Foto: H_Ko/AdobeStock

Diskussion

Cannabis zu Genusszwecken aus der Apotheke?

Regulatorische Rahmenbedingungen, um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten

Im Koalitionsvertrag der Bundes­regierung heißt es „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Vor wenigen Wochen legte Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein Eckpunktepapier vor, das zumindest grob die Vorstellungen skizziert, wie die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag praktisch umgesetzt werden soll. Weitgehend offen bleibt darin die Frage, wie die Abgabe in den sogenannten lizenzierten Geschäften konkret geregelt sein soll. Dieser Beitrag zeigt, warum Apotheken vor Ort mit ihrem qualifizierten Fachpersonal als Abgabestellen in besonderer Weise geeignet sind, Cannabis zu Genusszwecken abzugeben. | Von Andreas S. Ziegler

Um es vorwegzunehmen, in diesem Beitrag wird nicht diskutiert, ob die Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum grundsätzlich eine richtige Entscheidung ist oder nicht. Zur Beantwortung dieser Frage kann die Naturwissenschaft beitragen, wenn es darum geht, die Gefährlichkeit bzw. das Suchtpotenzial einer Substanz zu beurteilen. Letztlich ist es aber eine gesellschaftspolitische Frage, bei der zahlreiche weitere Aspekte eine Rolle spielen, wie die Reduktion der Beschaffungskriminalität, die Sicherstellung einer gewissen Mindestqualität des gehandelten Cannabis, eine möglicherweise sinkende Hemmschwelle gegenüber dem Konsum psychoaktiver Substanzen oder die Ausweitung der mit Alkoholmissbrauch assoziierten gesellschaftlichen Probleme. In dieser seit Jahren kontrovers geführten und auf beiden Seiten oft mehr von Meinung als von Wissen geprägten Debatte muss letzten Endes die Gesellschaft als Ganzes eine Position finden und unter Abwägung aller Umstände eine Entscheidung treffen.

Umsetzbarkeit hängt von Position der EU ab

Zwar hat die Bundesregierung zur Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken ein klares Ziel formuliert, ob dies angesichts rechtlich bindender internationaler Verträge – allen voran der UN Single Convention on Narcotic Drugs und Verträge der Europäischen Union – erreicht werden kann, ist derzeit noch offen. Wegen dieser rechtlichen Unsicherheit soll das vom Kabinett konsentierte Eckpunktepapier der EU-Kommission zu einer Vorabprüfung vorgelegt werden, bevor das eigentliche Gesetzgebungsverfahren startet. Klar ist aber: Sollte Cannabis nach einem positiven Votum der EU-Kommission legalisiert werden, ist es mit einer grundsätzlichen Entkriminalisierung von Handel und Besitz bei Weitem nicht getan, vielmehr bedarf es insbesondere einer angemessenen Distributions- und Abgabeinfrastruktur. Diese muss dem Gefährdungspotenzial der Droge und dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung in angemessener Weise Rechnung tragen. Um den Warenverkehr mit Cannabis auch für den Freizeitkonsum zu übernehmen bietet sich das Apothekennetz mit seinen etablierten, zuverlässigen sowie bereits jetzt staatlich streng reglementierten und kontrollierten Strukturen in besonderer Weise an. Hinzu kommen die bereits vorhandene Erfahrung im Umgang mit medizinischem Cannabis, das hohe Berufsethos sowie die profunde pharmakologisch-toxikologische Fachkompetenz des pharmazeutischen Personals in Apotheken.

Know-how der Apotheken vor Ort zur Qualitätssicherung nutzen

Eines der Ziele, das die Bundesregierung mit der Legalisierung von Cannabis erreichen will, ist „die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern“. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Qualitätssicherung, wie sie z. B. durch die Identitätsprüfung von medizinischem Cannabis in Apotheken etabliert ist. Letztere belegt zudem, dass ein solches System auch dringend geboten ist. So wurden durch die Untersuchungen der Apotheken in der Vergangenheit wiederholt einzelne Chargen aus dem Verkehr gezogen, weil die Blüten durch Lichtbrand oder Schimmelbefall in ihrer Qualität beeinträchtigt waren. Derzeit sind im Straßenhandel Cannabis-Blüten mit einem Gehaltsspektrum von 1 bis ca. 25% Tetrahydrocannabinol (THC) erhältlich. Daher kommt der Identifizierung des jeweils vorliegenden Kultivars mindestens ebenso große Bedeutung zu, wie der makro- und mikroskopischen Qualitätskontrolle. Für die Identifikation unterschiedlicher Kultivare reicht der mikroskopische Vergleich oft nicht aus. Stattdessen ermöglicht es z. B. eine Dünnschichtchromatographie, wie sie das Arzneibuch vorsieht, zumindest semiquantitative Aussagen zu treffen. Andere Methoden, wie eine Identifizierung mittels IR-Spektroskopie oder kombinierter Farbreaktionen, sind denkbar und auch bei der Prüfung von medizinischem Cannabis zulässig. Allerdings müssen sie in ihrer Aussagekraft der Arzneibuch-DC gleichwertig sein, um verschiedene Produktgruppen hinsichtlich ihres THC/CBD-Verhältnisses zu diskriminieren. Prüfmethoden wie Makroskopie, Mikroskopie, Prüfung auf mikrobielle Verunreinigung oder semiquantitative Prüfungen setzen eine analytische Ausbildung und Kompetenz voraus, die deutschlandweit, flächendeckend faktisch nur in Apotheken vorhanden ist. Im Freizeitkonsum sollte ein im Vergleich zum medizinischen Cannabis gleich hohes Niveau der Qualitätssicherung etabliert werden. Man bedenke nur, welches Risiko von einer Verwechslung verschiedener Kultivare ausgeht, deren Gehalt sich um den Faktor 20 oder mehr unterscheidet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Falle einer Legalisierung mit zahlreichen Erstkonsumenten zu rechnen ist, die – anders als erstapplizierende Patienten – nicht medizinisch oder pharmazeutisch betreut werden.

Etablierter Umgang mit „kontrollierten Substanzen“

Ein weiterer Baustein der Qualitätssicherung sind die im Apothekenbereich etablierten und kontrollierten Liefer­ketten, die das Einschleusen von Ware aus nicht autorisierten Quellen faktisch ausschließen. Selbst wenn Cannabis, wie laut Eckpunktepapier vorgesehen, im Zuge einer Legalisierung des Freizeitkonsums vom Anwendungsbereich des nationalen Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) ausgenommen würde, behielte es aller Voraussicht nach aufgrund internationaler Verträge grundsätzlich den Status einer kontrollierten Substanz und unterläge damit einer lückenlosen Überwachung der Lieferkette. Dementsprechend ist auch laut Eckpunktepapier vorgesehen, die gesamte Liefer- und Handelskette (Anbau, Verarbeitung, Transport, Großhandel, Einzelhandel) einem Kontrollsystem (Track and Trace) zu unterwerfen, einschließlich einer Dokumentation der einzelnen Schritte. Es erscheint wenig sinnvoll, neue Kontroll- und Dokumentationssysteme zu entwickeln, zumal für die Belieferung der Apotheken mit dem pharmazeutischen Großhandel etablierte Logistikstrukturen bestehen, die kontrollierte Substanzen deutschlandweit an Apotheken als Abgabe­stellen liefern. Das Abgabebelegverfahren im Betäubungsmittelverkehr ist ein bewährter Prozesse, der jederzeit eine komplette Überwachung und notwendigenfalls auch Rückverfolgbarkeit jedes Einzelgebindes ermöglicht. Dieses etablierte System könnte auf Cannabis für den Freizeit­konsum übertragen werden, auch wenn es nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden sollte. Auch die gramm- bzw. millilitergenaue Dokumentation der Lagerbestände wird in Apotheken zuverlässig durchgeführt, sodass jederzeit Transparenz besteht, wo in Deutschland welche Cannabis-Mengen gelagert werden. Die sichere Lagerung und – falls erforderlich – die Vernichtung von Cannabis sind in den Apotheken qualitätsgesichert implementierte Prozesse, die andernorts nicht ohne Weiteres auf diesem Sicherheits­niveau realisiert werden können.

Flächendeckende Versorgung ist mehr als flächendeckende Distribution

Auf den ersten Blick mag es befremdlich erscheinen, im Zusammenhang mit dem rekreativen Gebrauch von Cannabis von der Notwendigkeit einer flächendeckenden Versorgung zu sprechen, handelt es sich doch bei Cannabis um ein Konsumgut und nicht um einen unverzichtbaren Bestandteil der individuellen Daseinsvorsorge. Soll jedoch mithilfe der Legalisierung der Straßen­handel bzw. Schwarzmarkt überflüssig und der damit einhergehenden Kriminalität der Boden entzogen werden, so muss deutschlandweit an jedem Ort in gleicher Weise Zugang zu legaler und qualitätsgesicherter Ware bestehen. Alternative Vertriebswege wie der Versand scheinen bei Cannabis(-Produkten) unangemessen und scheiden als Distributionsform aus. Dies ergibt sich auch aus dem Beratungsbedarf, der mit dem Konsum von Cannabis-Produkten einhergeht. In diesem Sinne bedeutet flächendeckende Versorgung mehr als flächendeckende Distribution. Notwendig ist für Konsumenten ein Beratungsangebot, das flächendeckend niederschwellig zur Verfügung steht. Andernfalls besteht in länd­lichen Regionen sogar die Gefahr einer Stärkung des lokalen Schwarzmarkts, verbunden mit allen Problemen, die dieser dann nach wie vor illegale Vertriebsweg mit sich bringt.

Foto: AndreasG/AdobeStock

Eine flächendeckende Versorgung außerhalb der Ballungszentren dürfte nur über Apotheken möglich sein, da deren wirtschaftliche Existenz und damit auch Präsenz in der Fläche – anders als bei Hanfshops – nicht vom Cannabis-Geschäft abhängt, sondern durch die Kernaufgabe der Apotheken gesichert ist. Hierin liegt auch eine weitere Gefahr der Abgabe von Cannabis für den Freizeitkonsum über alternative Vertriebswege: Apotheken könnten sich aus der Belieferung und Beratung zu Cannabis zu Genusszwecken zurückziehen, weil sie wirtschaftlich davon unabhängig sind und sich nicht auf eine Stufe mit Vertriebskanälen stellen möchten, die nicht mit dem pharmazeutischen Berufsethos vereinbar sind.

Überwachung

Der Handel mit Cannabis-Produkten erfordert ein besonderes Maß an Überwachung. Vor allem dann, falls die Abgabe über mehr oder weniger reglementierte Hanfshops ermöglicht würde. Die bloße Bezeichnung als „lizenzierte Fach­geschäfte“ geht nicht per se mit einer angemessenen Qualität und Transparenz einher. Es ist nicht vorstellbar, dass ohne staatliche Kontrolle mit Waren Handel getrieben werden darf, von denen bei unsachgemäßem Umgang ein signifikantes, gesundheitliches Risiko für den Verbraucher ausgeht. Dies widerspräche einer staatlichen Fürsorgepflicht. Doch wer sollte die neuen Überwachungsaufgaben übernehmen, die mit der Entstehung von Hanfshops einhergehen? Angesichts der regulatorisch relevanten Regelwerke und ihres fachlichen Sachverstands sind Amtsapotheker und Pharmazieräte prädestiniert dafür, entsprechende Aufsichtsfunktionen auszuüben. Dies ist bereits heute z. B. bei Reformhäusern, Bioläden, Fitnessstudios oder Sex-Shops der Fall. Dabei stellt sich zwangsläufig die Frage, warum man den zuständigen Beamten die Kontrolle weiterer Verkaufsstellen aufbürden sollte, wenn es mit den Apotheken bereits Betriebsstätten gibt, für die ein etabliertes und im großen Ganzen gut funktionierendes Überwachungssystem existiert. Zumal die Einhaltung der Regularien des Verkehrs mit kontrollierten Substanzen standardmäßig bei jeder Apo­thekenbegehung überprüft wird. Hinzu kommt die regel­mäßige, anlassunabhängige Kontrolle der Bestandsführung durch die lokalen Gesundheitsbehörden (z. B. Kreisver­waltungsbehörden), die aufgrund der internationalen Verpflichtungen zur Mengenbedarfsplanung und Überwachung von laut UN Single Convention on Narcotic Drugs kontrollierten Substanzen, auch von Hanfshops zu gewährleisten wäre. Auch hier käme es zu einem zusätzlichen Zeitbedarf in den Behörden, die nicht nur in pandemischen Zeiten oft bereits am Rande ihrer Belastungsgrenze arbeiten. Zusätzliche Überwachungsaufgaben erforderten zusätzlichen Zeit- und Personalbedarf in der staatlichen Verwaltung, wodurch zusätzliche Kosten entstehen. Dies wär nicht notwendig, wenn die Distribution von Cannabis(-produkten) für den Freizeitkonsum von Apotheken organisiert würde, die beim Verkehr mit überwachten Substanzen bereits ohnehin regelmäßig kontrolliert werden.

Apotheken erkennen Gefährdungspotenzial und treten Missbrauch entgegen

Apotheken haben die – auch gesellschaftlich – wichtige Funktion, die Bevölkerung vor Gefahren zu schützen, die von bestimmten Substanzen und Zubereitungen ausgehen, und etwaigem Miss- bzw. Fehlgebrauch entgegenzutreten. Es entspricht dem Berufsbild des pharmazeutischen Personals vom Gebrauch bestimmter Produkte abzuraten, wenn ihr Gefährdungspotenzial im konkreten Einzelfall ein tolerierbares Maß übersteigt. Diese Aufgabe wird in den Apotheken tagtäglich wahrgenommen, etwa bei der Beratung zu OTC-Schmerz- bzw. Schlafmitteln oder zu fragwürdigen Nahrungsergänzungsmitteln, die z. B. in Publikumsmedien mit Nachdruck beworben werden. Angesichts des Gefährdungs- und Wechselwirkungspotenzials von Cannabis (s. Bauer D. Wenn Cannabis legalisiert wird ... Warum eine fachlich fundierte Beratung bei Abgabe von Cannabis als Genussmittel notwendig ist. DAZ 2022, Nr. 49, S. 42) haben Apothekerinnen und Apotheker die fachliche Kompetenz, Konsumenten wirkungsvoll zu schützen. Dass interessierte Kreise in der verantwortungsvollen Wahrnehmung einer solchen Gatekeeper-Funktion durch Apotheken eine unangemessene Bevormundung der Konsumenten sehen, kann als Beleg gesehen werden, wie wichtig eine unabhängige Kontrollinstanz für den Konsumentenschutz ist. Den Betreibern von Hanfshops mangelt es an pharmakologischen und toxikologischen Kenntnissen, sodass sie diese Funktion in aller Regel nicht wahrnehmen können. Hinzu kommt, dass in Abgabestellen, die vom Umsatz der Cannabis-Geschäfte leben, der Verbraucherschutz laxer interpretiert werden könnte. Die geplanten Abgabestellen sollten daher – wie dies bei Apotheken der Fall wäre – wirtschaftlich vom Cannabis-Verkauf unabhängig sein, um sicherzustellen, dass die Abgabeentscheidung ausschließlich fachlichen Kriterien und nicht pekuniären Interessen folgt.

Laut § 17 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) hat das pharmazeutische Personal einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten und bei begründetem Verdacht die Abgabe zu verweigern. Die Missbrauchsprävention gehört zu den absoluten Kernbereichen apothekerlicher Kompetenz. Bedenkt man, dass die Miss- und Fehlgebrauchsprävention bei der übermäßigen Verwendung abschwellender Nasensprays beginnt und bei der Einnahme hochpotenter Opioide noch nicht endet, ist kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber bei Cannabis mit seinen pharma­kologischen, insbesondere auch psychotropen Wirkungen einen niedrigeren Maßstab für die Missbrauchsprävention anlegt – auch wenn es sich dann nominell um ein Genussmittel handelt. Die Apotheke ist besonders prädestiniert, auch einem Cannabis-Missbrauch entgegenzutreten. Es existieren bereits Leitlinien der Bundesapothekerkammer, wie in der Apothekenpraxis mit Arzneimittelmissbrauch umgegangen werden kann. Diese können auch auf die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken übertragen werden. Im Zusammenhang mit der Abgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken hat sich die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) bereits mit dem Cannabis-Missbrauch beschäftigt. Hierzu wurde ein Informationspapier veröffentlicht, das für den Freizeitkonsum noch relevanter sein dürfte als für den therapeutischen Gebrauch, da bei medizinischem Cannabis-Einsatz Missbrauch – wenn überhaupt – nur eine sehr viel geringere Rolle spielt als im Freizeitbereich – auch aufgrund der engmaschigen ärztlichen und apothekerlichen Betreuung. Alle in der Offizin tätigen pharmazeutischen Mitarbeiter wissen, dass Gespräche, in denen ein Missbrauchsverdacht angesprochen wird, nicht leicht zu führen sind. Hierzu bedarf es profunder inhaltlicher Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit Menschen, die sich aufgrund ihrer Sucht, Abhängigkeit oder Gebrauchsstörung in einer physiologischen und/oder psychologischen Ausnahmesituation befinden. Auch dürfte die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Apotheken­betriebs vom Cannabis-Geschäft hilfreich dabei sein, die Missbrauchs­prävention ernst zu nehmen, anders als in Abgabestellen, deren einzige Erlösquelle Cannabis-Produkte sind.

Sachkunde und Zuverlässigkeit müssen gegeben sein

Die Komplexität der Fragen rund um den Freizeitkonsum von Cannabis erfordert eine profunde Kompetenz und Sachkunde. Diese ist keineswegs begrenzt auf eine bloße Produktübersicht oder auf Fragen zur Handhabung von Cannabis in den verschiedenen Konsumformen, die versierte Freizeit­konsumenten, die sich entscheiden, einen Hanfshop zu betreiben, möglicherweise aus eigener Erfahrung beantworten könnten. Es geht vielmehr um Fragen, die pharmako­logisch-toxikologisches Fachwissen voraussetzen: welche unerwünschten Wirkungen können auftreten, welche Konsumform weist welches biopharmazeutische Profil auf, wie ist im Notfall zu reagieren, welche Grunderkrankungen werden wie beeinflusst oder welche Wechselwirkungen können mit einer bestehenden Medikation auftreten. Hinzu kommen regulatorische Kenntnisse zum Umgang mit hochpotenten, kontrollierten Substanzen, zur Qualitätskontrolle, Kennzeichnung und Abgabe. Diese Kenntnisse erwirbt das pharmazeutische Personal im Rahmen der Ausbildung. Sollte sich trotz dieser Argumente die Politik für eine Abgabe (auch) außerhalb der Apotheke entscheiden, erscheint es unabdingbar, dass Betreiber und Personal von Hanfshops eine entsprechende Sachkunde erwerben und nachweisen müssen. Denkbar wäre ein System wie bei der Gefahrstoffsachkunde nach Chemikalienverbotsverordnung, das die Teilnahme an einem Kurs einschließlich Kenntnisprüfung sowie eine regelmäßige Auf­frischung voraussetzt. Dieses etablierte Modell ließe sich auf den Umgang mit Cannabis für den Freizeitkonsum übertragen. Angesichts des Gefährdungspotenzials und der zu erwartenden strengen Reglementierung sollte es ausgeschlossen sein, dass jeder ohne seine Sachkunde und seine Zuverlässigkeit (z. B. polizeiliches Führungszeugnis) nachzuweisen, einfach einen Hanfshop eröffnen kann. Eine entsprechende Forderung ist folgerichtig auch im Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums vorgesehen.

Rechtsform als Schutzmechanismus

Apotheken unterliegen dem Fremdbesitzverbot und können nur in Unternehmensformen betrieben werden, bei denen Inhaber unbeschränkt auch mit ihrem Privat­vermögen haften. Dieses Prinzip betont die persönliche Verantwortung und Haftung des frei- und heilberuflich tätigen Apothekers. Es entkoppelt die Arzneimittelversorgung von ausschließlich an Gewinn­maximierung orientierten Vorgaben Dritter, z. B. Kapitalgesellschaften. Ein Prinzip, das auch auf die Versorgung mit Cannabis für den Freizeitkonsum übertragen werden sollte. Denn es gilt das Primat des Verbraucher- und Jugendschutzes, dem eher Rechnung getragen wird, wenn der Betreiber einer Abgabestelle für etwaiges Fehlverhalten nicht nur mit seinem Betriebs- sondern auch mit seinem Privatvermögen haftet und ihm zudem bei besonders schwerwiegendem Fehlverhalten auch der Verlust der Approbation und damit seiner beruflichen Existenz droht.

Werbebeschränkungen

Apotheken unterliegen strengen Werbebeschränkungen, z. B. im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die auch für Cannabis-Produkte geboten erscheinen, um werbeevozierten Mehrgebrauch zu verhindern. Ein solches Werbeverbot für Cannabis ist auch im Eckpunktepapier vorgesehen und ließe sich rechtlich einfach in geltende Werbebeschränkungen für Apotheken implementieren.

Gesetzgeberische Machbarkeit

Die Legalisierung von Cannabis erscheint aufgrund der Verflechtung mit internationalen Abkommen und Verträgen nicht trivial. Sollte dieses Problem gelöst sein, lässt sich der Vertriebsweg über die Apotheken gesetzgeberisch vergleichsweise einfach umsetzen, da viele im Apotheken­bereich etablierte Regularien Cannabis in angemessener Weise miterfassen und sachgerecht erscheinen. Anders als bei der Schaffung neuer Vertriebswege (z. B. Hanfshops), müssten nicht erst komplizierte Regeln für neue Teilnehmer am Verkehr mit kontrollierten Substanzen geschaffen werden. Zudem bestünde die Gefahr, dass neue Regeln bzw. ihre konkreten Ausführungsbestimmungen im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen/Verordnungen stehen, sodass Rechtsstreitigkeiten infolge von Ungleichbehandlung zu erwarten wären.

Fazit

Zahlreiche Argumente sprechen dafür, die in Apotheken vorhandene umfassende Expertise zu Cannabis zu nutzen. Die zentralen Ziele des Eckpunktepapiers des Gesundheitsministeriums – namentlich der Gesundheitsschutz – ließen sich bei der Abgabe über Apotheken unter Nutzung der etablierten, bereits heute für Cannabis bewährten Handels- und Liefer­ketten, besser und zuverlässiger gewährleisten als auf jedem anderen Weg. Einzelne Stellungnahmen und Kommentare zum Eckpunktepapier legen den Verdacht nahe, die Verfasser sähen in einer Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum primär neue Geschäftsmodelle, die sich umso leichter realisieren lassen, je unreglementierter sie sind. Sollte die Politik an einem verantwortungs­vollen Umgang mit diesen hochpotenten Substanzen sowie begleitenden Maßnahmen des Gesundheitsschutzes interessiert sein, dann dürfte an einem Vertrieb über Apotheken kein Weg vorbeiführen. |

 

Literatur

Angaben zur verwendeten Literatur beim Autor

Autor

Apotheker Dr. Andreas S. Ziegler, Pharmaziestudium an der Universität Erlangen-Nürnberg; Referent und Wissenschaftsjournalist; Fachapotheker für Pharmazeutische Technologie und Lehrauftrag für Pharmazeutische Technologie an der Uni Erlangen-Nürnberg

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.