Pandemie Spezial

Vom Wundermittel zum Problemfall

Anthelminthikum Ivermectin weiterhin auf dem Prüfstand

Der Hype um Ivermectin war groß, als das Anthelminthikum als Wundermittel zur Vorbeugung und Therapie von COVID-19 gehandelt wurde. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß, nachdem zahlreiche Studien keinen präventiven oder therapeutischen Benefit durch die Einnahme feststellen konnten. Diese Erkenntnis scheint sich auch in neueren Arbeiten fortzusetzen.

Als Anfang 2020 eine vermeintliche Wirksamkeit des ursprünglich zur Behandlung von Parasiten-Erkrankungen entwickelten Ivermectin (z. B. Driponin®) bei COVID-19-Patienten in einer Preprint-Veröffentlichung gezeigt wurde, war das mediale und wissenschaftliche Interesse groß. In Folge stieg der Einsatz des Anthelminthikums vor allem in Ländern Lateinamerikas und Asiens. Auch zahlreiche weitere Studien untersuchten die Wirksamkeit von Ivermectin bei oder zur Prävention einer COVID-19-Erkrankung. Indes wurden bei vielen von ihnen Studiendesign, eine geringe Teilnehmerzahl, Durchführung und Berichterstattung aufgrund von Qualitätsmängeln moniert. Auch obige, 2020 veröffentlichte Studie wurde zurückgezogen. Ein im Juli 2021 publizierter Cochrane Review auf der Basis von 14 Studien fand keine hinreichenden Belege für einen therapeutischen oder prophylaktischen Benefit von Ivermectin. Zudem wurde aus den USA von Überdosierungen und schweren Störwirkungen nach Anwendung des Anthelminthikums berichtet. Die aktuelle Leitlinie zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19 spricht sich daher mit einer starken Empfehlung gegen die Behandlung mit Ivermectin aus. Aber auch das Robert Koch-Institut (RKI), die Europäische Arzneimittelagentur EMA und die Weltgesundheitsorganisation WHO raten von einer Verwendung außerhalb kontrollierter Studien ab.

Gegenwärtige Einschätzung

Zwischenzeitlich wurden weitere Studien mit Ivermectin veröffentlicht und unter die Lupe genommen und die Evidenzlage aktualisiert. So etwa eine Untersuchung der National Institutes of Health, die Mitte Dezember 2021 ein Update vorstellten. In sieben randomisierten klinischen Studien mit hohem Impact-Faktor konnte kein Benefit von Ivermectin im Hinblick auf Therapie oder Prävention von COVID-19-Erkrankungen gezeigt werden.

In einem im Januar 2022 veröffentlichten Review wurden 23 publizierte Peer-Review-Artikel näher betrachtet. In den meisten Studien wurde Ivermectin in Kombination mit Doxycyclin, Azithromycin oder weiteren Arzneimitteln verwendet. Einige Studien befassten sich auch mit der prophy­laktischen Einnahme von Ivermectin. Hier könnte sich ein günstiger Effekt abzeichnen, was aber noch einer Bestätigung bedarf. |

Steckbrief Ivermectin bei COVID-19 (Quelle: RKI)

Dosierung:in klinischen Studien meistens tägliche perorale Gabe von 0,2 bis 0,4 mg/kg KG

Dauer: in klinischen Studien meistens als Einzelgabe, auch bis zu fünf Tage

Mögliche Nebenwirkungen:

  • Fieber, Pruritus, Hautödem, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Erbrechen/Übelkeit, Transaminasenerhöhung, asthmatische Anfälle
  • strenge Indikationsstellung in der Schwangerschaft (im Tierversuch Hinweise auf embryotoxische und teratogene Wirkung)

Zulassung: keine Zulassung für die Behandlung von COVID-19, Off-Label-Use

Datenlage:

  • Eine Metaanalyse von 14 randomisierten klinischen Studien ergab bei mehreren Endpunkten keinen Benefit (z. B. bei 28-Tage-Mortalität, klinischem Outcome, viraler Clearance).
  • Mehrere klinische Studien mit systemischer und inhalativer Verabreichungsform sind noch nicht abgeschlossen.
  • Berichte über Toxizitäten bei Überdosierung.

Bewertung:

  • Niedriger Evidenzgrad aufgrund zahlreicher methodischer Limitationen der bisherigen Studien.
  • Einsatz zur Therapie oder Prophylaxe nur im Rahmen kontrollierter klinischer Studien.
  • Schwere Toxizitätsrisiken bei unkontrollierter Anwendung

Literatur

Eerike M et al. Ivermectin in COVID-19 Management: What is the current evidence? Infect Disord Drug Targets. 19. Januar 2022 doi: 10.2174/1871526522666220119114035

Maria Popp et al. Ivermectin for preventing and treating COVID-19. Cochrane Library 2021, doi: 10.1002/14651858.CD015017.pub2

Nochmals: Ivermectin (DRIPONIN u.a.) gegen COVID-19? Informationen des arznei-telegramms, publiziert am 17. Dezember 2021

Why You Should Not Use Ivermectin to Treat or Prevent COVID-19. Informationen der Food and Drug Agency (FDA), www.fda.gov/consumers/consumer-updates/why-you-should-not-use-ivermectin-treat-or-prevent-covid-19, Abruf am 29. Januar 2022

Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut. Medikamentöse Therapie bei COVID-19 mit Bewertung durch die Fachgruppe

COVRIIN am Robert Koch-Institut. Medikamentöse Therapie bei COVID-19 mit Bewertung durch die Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut, doi: 10.25646/7743.18 Stand: 07. Januar 2022

Table 2d. Ivermectin: Selected Clinical Data, Informationen des National Institutes of Health, www.covid19treatmentguidelines.nih.gov/tables/ivermectin-data/, Abruf am 29. Januar 2022

EMA advises against use of ivermectin for the prevention or treatment of COVID-19 outside randomised clinical trials. Pressemitteilung der European Medicine Agency (EMA), 22. März 2021

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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