Lieferdienste

Ausgeliefert

Ein Kommentar

Julia Borsch, DAZ-Chefredakteurin

Lieferdienste sind kein Phänomen der Corona-Pandemie. Allerdings scheint der Drang (oder unter Umständen auch der Zwang), die eigenen vier Wände nicht zu verlassen, dieser Branche noch einmal Auftrieb gegeben zu haben. Essen, Lebensmittel oder eben auch Arzneimittel werden von meist zu Niedriglöhnen beschäftigten Fahrradkurieren vom Restaurant, dem Supermarkt oder eben der Apotheke bis an die Türschwelle gebracht. Die dahinterstehenden Unternehmen kümmern sich nur um diese letzte Meile – und damit um die Schaffung eines neuen Niedriglohnsektors.

Versorgen wollen all diese Unternehmen nicht. Sie wollen einfach nur ein Stück vom Kuchen haben. Denn sie sind ausschließlich dort aktiv, wo die Apothekendichte hoch ist und auch kein Mangel an Restaurants und sonstigen Einkaufsmöglichkeiten herrscht: in den Zentren deutscher Großstädte und nicht in den Randgebieten oder den Regionen mit schlechter Infrastruktur, wo man sie wirklich brauchen könnte. Es geht um Convenience – und um Rosinenpickerei. Denn auf dem Land würde sich ein solcher Lieferdienst kaum rechnen und wäre mit dem Fahrrad auch nicht zu leisten. Solche Rosinenpickerei ist in der Marktwirtschaft legitim, aber in einem solidarisch konzipierten Gesundheitswesen fehlen die dafür aufgewendeten Mittel dann für die Versorgung an anderer Stelle, beispielsweise den Apotheken bei anderen Versorgungsaufgaben.

Die Apotheken, die keine Rosinen­pickerei betreiben, sondern alle Aspekte der Versorgung anbieten und nicht nur „Net-Flix and Chill“ frei Haus, sollten sich sehr gut überlegen, ob sie sich solchen Lieferplattformen anschließen. Denn die „Partnerapotheke“ ist kaum wahrnehmbar und somit austauschbar – und zwar nicht nur gegen eine andere Apotheke, sondern vielleicht in Zukunft gegen ganz neuartige Dienstleister, die nur Arzneimittellager vorhalten. Die Beratung macht dann das nächste Start-up. Dass die Apotheke fehlt, fällt erst dann auf, wenn man nachts um drei vor für immer verschlossenen Türen steht oder akut etwas Spezielles braucht. Das Wort „ausgeliefert“ passt dann in jeder Hinsicht.

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