich möchte niemand als „Petze“ dastehen oder gar jemanden verraten. „Wichtig in solchen Situationen ist, dass die Apothekenleitung immer einen Blick auf das Team wirft und eher früher handelt als zu spät. Bilden sich im Team einmal Grüppchen, die sich gegenseitig das Leben schwer machen, ist ein Konflikt schon tiefgreifend fortgeschritten. Hier heißt es handeln,“ weiß Nicole Hackl aus der Praxis.
In schwierigen Fällen kann es durchaus Sinn machen, sich Hilfe von außen zu holen: ein objektiver Berater oder Mediator, der mit allen Parteien spricht. Probleme sind manchmal nicht auf den ersten Blick erkennbar, und Fehler können unbewusst ablaufen. Quasi anonym könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Konstruktives und Negatives aufzeigen, ihre Sorgen und Verbesserungsvorschläge über diese dritte Person an die Apothekenleitung herantragen. Der Coach durchleuchtet die Situation objektiv, weist die Inhaberin oder den Inhaber auf Missstände hin, und schließlich wird in Einzel- oder Gruppengesprächen nach konstruktiven Lösungen gesucht.
Es gibt zahlreiche und vielschichtige Gründe, warum es mit den Mitarbeitern nicht klappt. Oftmals sind diese nicht auf den ersten Blick erkennbar.
Perspektivisch | Emotional | Rational | Werteorientiert |
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Es passt einfach nicht?
Natürlich müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die offensichtlich nicht zur Apotheke passen, nicht unbedingt gehalten werden. Die eigene Schiene zu fahren, das Unternehmen zu führen, wie man es selbst für richtig befindet, gehört natürlich zu den Privilegien einer Chefin oder eines Chefs mit eigener Apotheke. Manchmal passt es einfach zwischenmenschlich nicht, und man muss Angestellte ziehen lassen. Dabei tritt sehr schnell zutage, ob es sich lediglich um Einzelfälle handelt oder ob das Problem allgemein im Betrieb persistiert.
Um herauszufinden, ob es zwischenmenschlich harmoniert und eine neue Mitarbeiterin oder ein neuer Mitarbeiter ins Team passen könnte, sollte ein Probearbeiten durchgeführt werden. Ein oder zwei solcher Arbeitstage werden bereits von vielen Apotheken umgesetzt. Auch wenn man die Person an einem Tag nicht durch und durch kennenlernen kann und meist auch nicht das gesamte Team zugegen ist, lassen sich oftmals schon Tendenzen erkennen. Und auch für die Bewerberin oder den Bewerber sagt ein Probetag in vielen Fällen schon aus, ob sie oder er sich seinen Arbeitsplatz in der besagten Apotheke vorstellen kann oder eher nicht. „Wichtig hierbei ist auch“, so Coach Hackl, „dass Apotheken gezielt Mitarbeiter suchen und dies auch kommunizieren, etwa für einen bestimmten Bereich in der Apotheke, für den der neue Mitarbeiter auch wirklich gebraucht wird, beispielsweise eine PTA hauptsächlich für Labor und Rezeptur.“ Stellenanzeigen müssten individueller und attraktiver gestaltet werden, sonst sei der Bewerber hinterher enttäuscht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es nicht passt – eben weil man nicht ins Labor möchte. Die Aussage „jeder macht bei uns alles“ passe vielleicht für kleine Apotheken, aber nicht mehr für größere.
Festgefahrene Strukturen infrage stellen
Vor allem in bereits länger bestehenden Apotheken herrschen teilweise antiquierte Arbeitsvorstellungen. Jedoch ist der unerreichbare „Über-Chef“ gerade in den jüngeren Generationen out. PTA und PKA beschweren sich, in der Hackordnung ganz unten zu rangieren und das auch zu spüren. Eine Arbeitsatmosphäre in der berühmten Augenhöhe und ein wertschätzender Umgang miteinander, jenseits von Ausbildung und Satus, sind heutzutage angesagt.
Es lohnt sich, an festgefahrenen Strukturen zu rütteln und diese aufzubrechen, denn in der heutigen Zeit gilt es, sowohl Mitarbeiter langfristig zu binden als auch den Betrieb für neue Mitarbeiter interessant zu machen. |
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