Die Seite 3

Bundesgenussminister

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Eigentlich geht es ja gar nicht um Gesundheitsversorgung, und doch richten sich alle Blicke auf den Mann, der für sie in der Bundesregierung seit genau einem Jahr verantwortlich ist. Im Rahmen der geplanten Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken musste Karl Lauterbach als erster Minister etwas Konkretes abliefern. Gemeint ist das von Lauterbachs Haus federführend erarbeitete und von der Ampel-­Koalition Ende Oktober 2022 beschlossene Eckpunktepapier, das aktuell der EU-Kommission zur Prüfung vorliegt. Eine Legalisierung kann gesetzgeberisch nämlich eine größere Herausforderung darstellen als die Ausarbeitung neuer Verbote, vor allem dann, wenn es um potenziell gefährliche Betäubungsmittel geht.

Gesellschaftspolitisch scheint das Thema dagegen bereits entschieden zu sein – jedenfalls nach Ansicht von SPD, FDP und Grüne: Kiffende aus Genuss-Gründen sollen es hierzulande künftig leichter haben, an ihren „Bubatz“ zu kommen, ohne dabei zwangsläufig in Konflikt mit Polizei und Justiz zu geraten. Was schon seit Langem eine bekannte Herzensangelegenheit aus den Reihen von FDP und Grüne war, hat sich inzwischen auch bei den Sozialdemokraten etabliert. Auf Bundesebene, versteht sich! Hört man in die Länder, so gibt es parteienübergreifend deutlich kritische bis ablehnende Töne, weil dort die Situation in den Suchtzentren und Entzugskliniken allgegenwärtig ist.

Ausgerechnet mit Karl Lauterbach tritt nun aber ein Protagonist vor, dem man diese liberale Haltung so gar nicht zugetraut hätte. Zur Vermeidung von Erkrankungen verzichtet er seit Jahrzehnten auf jegliches Salz im Essen und trug in der Hochphase der Corona-Pandemie lieber FFP3- statt FFP2-Masken. Risiken ganz auf null zu reduzieren, wird ihm bei der Can­nabis-Legalisierung nicht gelingen. Das gilt nicht nur für den Gesundheitsschutz, sondern auch im Hinblick auf die politische Zukunft des Ministers selbst: Lauterbachs Eckpunkte sind zugleich gewissermaßen auch seine Bewährungsprobe. Der Schwenk vom ewigen Corona-Mahner zum plötzlichen Cannabis-Versager könnte schnell passieren und damit nähme sein Karriereweg ein jähes Ende. Außerdem brennen gesundheitspolitisch derzeit doch ganz andere Themen: Arzneimittellieferengpässe werden immer dramatischer und die (Kinder-)Kliniken geraten aktuell wegen Personal- und Bettenmangel an ihre Belastungsgrenzen.

Doch selbst wenn es die aktuelle Bundes­regierung mit dem Segen der EU schaffen sollte, die juristischen Hürden zu meistern, geht es noch um die konkrete Ausgestaltung der Cannabis-Versorgung. Die Apothekerinnen und Apotheker sehen sich – so die offizielle Sprachregelung – in einem heilberuflichen Zielkonflikt. Wie beim Testen oder Impfen will man sich zunächst mal wieder nicht festlegen. Es herrscht Ambivalenz. Cannabis als Genuss­mittel lehnt der Berufsstand eigentlich ab. Doch wenn, dann sollte der Vertrieb zumindest qualitätsgesichert ablaufen. Die Apotheken stehen bereit, so die Standesvertretung.

Ob eine Legalisierung richtig ist oder nicht, möchten wir in der DAZ an dieser Stelle nicht diskutieren. Vielmehr sollen Beiträge in dieser und der nächsten Ausgabe konkret beleuchten, warum der Berufsstand und die Apotheken besonders geeignet wären, zu Cannabis als Genussmittel zu beraten und die Produkte ab­zugeben. Schließlich möchten wir Sie aufrufen, liebe Leserinnen und liebe Leser: Würden Sie den Argumentationen folgen? Können Sie sich vorstellen, Genussmittel wie Cannabis zukünftig anzubieten? Oder haben Sie starke Argumente dagegen? Schreiben Sie an daz@deutscher-apotheker-­verlag.de

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