Arzneimittel und Therapie

Wenn Amoxicillin fehlt

Französische und britische Behörden geben Empfehlungen

dm/dab | Laut der französischen Arzneimittelbehörde ANSM betreffen die Amoxicillin-Engpässe ganz Europa sowie andere internationale Märkte. Die Situation soll eine Folge der COVID-19-Pandemie sein, in der kaum noch Amoxicillin-haltige ­Arzneimittel benötigt und entsprechend weniger hergestellt worden sind. In Großbritannien verschärft derzeit zusätzlich eine ungewöhnlich hohe Zahl an Scharlach-Fällen die Antibiotika-Liefer­situation. Wie können Ärzte und Apotheker diesem Engpass begegnen?

Amoxicillin ist knapp in den Apotheken, und wer die internationalen Medien verfolgt, dem wird deutlich, dass sich der Amoxicillin-Engpass keineswegs auf Deutschland beschränkt.

Speziell in Großbritannien dürfte sich der Amoxicillin-Engpass dadurch verschärfen, dass es dort aktuell zu überdurchschnittlich vielen Fällen von Scharlach (A-Streptokokken-Infektionen) kommt (s. Beitrag „Immer mehr Scharlach-Fälle“, S. 20). Der Specialist Pharmacy Service in Großbritannien (ein Teil des National Health Service, NHS) hat vergangenen Mittwoch nun eine Stellungnahme veröffentlicht, in der angesichts von Antibiotika-Engpässen zur Verwendung fester oraler Darreichungsformen bei Kindern ge­raten wird – wo möglich.

Man kann kein konkretes Alter benennen, ab dem Kinder sicher feste orale Arzneiformen schlucken können. Bei normalem Entwicklungsstatus geht man davon aus, dass zwischen sechs und sieben Jahren zuverlässig geschluckt werden kann – die Spanne ist jedoch nach oben und unten groß. Daher erklärt der Specialist Pharmacy Service in seiner Stellungnahme auch, wie man Tabletten und Kapseln (im Off-Label-Use) für Kinder zerkleinern und dispergieren kann. Da die Antibiotika ohne Tablettenfilm oder Kapselhülle bitter schmecken, wird zudem darauf hingewiesen, den Geschmack beispielsweise mit Marmelade, Apfelmus oder Joghurt (cave: Wechselwirkungen) zu überdecken.

Besteht eine Indikation?

Auch die französische Arzneimittel­behörde ANSM (Agence nationale de securité du médicament et des pro­duits de santé) hat Empfehlungen veröffentlicht, die dazu beitragen sollen, die Versorgung mit Amoxicillin ­sicherzustellen. Unter anderem wird dazu aufgerufen, Antibiotika nur dort einzusetzen, wo sie auch indiziert sind und über kürzere Behandlungsdauern nachzudenken. Die ANSM betont in ihrer Meldung, dass Antibiotika bei viralen Infektionen wie einer Bronchiolitis, Grippe, COVID-19, Nasopharyngitis und den meisten Fällen von Angina und Mittelohrentzündung nicht helfen.

Apotheker fordert die ANSM auf, darauf zu achten, dass bei akuter Angina vor der Antibiotika-Verordnung ein ­diagnostischer Schnelltest (Test rapide d’orientation diagnostique [TROD] de l’angine) durchgeführt worden ist, oder diesen im Zweifel bei Kindern ab zehn Jahren auch selbst durchzuführen. Wo möglich, sollen Antibiotika einzeln dispensiert oder nur Fünf-­Tages-Packungen abgegeben werden, wie sie für die gängigsten Infektionen benötigt werden. |

Literatur

Amoxicilline: des recommandations pour contribuer à garantir la couverture des besoins des patients. Informationen der ANSM, 8. Dezember 2022

Using solid oral dosage form antibiotics in children. Informationen des Specialist Pharmacy Service, 9. Dezember 2022

Das könnte Sie auch interessieren

In Großbritannien häufen sich die Erkrankungen / Zur Wachsamkeit wird aufgerufen

Immer mehr Scharlach-Fälle

Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen

Scharlach-Welle und Antibiotika-Engpässe

Was Einkaufsgemeinschaften, BfArM und die EMA sagen

Wie schlimm ist der Antibiotika-Engpass wirklich?

Wie der Antibiotika-Engpass gemeistert werden kann

Ausweg Aut-simile-Austausch

BfArM mahnt zum leitliniengetreuen Einsatz

Amoxicillin und Penicillin für Kinder bleiben knapp

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.