Toxikologie

Körperkunst mit Sicherheitsrisiken

EU reguliert seit Jahresbeginn Farben für Tattoos und Permanent-Make-up

Ein neues Jahr bringt oft neue Regeln und Gesetze mit sich. 2022 haben sich auch die Vorschriften zu Tätowiermitteln geändert. Eine EU-Verordnung schränkt die Farbenvielfalt bei Tattoos und Permanent-Make-up erheblich ein. Der Grund: Zahlreiche Inhaltsstoffe können zu gesundheitlichen Risiken wie Allergien, Krebs und Genmutationen führen. Bedeutet das jetzt das Aus für die Tattoobranche und damit das plötzliche Ende eines absoluten Modetrends?
Foto: mikhail_kayl/AdobeStock

Die Zahl der Menschen mit Tätowierungen oder Permanent-Make-up steigt nach wie vor stetig. 17% der Bevölkerung sind in Deutschland tätowiert. Hier regelt seit 2009 die Tätowiermittelverordnung (TätoV) den Umgang mit Tattoo-Farben. Weitere Bestimmungen finden sich im Lebensmittel-, Bedarfsgegen­stände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB). Sie besagen, dass keine potenziell gesundheitsschädigenden Tätowiermittel hergestellt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen. Die Tätowiermittelverordnung benennt in einer Negativliste beispielsweise krebserzeugende Azofarbstoffe und das allergene p-Phenylendiamin. Eine Positivliste, also eine offizielle Liste mit sicheren Farben, existiert bisher mangels aus­sagekräftiger wissenschaftlicher Daten nicht, es gibt auch kein Zulassungsverfahren. Der Hersteller ist primär für die Sicherheit der Mittel verantwortlich. Die Lebensmittelüberwachungsämter der Bundesländer kontrollieren die Qualität nur stichprobenartig.

Hintergründe der Vorschriften

In sechs weiteren EU-Mitgliedstaaten gibt es ähnliche nationale Verordnungen für Tätowiermittel wie in Deutschland. Um hier einheitliche Anforderungen auf europäischer Ebene zu er­zielen, hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) verbindliche Regelungen erstellt. Diese verbieten den Einsatz bestimmter Substanzen mit bekannter oder vermuteter gesundheitsschädigender Wirkung bzw. legen für die Verwendung spezifische Konzentrationsgrenzwerte fest. Das Ganze erfolgte im Rahmen der europäischen REACH-Verordnung (REACH: Regulation concerning the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), die in ihrem Anhang XVII geändert wurde. Hintergrund der Maßnahme: Die Bevölkerung soll nun besser vor Gesundheitsrisiken durch die nicht ausreichend erforschten Tätowierfarben geschützt werden.

Was nicht mehr erlaubt ist

Konkret dürfen keine Tätowiermittel mehr verwendet werden mit karzinogenen, mutagenen oder reproduktionstoxischen Chemikalien. Hierzu zählen z. B. bestimmte Azofarbstoffe, karzinogene aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Metalle und Methanol. Gleiches gilt für augenschädigende, hautreizende und allergieauslösende Stoffe. Nicht erlaubt sind zudem Substanzen, die gemäß der derzeit gültigen europäischen Kosmetikverordnung verboten oder auf Kleinstmengen beschränkt sind. Insgesamt beläuft sich die Zahl auf rund 4200 Substanzen.

Darüber hinaus wurden einheitliche Kennzeichnungsvorschriften fest­gelegt. Sie fordern die Angabe, dass das Gemisch für Tätowierungszwecke oder Permanent-Make-up zu verwenden ist, sowie die Angabe einer Referenznummer zur eindeutigen Identi­fizierung der betreffenden Charge. Das Etikett muss auch eine Liste aller Inhaltsstoffe und relevante Sicherheitshinweise umfassen. Zudem besteht eine zusätzliche Kennzeichnungspflicht für hautsensibilisierendes Nickel oder Chrom (VI), wenn diese Substanzen unterhalb des Konzentrationsgrenzwertes enthalten sind. Insgesamt sollen die Vorschriften mehr Transparenz bei den Tätowierern und ihren Kunden schaffen und ihnen zusätzliche Informationen an die Hand geben.

Seit 4. Januar 2022 in Kraft

Die neuen Vorschriften gelten seit dem 4. Januar 2022 in der gesamten EU – mit weitreichenden Folgen für den Handel. Bei vorsätzlichen Verstößen drohen strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Konsequenzen: eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro. Für die Pigmente „Blau 15:3“ und „Grün 7“ haben sich die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten auf einen Übergangs­zeitraum geeinigt, weil derzeit keine sicheren und technisch angemessenen Alternativen zur Abdeckung dieses Farbspektrums verfügbar sind und die Hersteller Zeit benötigen, um ihre Gemische umzuformulieren. Daher gilt die Beschränkung für diese beiden Pigmente erst ab dem 4. Januar 2023. „Blau 15:3“ und „Grün 7“ werden seit über zehn Jahren in Tätowiermitteln eingesetzt – ohne auffällige Irritationen oder Allergien. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, die unvollständig vorhandene Datengrundlage für beide Pigmente zu verbessern.

Tattoos und Gesundheitsrisiken

Im Zuge der neuen Verordnung hat das BfR häufig gestellte Fragen und Antworten zu Tätowiermitteln aktua­lisiert. Nachgefragt wird häufig zu Sicherheitsaspekten von Tattoo-Farben und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit. Hierzu muss man wissen: Tätowiermittel bestehen aus zahlreichen Einzelsubstanzen, etwa Pigmenten, Konservierungsstoffen und Stabilisatoren. Jenseits des allgemeinen Infektionsrisikos einer Tätowierung können viele der komplexen Farben bei der Injektion in die Haut unerwünschte akute Reaktionen wie Allergien hervorrufen. Die Langzeitwirkungen von Tätowiermitteln sind nur wenig erforscht. Bekannt ist: Zu einem späteren Zeitpunkt können Effekte auch an anderen Organen als der Haut auftreten. So zeigen Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung, dass beim Tätowieren Nanofarbpigmente von der Haut in die Lymphknoten wandern und sich dort dauerhaft ablagern. Selbst das Entfernen von Tattoos mittels Laser stellt eine Gesundheitsgefahr dar, weil hierbei toxische Spaltprodukte entstehen können. Mögliche Risiken variieren je nach Größe der Tätowierung, Pigmentkonzentration, Körperstelle, Bestrahlungsdosis sowie der verwendeten Wellenlänge des Lasers. Das BfR sieht insgesamt weiteren Forschungsbedarf und hält gezielte epidemiologische Studien für unerlässlich.

BfR-Empfehlungen für mehr Sicherheit

Natürlich kommt es beim Stechen von Tattoos auf Hygiene an. Durch das Einhalten von Mindeststandards lassen sich Infektionen vorbeugen. Als Leitlinie gilt die europäische Norm „Tätowieren – Sichere und hygienische Praxis“. Daneben zählen verträgliche Tattoo-Farben. Doch was gilt für die Sicherheitsbewertung von Tätowiermitteln? Zwar werden Tattoo-Farben mit gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffen im europäischen Schnellwarnsystem RAPEX gemeldet, allerdings gibt es bisher keine verbindlichen Kriterien für die Risikoeinstufung. Abhilfe schaffen sollen künftig analytische und toxikologische Prüfmethoden, welche das BfR erarbeitet hat [Stellungnahme Nr. 031/2021 des BfR vom 14. Oktober 2021]. Ob diese dazu beitragen werden, potenziell toxikologische Substanzen in den Tätowiermitteln zu minimieren und den Weg freizumachen für neue, regelkonforme Farben, bleibt abzuwarten. Vielleicht dürfen bald auch nur noch Motive im Hautton der Kundin oder des Kunden gestochen werden, wie es ein satirischer Artikel in der Tageszeitung „Die Welt“ prophezeit. |

Literatur

About European Rapid Alert system for dangerous products (RAPEX). Informationen der Europäischen Kommission, https://joinup.ec.europa.eu/collection/rapex/about

Chemische Stoffe. Bekleidung, Reinigungs- und Pflegemittel, Tätowiermittel, Kosmetik und Spielzeug: All das sind Beispiele für verbrauchernahe Produkte. Informationen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, www.bmel.de/DE/themen/verbraucherschutz/produktsicherheit/chemische-stoffe/taetowiermittel.html

EU konsequent – Nur noch Tattoos in Hautfarbe erlaubt. Glasauge – Das Satiremagazin der Welt, www.welt.de/satire/article236096310/EU-konsequent-Nur-noch-Tattoos-in-Hautfarbe-erlaubt.html

Fragen und Antworten zur vom BfR geleiteten Kooperationsstudie zum Nachweis von Tattoo-Farbpigmenten als Nanopartikel in Lymphknoten. Fragen und Antworten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 12. Oktober 2017, www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zur_vom_bfr_geleiteten_kooperationsstudie_zum_nachweis_von_tattoo_farbpigmenten_als_nanopartikel_in_lymphknoten-202224.html

Tätowierfarben und Permanent Make-up. Informationen der Europen Chemicas lAgency (ECHA), https://echa.europa.eu/de/hot-topics/tattoo-inks https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_taetowiermitteln-187854.html; Abruf: 12.01.2022

Tätowiermittel: Mindestanforderungen und Prüfmethoden. Stellungnahme Nr. 031/2021 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 14. Oktober 2021, www.bfr.bund.de/cm/343/taetowiermittel-mindestanforderungen-und-pruefmethoden.pdf

Tätowiermittel: Risikoeinschätzung von Pigment Blau 15:3 und Pigment Grün 7 Stellungnahme Nr. 039/2020 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 8. September 2020, https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/taetowiermittel-risikoeinschaetzung-von-pigment-blau-15-3-und-pigment-gruen-7.pdf

Verordnung (EU) 2020/2081 der Kommission vom 14. Dezember 2020 zur Änderung des Anhangs XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) betreffend Stoffe in Tätowierfarben oder Permanent-Make-up; https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32020R2081; Abruf: 12.01.2022

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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